Die teuerste Serie, die je produziert wurde, grenzt visuell nahe an der Perfektion. Das Produktionsniveau steht auf einer Stufe mit hochwertigen Big-Budget Kinoproduktionen. Nichts schaut hier nach einer Verfilmung für den heimischen TV-Bildschirm aus, auch wenn der Cut zwischen absolut echt wirkenden Dörfern samt Einwohnern, die offensichtlich nicht mit dem Computer erzeugt wurden, sondern noch vor der Kamera aufgebaut und abgefilmt wurden, hin zu einigen CGI-Effekten rund um beispielsweise Feuer und Schnee, trotz des wahnwitzigen Budgets immer noch bemerkbar ist. Abseits der visuellen Aspekte, die hier durchaus bis zu einem gewissen Grad als Blendwerkzeug für die bisher eher schwächelnde Handlung fungieren, werden auch gerade die Charakterzeichnungen betreffend, schnell einige Probleme sichtbar.
Galadriel (Morfydd Clark), die scheinbare Protagonistin der Serie, bleibt bisher äußerst blass. Zu der Figur wird, wie auch zu den restlichen Charakteren der Serie im Verlauf der beiden Erstlingsfolgen, praktisch keine Bindung aufgebaut, was allerdings gerade bei einer Hauptfigur äußerst kritisch ist. Dass sie mit ihrer infantilen, teils recht unbesonnenen Art so gar nichts mit der weisen, mächtigen Figur aus «Der Herr der Ringe» gemein zu haben scheint, wirkt antiklimatisch und dürfte trotz des immensen Altersunterschieds gerade bei Fans für Stirnrunzeln sorgen. Einzig Elrond Darsteller Robert Aramayo vermag es mit seinem fast natürlich arrogant wirkenden Gesichtsausdruck und seiner Art sich zu artikulieren und zu bewegen, etwas von der Präsenz einzufangen, die Fans mit dem Volk der Elben verbinden. Insgesamt kann die Serie die Feinheit und Noblesse der Elben aus der großen Vorlage bisher allerdings nicht einfangen, ihnen fehlt schlicht die natürliche Ruhe und Weisheit, die man von ihnen erwarten würde. Noch blasser wirkt einzig das Volk der Menschen, was bisher nur am Rande gezeigt wird und wenig Plotrelevanz zu haben scheint. Weitaus besser funktioniert hingegen die Darstellung der Harfüße, insbesondere Nori Brandyfuß, die sich mit ihrer Lebensleichtigkeit und geradezu kindlichen Entdeckungslust viel natürlicher in die Serienwelt integrieren als die Elben. Am besten wurden hingegen das Volk der Zwerge um Prinz Durin (Owain Arthur) umgesetzt, die mit ihrem leicht prolligen Auftreten samt schroffem Humor am ehesten an die bekannten Vorlagen heranreichen.
So ist auch der immer wieder bombastische Score an die mehr oder weniger überzeugende Darstellungen der Völker und Einzelpersonen gebunden. Teils schafft es dieser durchaus mitzureißen, er schießt allerdings auch immer wieder über das Ziel hinaus, womit Musik und Handlung nicht immer zusammenpassen. „Nicht zusammenzupassen“ könnte auch insgesamt als große Überschrift für die beiden Pilotfolgen dienen, denn sowohl die Darstellungen als auch die Handlung betreffend ist eine massive Fluktuation wahrnehmbar. Während einige Handlungsstränge durchaus Interesse wecken, wird das große Ganze bisher nicht sichtbar und so fehlt nach über zwei Stunden noch das Gefühl hier unbedingt die nächste Folge sehen zu wollen.
«Der Herr der Ringe» kann die immens hohen Erwartungen bisher noch nicht erfüllen. Zu den meisten Charakteren fehlt gänzlich die emotionale Bindung und ein klarer, mitreißender Plot erschließt sich bislang ebenfalls noch nicht. Es ist nach lediglich zwei ausgestrahlten Folgen allerdings auch nicht möglich, mehr als einen Ersteindruck zu bilden, der sich durchaus in gegensätzliche Richtungen entwickeln kann. Denn das Potential für einen Hit, der auch die Fans mitreißen kann, ist immer noch vorhanden. Je nachdem, wie weit die Serie noch von der stilistischen als auch inhaltlichen Vorlage Tolkiens abdriftet, scheint allerdings auch ein erzählerischer Totalabsturz hin zur banalen Fanfiction im Bereich des Möglichen.
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