Interview

Herbert Knaup: ‚Autoren wollen Vertrauen und brauchen ihre Freiräume‘

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Am Dienstag startet die fünfte Runde von «Die Kanzlei», die in den vergangenen Wochen trotz Wiederholungen tolle Quoten holte. Wir sprachen mit dem 66-Jährigen auch über den Thorsten Näter, der sämtliche Episoden schrieb.

Hallo, Herr Knaup. In den vergangenen Wochen strahlte Das Erste Wiederholungen von «Die Kanzlei» aus. Die Zuschauerzahlen waren fantastisch. Sind Sie so etwas wie das öffentlich-rechtliche «The Big Bang Theory»?
Es freut mich natürlich riesig, dass selbst die Wiederholungen unserer Anwaltsserie auf so hohe Resonanz bei den Zuschauern trifft. Der Kampf ums Rechthaben besteht ja seit der Entstehung der Menschheit. Denken sie an den Sündenfall. Die Vertreibung aus dem Paradies wäre mit unserer anwaltlichen Beratung sicher anders verlaufen. Spaß beiseite. Die Rezeptur unseres Formats stimmt. Unterhaltsam, aktuell, vielseitig und sympathisch mit Suchtpotential.

Selbst im Hochsommer erreichen Sie mit alten Folgen mehr Zuschauer als das private Fernsehen. Haben sich Sat.1 & Co. zu lange auf ihren Shows ausgeruht?
Nein. Ich denke, jedem das seine. Die Struktur des Erzählfernsehens beherrscht das öffentlich-rechtliche Fernsehen aus seiner Tradition heraus recht gut.

Die Serie startete mit Dieter Pfaff im Jahr 2005 unter dem Titel «Der Dicke». Wäre so ein Titel heute noch denkbar oder wäre das schon Bodyshaming?
Heutzutage vielleicht, aber es wäre natürlich auch die Möglichkeit gegeben, innerhalb der Folgen darauf Bezug zu nehmen und diesen „Spitznamen“ zu be- und ergründen.

Der Fernsehfilm der Serie «Reif für die Insel» wurde Ende Februar nach einem 30-minütigen «Brennpunkt» zur Ukraine-Krise ausgestrahlt. Sind die 4,35 Millionen Fernsehzuschauer für Sie ein Erfolg gewesen oder hat die Reichweite unter den schrecklichen Bildern gelitten?
Es ist für jeden zeitversetzten Fernsehfilm schwieriger, sein Publikum zu halten. Gerade wenn ein Krieg am Rande Europas hereinbricht und uns alle involviert, kann ich die Zurückhaltung der Zuschauer sehr gut verstehen nicht gleich nach einer schockierenden News-Sendung einfach so zu tun, als sei nichts vorgefallen. Insofern sehe ich die Quote als eine Würdigung unserer Arbeit.

Die Produktion der fünften «Die Kanzlei»-Staffel nahm fast ein Jahr in Anspruch. Warum haben die Dreharbeiten so lange gedauert?
Die Produktion einer Staffel braucht jedes Mal ein Jahr. 13 Folgen benötigen Zeit. Wir splitten das in eine vierteilige Drehzeit. Mit 4 Regisseur*Innen, die die Folgen in Drehblöcken mit uns erarbeiten. Und zwischen den Blöcken gibt es kleinere Zeitfenster, aus denen wir freudig in die Zukunft blicken, wann es denn wieder weitergeht. Dann wird das Material geschnitten und dem Sender gezeigt, und der überlegt dann, wann es gesendet wird – und schon ist wieder ein Jahr rum.

Ihre Serie hat etwas Besonderes: Alle Bücher stammen von Thorsten Näter, der zahlreiche erfolgreiche Reihen schreibt. Haben Sie regelmäßig Kontakt mit dem inzwischen 69-jährigen Erfolgsautor?
Nicht regelmäßig. Autoren wollen Vertrauen und brauchen ihre Freiräume. Aber ab und an gibt es einen lebendigen Austausch an Ideen bei einem kreativen Treffen.

Die vierte Staffel der Serie handelte vom besonderen Verhältnis zwischen Isabel von Brede (Sabine Postel) und Ihnen, Markus Gellert. Wird das Beziehungsdrama auf eine neue Stufe gestellt?
Davon ist auszugehen. Spannend wird es, wie beide mit dem Scheitern ihres Ehevorhabens umgehen und wie sie sich begegnen. Wie sieht jetzt der berufliche Alltag aus? Steht das Weiterführen der Kanzlei auf der Kippe?

In «Die Kanzlei» hat bekanntlich mehrere rote Fäden. Thomas, gespielt von Oliver Wnuk, kam als Aushilfe, studierte dann Jura und wurde schließlich Referendar. Werden solche Geschichten über Jahre geplant oder ergibt sich das von Staffel zu Staffel?
Da müssen Sie den Autoren fragen. Vielleicht hat Herr Näter eine ähnliche Mindmap wie Joan Rowling. Sie hatte die ganze Harry Potter Geschichte und seine Entwicklung von Anfang an im Kopf.

Sie wirkten in der Joyn-Miniserie «Blackout» mit. Die Serie wurde vor einem Jahr veröffentlicht. Haben Sie von Freunden und Verwandten schon positive Rückmeldungen erhalten?
Ja. Positive für die Umsetzung des Romans und meine Darstellung. Negative dafür, dass diese Möglichkeit eines europaweiten, ja globalen Stromausfalls durchaus gegeben ist. Nicht auszudenken bei unseren aktuellen Energieproblemen in Europa.

Können Sie verraten, warum die Serie nicht im Free-TV zu sehen war? (Wird das noch nachgeholt?)
Ich bin nicht der Produzent und kenne die Vereinbarungen, respektive Verträge, nicht.
Im vergangenen Jahr waren Sie auch in «Die Rettung der uns bekannten Welt» zu sehen. Hatten Sie sich im Vorfeld mit manisch-depressiven Personen beschäftigt?

Ja, das habe ich, denn vor zwei Jahren habe ich am St.Pauli Theater im Stück „Der Sohn“ in der deutschen Erstaufführung vom Oscarpreisträger Florian Zeller den Vater gespielt. Da geht es um diesen Zustand, der bei vielen Jugendlichen auftreten und im schlimmsten Fall zum Suizid führen kann. Wir haben uns damals eingehend und ausführlich mit dem Krankheitsbild bipolarer Störungen beschäftigt.

Vielen Dank für das Gespräch!

«Die Kanzlei» ist ab Dienstag, 23. August, um 20.15 Uhr im Ersten zu sehen.

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