Serientäter

«Mordsschwestern – Verbrechen ist Familiensache: Schwarzer Fisch»

von

Da ist sie, die neue Freitagabend-Krimiserie des ZDF. «Der Alte», «Soko Leipzig», «Ein Fall für Zwei» bekommen Zuwachs. Und der fahndet familiär und im Hohen Norden der Republik. Man kann allerdings, wenn die Mordsschwestern ermitteln, auch einfach etwas anderes gucken.

Stab

BESETZUNG: Lena Dörrie, Caroline Hanke, Tamer Trasoglu, Claudiu Mark Draghici, Jonah Djalili, Anne Moll, Matthias Herrebye-Brand, Lena Reinhold
BUCH: Kathrin Richter, Jürgen Schlangenhof
REGIE: Ole Zapatka
SCHNITT: Friederike Dörffer
KAMERA Timo Moritz
KOSTÜME: Astrid öldner
MUSIK: Oliver Thiede
Zwei Schwestern als Mordermittlerinnen. Die eine dienstbeflissen und hyperkorrekt, die andere eine Chaotin vor dem Herrn, was natürlich bei der Zusammenarbeit immer wieder für lustige Situationen sorgt. Keine Frage: Das ist so unfassbar originell, dass man das Kapitel „Krimiserie“ damit abschließen kann. Was soll jetzt noch kommen?

Okay, Sarkasmus beiseite, denn selbstverständlich scheitert diese Serie nicht an seiner 08/15-Ausgangssituation. Die ist ja in Wahrheit gar nicht zu bemängeln. Zwei Charaktere, die vollkommen unterschiedlich ticken, sich aber immer wieder irgendwie zusammenraufen müssen, weil sie beide über Fähigkeiten verfügen, die einander ergänzen - warum nicht? Das klingt nach einer Serie, bei der der geneigte Zuschauer, die geneigte Zuschauerin mal so richtig entspannen kann. Kein High Concept, kein großes Drama, sondern einfach Unterhaltung für den Freitagabend. Eigentlich sollte bei solch einem Konzept nicht viel daneben gehen, wenn Profis am Werk sind, die das Kriminalfilmmetier kennen und wissen, dass sie einen Sendeplatz zu bestücken haben, an dem seit 55 Jahren zum Vergnügen des Publikums gemordet und gemeuchelt wird. Um so erstaunlicher ist es mit ansehen zu müssen, wie der Pilotfilm zur neuen Serie so richtig Lust aufs Umschalten macht.

Warum?

Flirten auf Beerdigungen liegen im Trend, oder?

«Schwarzer Fisch» beginnt, wie es sich für einen Freitagskrimi gehört, mit dem Fund einer Leiche. Ein junges Pärchen entdeckt den nicht freiwillig aus dem Leben geschiedenen Herrn bei einem Spaziergang am Ostseeufer von Flensburg.

Davon ahnt Kommissarin Viktoria Lorentzen noch nichts, während sie auf ihre Schwester Feli wartet. Nun kann es ja passieren, dass man zu einem Treffen zu spät kommt. Viktoria wartet mit ihrer Mutter allerdings nicht an irgendeinem Ort auf Feli. Sie wartet auf einem Kutter auf ihre jüngere Schwester, von dem aus die Asche ihres Vaters der See übergeben werden soll. Ihr Vater ist vor einigen Tagen beim Puzzeln eingeschlafen und nicht mehr aufgewacht. So also erscheint Feli zur Beerdigung ihres eigenen Vaters zu spät. Dass sie nicht einmal dem Anlass entsprechend gekleidet ist, ist da nur eine Nuance. Aber die Familie scheint eh ziemlich gestört zu sein, schließlich hat Viktorias Mutter die unfreiwillige Wartezeit genutzt, um ein wenig mit dem Skipper des Bootes zu flirten. Das soll jetzt nicht spießig klingen, aber da es keinen Hinweis darauf gibt, dass der Verstorbene ein Drecksack gewesen wäre, dessen Ableben erst einmal ordentlich gefeiert werden muss – im Gegenteil, er wird als netter Kerl beschrieben – sollte man da nicht wenigstens mit dem Schäkern waren, bis die Asche im Meer versunken ist?

Sicher, man kennt das Motiv der lustigen Witwe aus der Operette, die sich als Kunstform der Heiterkeit verschrieben hat. Haha, das Leben muss weitergehen, seid keine Kinder von Traurigkeit. Seltsamerweise animiert dieser Moment jedoch nur zum Kopfschütteln und ist defintiv nicht witzig.

Nachdem des Vaters Asche der Ostsee übergeben worden ist, erwartet Viktoria die nächste böse Überraschung. Statt in Ruhe den Tod ihres Vaters reflektieren zu können, erwartet sie ihr Kollege Sami am Kai des Hafens und bittet sie ihn zu begleiten – leider, entschuldigt er sich, sei sie gerade die einzige greifbare Mordermittlerin. Warum? Weil das Drehbuch einen Moment braucht, um Feli in den Dienstwagen ihrer Schwester zu bugsieren, wo sie erst einmal die Sitze mit fettigen Chips versaut. Wer kennt das nicht? Man kommt von der Beerdigung eines Menschen, der einem nahegestanden hat, und braucht erst einmal was Leckeres zu knabbern. Einmal im Dienstwagen Chips knuspernd, nutzt Feli die Gelegenheit, um Viktoria mitzuteilen, dass sie nun ihre neue Kollegin ist. Ja, eigentlich wollte sie, die studierte Forensikerin, nach Kiel, aber dann hat sich überraschend Flensburg ergeben. Klar, das hätte sie natürlich auch vorher kommunizieren können.
Es gibt eine fantastische Erfindung namens Telefon, die Stimmen in Echtzeit über irrwitzige Entfernungen übertragen kann. Oder, wer nicht so gerne telefoniert, könnte heutzutage auch eine WhatsApp versenden. Aber Deutschland hat es bekanntlich ja nicht so mit der Digitalisierung und so muss Viktoria nun auf dem Weg zum Fundort einer Leiche erfahren, dass ihre Schwester in Zukunft an Tatorten mit ihr zusammenarbeiten wird.

Diese Chaotin, die nicht einmal pünktlich zur Beerdigung des Vaters erscheinen kann, soll also eine Forensikerin sein? Okay, … man muss also davon ausgehen, dass Feli eine studierte Naturwissenschaftlerin hat (was genau sie studiert hat, ist erst einmal irrelevant). Als Naturwissenschaftlerin ist die systematische Forschung Teil ihrer Berufs-DNA. In der Forensik kommt indessen der Punkt dazu, dass sie nicht nur als Forschende agiert, sondern die Ergebnisse, die sie im Rahmen ihrer Tätigkeit erarbeitet, auch noch gegebenenfalls vor Gericht Bestand haben müssen. Um solch eine Tätigkeit hundertprozentig ausführen zu können, muss man im Herzen nicht nur ein Perfektionist, sondern im Grunde ein Korinthenkacker sein.

Und wir, die Zuschauerinnen und Zuschauer, lernen Feli kennen, eine Chaotin mit leichtem Sockenschuss. Was noch nichts bedeutet! Wir haben bis zu diesem Moment ja noch nicht die Forensikerin kennengelernt. Demnach könnte die Inszenierung nun mit einer Überraschung aufwarten – nämlich einem Bruch, der die Chaotin am Tatort als Profi porträtiert, als eine vollkommen andere Person, die die Wissenschaftlerin von der Chaotin abkoppelt. Es kann ja thematisiert werden, dass es ihr nicht leicht fällt, stets nüchtern und konzentriert zu arbeiten. Vielleicht gibt es ja sogar ein trauriges Geheimnis aus ihrer Vergangenheit, einVersagen in einem Moment, in dem ihr die Trennung nicht gelang! Feli – eine Dr. Jeckyl/Mrs. Hyde-Figur im Hohen Norden der Republik?

Um es kurz zu machen: Die Inszenierung versemmelt es, dass es auf den Augäpfeln schmerzt!
Am Tatort kommt Feli ohne die Hilfe eines Kollegen kaum in ihren Schutzanzug – und als sie dann Spuren entdeckt, die darauf hindeuten, dass der überraschend aus dem Leben geschiedene Herr möglicherweise mit einer Schubkarre zum Fundort kutschiert worden sein könnte, sprich, der Mord an einem ganz anderen Ort stattgefunden hat: Erzählt sie dies dann der ermittelnden Kommissarin, ihrer Schwester? Oder folgt sie selbst der Spur und stolpert wie ein Elefant im Porzellanladen in jenes Ferienhaus, in dem das Lebenslicht des Ermordeten tatsächlich ausgeschaltet worden sein könnte?

Sie erzählt es natürlich ihrer Schwester!
Haha, nein, nur Spaß.
Selbstverständlich folgt sie selbst der Spur und lässt einen Elefanten auf ihrem Weg zum wahren Tatort wie eine im Spitzentanz gestählte Primaballerina aussehen.

An diesem Punkt des Pilotfilmes möchte man Feli Lorentzen am liebsten von hinten sehen. Auf der anderen Straßenseite. In einem anderen Bundesland.

Wer nun glaubt, dass es besser wird, irrt, denn das Drehbuch klammert sich krampfhaft an die Vorstellung, dass Felis Hang zum Chaotischen humorvoll sein könnte. Was er nicht ist. Dass die Inszenierung dann auch noch versucht, Viktorias Professionalität als langweilige Piefigkeit darzustellen, um Feli in ein besseres Licht zu rücken, killt den Pilotfilm bereits am Ende des ersten Aktes.

Ach ja, ganz nebenbei gibt es ja noch einen Mord aufzuklären. Der Tote ist ein erfolgreicher Geschäftsmann, der als einfacher Fischer seine Arbeit aufgenommen hat und irgendwann sehr, sehr wohlhabend geworden ist. Er hinterlässt eine Witwe, die nach einer Fehlgeburt im Alkohol Trost gesucht hat. Und er hat einen Bruder, den die Nachricht seines Todes sichtbar mitnimmt. Auf dem Weg nach Oben hat das Mordopfer nicht immer fair gespielt und offenbar hat ihm nun irgend jemand, den er auf diesem Weg mal ins Wasser geschubst hat, einen finalen Scheitel gezogen. Der Kriminalfall ist okay. Er ist Regalware. In sich aber ist er geschlossen, nachvollziehbar, ohne Schnörkel. Leider ist er aber nur Beiwerk, denn der Pilotfilm soll ja vor allem die Schwestern als Ermittlerinnen-Duo etablieren. Dazu bräuchte es einen Moment, einen einzigen Moment, in dem sich Feli als brillant offenbaren würde, als Profi, als gewiefte Spurenleserin – als irgend etwas, das Viktorias Fähigkeiten als Ermittlerin adäquat ergänzen würde. Doch einen solchen Moment gibt es nicht. Ihre Fähigkeiten, welche das auch immer sein mögen, werden behaupten. Was offenbar auch einer für diese Produktion verantwortlichen Person aufgefallen sein muss. Der Autorin? Dem Regisseur? Der ZDF-Serienredaktion? Irgendwann, nach dem Ende des zweiten Aktes, kippt die Inszenierung ins Hochdramatische. Eine tödliche Bedrohungslage muss her! Es braucht das ganz große Drama, einen Moment, der die Kehle zu- und vor allem die Schwestern zusammenführt. Einen Moment, der nur bedauerlicherweise nicht aus der Geschichte heraus entsteht und Spannung erzeugt. Es ist vielmehr eine dramaturgische Rettungsaktion, die übertünchen soll, wie unfassbar verkorkst die Figur der Feli ist, wie unsympathisch, wie nervend, wie unsäglich in allen Belangen. Was aber nicht gelingt, denn das Debakel ist zu diesem Zeitpunkt bereits an einem Punkt angelangt, an dem es keine Rückkehr mehr zu so etwas wie einem Neustart gibt. So liegen die Sympathien in dem Moment, in dem Feli in Gefahr gerät, bei ihrem Gefährder.
Man glaubt es einfach nicht!

Fazit: Stefan Derrick rotiert im Grab!

«Mordsschwestern» läuft am Freitag, den 2. September, um 20.15 Uhr im ZDF.

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