Seinen berühmten Hammer namens Mjölnir hat Thor 2017 in seinem letzten Solo-Film «Tag der Entscheidung» verloren, und nicht nur den, sondern gleich sein ganzes Königreich Asgard. Man weiß jedoch inzwischen, dass im Marvel-Universum nicht wirklich etwas verschwindet und selbst Tote zurückkehren können. So hat sich der neuseeländische Regisseur und Drehbuchautor Taika Waititi diesmal einiges ausgedacht, Verlorenes zurückzubringen. Okay, New Asgard ist in Thors viertem Solo-Film «Love & Thunder» nur noch ein auf der Erde aufgebautes Dorf an der Küste, dass im Film zu einer Art Disneyland verkommt. Und schon sind wir damit mittendrin in der humorigen Welt von Taika Waititi, der Thor schon mit «Tag der Entscheidung» den ernsten shakespeareschen Anstrich nahm und ihm mit einer selbstironischen Darstellung auf der Beliebtheitsskala im Marvel-Superhelden-Ranking ganz nach oben hievte. Und wie bringt Waititi, der sich zwischen den beiden «Thor»-Abenteuern auch noch einen Drehbuch-Oscar für die Hitler-Persiflage «Jojo Rabbit» abholte, Mjölnir zurück in die Arena? Ein weitaus spektakulärer Twist, denn nach neun Jahren kehrt damit auch Natalie Portman («Leon, der Profi») in ihrer Rolle als Thors Ex-Freundin Jane Foster zurück.
Schau‘ mal, wer da hämmert
Eine schwere Krebserkrankung lässt die Astro-Wissenschaftlerin Dr. Jane Foster (Natalie Portman) immer schwächer werden. Sie sucht Heilung in New Asgard, wo sie mit den Überresten des zerstörten Hammers Mjölnir tatsächlich zu neuer Kraft kommt. Mehr noch, sie verwandelt sich selbst in eine Superheldin und kann Thor (Chris Hemsworth), inzwischen mit einer Riesenaxt bewaffnet, als ‚Mighty Thor‘ zu Hilfe eilen - im Kampf gegen Gorr (Christian Bale), der alle Kinder aus New Asgard entführen lässt. Gorr ist voller Zorn, weil er von seinem Gott sogar verhöhnt wurde, als er trotz aller Gebete seine kleine Tochter zu Grabe tragen musste. Mit Hilfe des Nekro-Schwerts ist er nun mächtig genug, sogar gegen Götter anzutreten. Er will alle Gottheiten aus allen Welten vernichten. In seiner Not bittet Thor den großen Zeus (Russell Crowe) um das Aufstellen einer Armee. Aber auch dieser Gott ist arrogant und herrisch, macht sich nur lustig über Thor, was er aber teuer bezahlen muss.
Eine göttliche Komödie?
Was in «Tag der Entscheidung» so wunderbar anders und belebend war, wird diesmal mächtig überstrapaziert. Taika Waititi findet keine Balance zwischen den wirklich dramatischen Themen des Films und dem ständigen selbstironischen Augenzwinkern und einer Ansammlung von Running Gags, die zu oft aus dem Ruder laufen. Das unangenehme Schreien von zwei Riesen-Ziegen etwa, von denen sich Thor und seine Gefolgschaft durchs Weltall ziehen lässt, nervt von Anfang an, die Gags auf Kosten von Natalie Portmans Figurennamen Jane Foster, woraus dann mal Jane Fonda, mal Jodie Foster entsteht, sind auch nicht wirklich der Hammer, und selbst das Herumalbern mit den «Guardians of the Galaxy», die nur anfangs in Erscheinung treten, verpufft schnell. Besser funktionierten da die kleinen Attitüden, die einfach mal eben so nebenbei passieren. Etwa wenn Russell Crowe sein Röckchen unter seiner goldenen Rüstung nochmals wie ein Ballett-Tutu zurecht zupft oder wenn alle zugleich in Ohnmacht fallen, als Thor plötzlich nackt dasteht. Oft hat man aber das Gefühl, dass in diesem Film gar nichts mehr ernstgenommen wird und schlichtweg alles der Lächerlichkeit preisgegeben wird, um Gute-Laune-Kino zu erzeugen. Das überschattet jedoch oft genug die Tragik der ernsteren Themen wie die Krebserkrankung von Natalie Portman als Jane Foster oder die Verbitterung von Christian Bale als Gorr. Sollen dann doch mal den Tränen fließen, wirken solche Szenen besonders am Ende wie reingezwängt.
Kinder auf dem Kriegsschauplatz
Was man von einem Marvel-Film aber vor allem erwartet, ist ein gigantisches Aufgebot von spektakulären Actionszenen. Da lässt sich der vierte «Thor» nicht lumpen, und schon zu Beginn zieht der Göttersohn mit den «Guardians of the Galaxy» von einer Schlacht zur nächsten, was ihn bald langweilt. Das gilt auch fürs Publikum, denn so technisch perfekt diese Kämpfe auch umgesetzt sind, wirken sie bald austauschbar. Da hilft es auch nur wenig, wenn eine Sequenz auf einmal in einer Schwarzweißwelt spielt. Das fällt zwar schon aus dem Rahmen, weil bei «Thor» immer alles so poppig bunt ist, aber der Effekt ist ebenso schnell wieder ausgereizt wie er gekommen ist. Auffälliger kommen da schon die entführten Kinder zum Einsatz. Sie werden von Thor befreit und von ihm tatsächlich dazu aufgerufen, sich etwas zu nehmen, was wie eine Waffe aussieht, um gegen die Schattenwesen von Gorr zu kämpfen. Zwar werden sie vorher von Thor per Augenblitz mit Superkräften ausgestattet, aber so richtig nachgedacht wurde hier nicht. Denn Kinder haben auf keinen Kriegsschauplatz etwas zu suchen, nicht mal in einer Fantasy-Welt. Es bleibt ein bitterer Beigeschmack während man sich den Abspann ansieht, den man aber durchhalten sollte, um zu erfahren, dass im Marvel-Universum Tod nicht gleich Tod bedeutet.
Fazit: Mit seinem anarchischen Humor brachte Regisseur Taika Waititi vor fünf Jahren frischen Wind in die Götterwelt von «Thor». Das fällt ihm diesmal jedoch auf die Füße. Zu viele Gags überschatten sogar die dramaturgischen Höhepunkte, und die etlichen Special-Effects-Shows ermüden einen mit der Zeit.
«Thor: Love & Thunder» ist im Kino zu sehen.
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