Interview

Anatole Taubman: ‚Cowboy-und-Indianer-Spielen entschleunigt‘

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Der 51-Jährige stand für «Der junge Häuptling Winnetou» vor der Kamera und erzählt von seiner Faszination von Karl May.

In über 50 Film- und Fernsehformaten könnte Anatole Taubman (51) seine schauspielerische Vielfalt immer wieder unter Beweis stellen. Aber ausgerechnet die Rolle eines Handlangers des Bösen sollte für ihn der Durchbruch bedeuten, als er 2008 in «Ein Quantum Trost» James Bond das Leben schwermachte. Eine kleine Rolle, wie der gebürtige Züricher zugibt, aber seitdem läuft es national und international wie geschmiert. Ob in Sönke Wortmanns «Die Päpstin», als Wikinger in «Northman - A Viking Saga» oder in deutschen Krimiserien wie «Tatort» und «Der Fahnder». Nicht selten sind es die Schurken, was ihm nichts ausmacht – so auch in dem Kinderfilm «Der junge Häuptling Winnetou» als grausiger Todd Crow, der hinter dem Goldschatz der Apachen her ist und dafür sogar den kleinen Indianerjungen Winnetou in seine Krallen bringt. Mit diesem Film wird gleichzeitig das 60. Jubiläum des Kino-Winnetou gefeiert, der seinen ersten Leinwandauftritt in «Der Schatz im Silbersee» hatte, damals noch mit Pierre Brice (†86) als erwachsener Winnetou. Wir trafen Anatole Taubman zu einem Gespräch in Berlin.

Glauben Sie, dass heutige Kinder mit «Winnetou» noch etwas anfangen können?
Ich bin mit Karl May großgeworden, und es liegt sicherlich nun auch an meiner Generation, dass wir es an die nächsten Generationen weitergeben. Ich sage Kindern zum Beispiel, dass Winnetou für mich als Kind ein wahrer Held war, den ich bewundert hab und «Der Schatz im Silbersee» mein Lieblingsfilm war. ‚Komm‘, lass uns in den neuen Film gehen. Das wird bestimmt toll.‘

Was gefällt Ihnen daran?
Cowboy-und-Indianer-Spielen ist vielleicht etwas langsamer, aber es entschleunigt auch, und schon deshalb muss man das unseren Kindern nahebringen. Zusätzlich bekommen sie eine andere Welt präsentiert, «The Wild Wild West», und ich könnte mir vorstellen, dass das auch auf die heutige Jugend eine Faszination hat. Da gab es noch keine Handys, aber schon um die großen Themen um Toleranz und Respekt. Ich finde, es ist ein sehr wertvoller Film.

In dem Sie den Schurken Todd Crow verkörpern. Ist es okay für Sie, immer wieder mal für solche Rollen gecastet zu werden?
Absolut, ich liebe es!

Bond war sicherlich auch ein wichtiger Karriereschritt für Sie…
Bond ist eine Weltmarke und ich spielte darin eine farbenfrohe Tapete. Du kannst noch so gut und authentisch einen Wolf in irgendeinem europäischen Film spielen, aber wenn der Wolf auf globalen Plattformen nicht gespielt wird, dann hast du auch nicht viel davon. Bei «Ein Quantum Trost» kann man sich an diesen Elvis erinnern, und wenn mir diese Tapete auf der Welt Aufmerksamkeit schafft, das alle raufschauen, dann kann das schon ein goldenes Ticket sein. Ich hätte nie gedacht, was das mit der Karriere macht, und auch mit einem selber.

Inwiefern?
Bis heute ist das eine meiner Top 5-Produktionen, denn es war der teuerste Spielplatz, auf dem ich rumspielen konnte. Künstlerisch war es sicherlich nicht so anstrengend, aber wir hatten eine tolle Zeit. Schon vor Bond hatte ich 50 bis 60 Filme gedreht. Bond hat mir vor allem in Deutschland geholfen. Da wurde plötzlich gefragt: ‚Wer ist der denn? Ach, da und da hat er schon mitgespielt. Na komm‘, den holen wir uns mal rein.‘

Was bedeutet Ihnen die Schauspielerei?
Als Kind war ich von fünf bis neun Jahren in einem Heim. Der Grund war, dass sich meine Eltern getrennt haben und sich nicht einigen konnten. In der Schweiz galt in den 70’er Jahren, dass das Kind solange an einen neutralen Ort muss, bis das Gericht eine Entscheidung fällt. Im Heim gab es aber nur drei Möglichkeiten. Entweder du wirst gehänselt, oder du wirst zum Mitläufer, oder du wirst zum Clown und Entertainer.

Und für Sie kam nur die dritte Möglichkeit in Betracht…
Ja, um mich zu schützen, aber auch, um Liebe zu bekommen. Wenn du laut bist und einen Witz machst, lachen dich die anderen an und du kriegst diese Pseudobestätigung oder Pseudoliebe. Diese Kunst habe ich perfektioniert. Mit 16 musste ich auf ein Internat in einem Kloster, wo ich dann aber erstmals spürte, ich werde als Anatole, als Mensch nicht richtig ernst genommen. Man will mich nur um sich rumhaben, weil ich lustig bin und alle unterhalte.

Wie ging’s weiter?
Ein Pater, der auch Leiter der Theaterschule war, sagte zu mir: ‚Du, wir machen Shakespeare als nächstes. «Der Kaufmann von Venedig». Die Rolle ‚Shylock‘ - das wäre doch was für dich.‘ Ich dachte nur: ‚Aber ich bin doch eher der Puck aus «Ein Sommernachtstraum».‘ Dann habe ich mich aber darauf eingelassen, und nach den Vorführungen kamen alle zu mir sagten, sie hätte mir die Rolle des bösen Shylock geglaubt und mich ernstgenommen.

Ihr Vater war aber auch schon Künstler…
Wenn er noch leben würde, wäre er heute 112. Er stammte aus Königsberg in Ostpreußen und war ein Geiger-Wunderkind. Mit 19 wurde er erster Geiger der Berliner Philharmoniker, und bis heute ist er damit der jüngste, den das Orchester je hatte. Auch während der Nazi-Zeit wurde er noch lange geduldet. Aber der Pförtner der Frankfurter Oper sagte irgendwann zu ihm, dass das nicht mehr lange gutgehen kann. Das hat mein Vater sehr ernst genommen und floh 1938 nach England.

Wo er weiterhin als Geigenspieler arbeiten konnte?
Nein, die wurden nicht gebraucht. Aber er konnte viele Sprachen fließend, und deshalb durfte er in England bleiben und wurde umgehend zum Britischen Geheimdienst geschickt. So wurde aus diesem jungen Geiger Bond, nein (lacht), aber er hat dort eine steile Karriere gemacht und hat nach dem Krieg den OBE und den britischen Pass bekommen, den ich dadurch auch besitze.

Geboren wurden Sie aber in Zürich. Wie ist es dazu gekommen?
Das hat auch mit Papa zu tun, der nach 1945 nicht mehr Geige spielen wollte. Aber er hatte eine Superidee und rief all seine jüdischen Freunde wie z.B. Artur Rubinstein, Itzhak Stern oder Leonard Bernstein an, in der Hoffnung, dass sie noch leben. Er sagte Ihnen: ‚Ich werde Euer Impressario. Bis zu seinem Tod hat er sie vertreten und wurde hinter den Bühnen der Klassischen Musik zu einem der einflussreichsten Manager der Nachkriegszeit. Mitte der 60’er Jahre zog er dann mit meiner Mutter, die 30 Jahre jünger war als er, von Wien in die Schweiz, nach Zug.

Wie stehen Sie mit diesem familiären Background heute zu Deutschland?
Meine Mutter ist schon mit vier Waise geworden, ihre Eltern wurden umgebracht und sie ist außerhalb Wiens bei nichtjüdischen Freunden großgeworden. Sie hat nie verstehen können, dass ich in Deutschland lebe und mit einer deutschen Frau Kinder habe. Jahrelang gingen heftige Telefonate über die Bühne, bis ich für mich einen Schritt nach vorne machen musste und ihr sagte: ‚Mama, ich kann mich nicht um deinen inneren Frieden kümmern. Das liegt in deiner Verantwortung.‘

Vielen Dank für das Gespräch!

«Der junge Häuptling Winnetou» läuft aktuell im Kino.

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