In den ersten Jahren stand das RTL-Sommerhaus noch in Portugal, während der Pandemie und den dazugehörigen Reisebeschränkungen machte man aus der Not heraus eine Tugend und verlegte den Schauplatz nach Bocholt – nur einen Kilometer von der holländischen Grenze entfernt, aber weit genug von den 71.000 Einwohnern der Stadt entfernt. An der Kotts Stegge schlagen seit dem Sommer 2020 vereinzelt Reality-TV-Sternchen auf, doch echte Stars hat das Haus noch nicht gesehen.
Vor zwei Jahren geriet die Situation vor Ort außer Rand und Band, nachdem die Protagonisten zunächst zwei Wochen lang in einem Hotel in Quarantäne bleiben mussten. Da waren die Nerven schon am ersten Tag auf die Zerreißprobe gestellt, als der ehemalige Verlobte von Georgina Fleur, Kubilay Özdemir, austickte. Doch mit Caro und Andreas Robens waren noch weitere Teilnehmer dabei, die auch zwischenzeitlich auf dünnem Eis unterwegs waren. Grundsätzlich spricht man bei der fünften Runde von der „Spuck-Staffel“.
Vor zwölf Monaten wiederum hat RTL die gesamte Staffel im Oktober ausgestrahlt, man wollte die Episoden schnell über die Bühne bringen. Die Quoten waren suboptimal, das lag auch daran, dass die Kandidaten schlecht gecastet wurden. Eine alte Regel beim «Sommerhaus»: Werden viele Spiele gezeigt, ist inhaltlich wenig los.
Die siebte Runde wurde zwei Wochen lang im Mai und Juni 2022 in Nordrhein-Westfalen abgedreht. Mit Mario Basler hat man einen echten Klartext-Experten vor die Kamera geholt, der schon in Sendungen wie «Doppelpass» und «Promi Big Brother» mit harten Sprüchen das Herz der Zuschauer eroberte. Er ist der klassische Antagonist mit einem weichen Herz. Er und seine Freundin Doris sind zunächst die ersten im Haus. Während andere Kandidaten in den Vorjahren sich die besten Plätze sicherten, erinnerte er sich an die sportliche Aufteilung bei Jugendcamps und Fußballer-Reisen. Es gibt kein Vordrängeln, schließlich spielen alle in einem Team. Nicht so cool ist Basler aber, wenn es um das Thema Zigaretten geht. Als diese zunächst in einem Sideboard verstaut waren und er diese nicht fand, war er nicht so nervenstark wie zu Profi-Zeiten beim Ausführen eines Freistoßes.
Schon am ersten Tag kippte die Stimmung, da die Kandidaten Marcel Dähne (YouTuber), Cosimo («DSDS») und Eric Sindermann nackt in den Pool sprangen. Sindermann ist ohnehin das Sahnehäubchen der Staffel, da seine Freundin Katharina Hambuechen gleich zur Stelle ist und ihn zur Rede stellt. Die Analystin aus Düsseldorf ist zwar fünf Jahre jünger als der Rapper, Modedesigner und Reality-Star, verhält sich aber wie eine Mutter, die mit ihrem Kleinkind redet. Den Zuschauern gefällt es, wenn Sindermann seine Starallüren rauslässt. Er kann beispielsweise nicht allein auf die Toilette gehen, was wohl einer der verrücktesten Momente der Staffel ist. Getoppt wird dies von Anspielungen, dass seine Katharina deutlich vermögender ist als der Modedesigner. Man weiß schon: Es könnte durchaus spannend werden, wenn RTL die Kamera draufhält und Bier und Wein kostenlos verteilt.
Ohnehin ist Reality-Fernsehen für die Protagonisten vor allem eines: Sie werden mit extremer Langeweile gefügig gemacht. Vor zwei Jahren mussten sie erst noch zwei Wochen in einem Hotel in Quarantäne, danach folgte erst das Drama in Bocholt. Es stehen wieder extrem, langweilige Wochen an, die für die Zuschauer natürlich ein Fest sind. Für lächerliche 50.000 Euro setzen die Kandidaten ihre Beziehung aufs Spiel und schon nach der ersten Folge ahnt man, welche Partnerschaften in die Brüche gehen könnten.
Mit Schauspieler-Paar Stephen und Katharina Dürr hat man sogar in dieser Staffel eine explizite Meta-Ebene geschaffen. Die beiden setzen sich des Öfteren abseits der Gruppe und amüsieren sich, wie sich die Teilnehmer der Sendung selbst zerfleischen. Mit Mario Basler hat man natürlich noch eine Geheimwaffe gecastet, die sich zumindest in der ersten von zehn Sendungen noch verhältnismäßig ruhig gibt. Das typische «Love Island»-Paar wird dieses Jahr von den jungen Bauern Patrick Romer und Antonia Hemmer ersetzt. Mit Kader Loth hat man eine Reality-Show-Expertin, die weiß, wann ihre Stunde schlägt – und das war in den ersten Tagen nicht der Fall. Sie nahm sich deutlich zurück.
«Das Sommerhaus der Stars» lebt von dem hervorragenden Casting und in der ersten Episode rückten die Spiele in den Hintergrund. Stattdessen bahnten sich schon Streits zwischen einzelnen Akteuren an, aber vor allem Eric und Katharina („Eric, wir haben das vor der Sendung besprochen!“) könnten die Michael Wendler und seine Laura toppen („Laura, das ist eine Kartoffel!“). Bei den Spielen gibt es allerdings keine Veränderungen, hier hat man wirklich nichts in die Produktion investiert. Alles ist schon bekannt, hat sich aber eben bewährt. Die Partien, um Nominierungsschutz zu erhalten, sind für RTL wertvolle Zeitfresser, die man gerne einsetzen kann, wenn sich die Kandidaten im Haus nicht an die Gurgeln gehen.
Im Gegensatz zu Formaten wie «Schwiegertochter gesucht!» & Co. werden hier keine ahnungslosen Teilnehmer der Lächerlichkeit preisgegeben. Die Reality-Sternchen bekommen eine Gage und wissen, dass sie sich zum Gespött machen können. Und wenn man nicht allein aufs Töpfchen kann, sollte man auch nicht bei «Das Sommerhaus der Stars» teilnehmen.
«Das Sommerhaus der Stars», mittwochs und sonntags um 20.15 Uhr. Start am 07. September 2022. Bei RTL+ schon früher.
Schreibe den ersten Kommentar zum Artikel