Interview

Kay Ray: ‚Ich nehme Kritik sehr ernst. Kay Ray hingegen nicht‘

von

Der Künstler aus Hamburg hat zum Protest aufgerufen, denn ein namhafter Unterhaltungsclub möchte, dass Comedy niemanden mehr verletzen dürfe.

Sie haben in Ihrer 14-tägigen Kolumne beim Streamingdienst Massengeschmack.TV erzählt, Sie werden nicht mehr von der «Quatsch Comedy Club»-Redaktion eingeladen. Wieso?
Die Frage verlangt zwei Antworten. Erstens: Wieso habe ich das erzählt? Weil es für hyperdoppelmoralinsaure Tugendwächter nicht zählt, ob ein Künstler Erfolg hat und sein Publikum sich gut unterhalten fühlt. Der «Quatsch Comedy Club» möchte bestimmen, worüber die Leute lachen. Es steht den jedem Theater frei, das Programm nach Ihrem Geschmack zusammen zu stellen. Der «Quatsch Comedy Club» jedoch versucht Comedy neu zu definieren. Der Brief ist klar in seiner Message: „Lustig ist nicht, was lachen lässt, sondern was niemanden beleidigt zurücklässt.“ Sie versuchen sich einer sich ständig „strukturell irgendwas mit - ismus“ und „Dauerdiskriminitis“ hervortuenden Minderheit anzubiedern, nur weil die heftiger in die Bessermensch-Tuba trötet als normal gebliebene Menschen jeglichen Geschlechts, Hautfarbe und Sexualität, die sich nicht vorschreiben lassen möchten, was sie zu sprechen, wie sie zu essen und welches Auto sie zu fahren haben. Diese Menschen lassen sich auch ungern in die Opfer-Rolle drängen. Vor allem aber sind sie In einem Comedy-Club nicht auf Schutz angewiesen. Weil das so ist, halte ich es für wichtig, darauf hinzuweisen, dass die deutsche Comedy allmählich zur ideologischen Besserungsanstalt verkommt. Es ist, als würden Friseure fortan von einer Haarfarbe abraten, weil es die Umwelt belastet und sich einem Kurz-Haarschnitt verweigern, um das Gesicht vor UV-Strahlen zu schützen.

Zweitens: Wieso hat man mich nicht mehr eingeladen? Das weiß ich nicht. Cancelnde Theater bleiben solche Antworten fast immer schuldig.

Bereits andere Künstler wie Florian Schroeder gaben offen zu Protokoll, dass das Unternehmen von Thomas Herrmanns schlecht bezahlt.
Grundsätzlich spiele ich für das Publikum. Eine Gage ist existenziell. Ich kann nicht beurteilen, was vom Umsatz eines Abends im «Quatsch Comedy Club» übrig bleibt. Man kann eine niedrige Gage jedoch mit beherztem Umgang gut machen. Wenn ich für wenig Geld aus Hamburg anreise, meiner Assistentin verboten wird, die Garderobe zu betreten und es völlig wurscht ist, dass wir unser Auto nicht abstellen können, um unsere Requisiten ins Theater zu schaffen, empfinde ich so eine niedrige Gage eher als Schadensersatz. Wäre mein Anspruch, viel Geld zu verdienen, würde ich, wie viele Kollegen gewisse Themen nicht mehr ansprechen. Ich wäre vermutlich im «Quatsch Comedy Club» ein gern gesehener Gast. Viel Geld verdienen würde ich dort aber nicht. Nicht genug, zumindest um meinen Mund zu halten.

Auch Serdar Somuncu erzählte vor Kurzem, seine Auftritte werden stark gekürzt. Glauben die Redaktionen, die Menschen vor den Empfangsgeräten verstehen schwarzen Humor nicht mehr?
Ich glaube, das Gegenteil ist der Fall. Sie wissen, dass das Publikum schwarzen Humor liebt. Eine kleine weltverbessernde Minderheit in diesem Land jedoch versucht Humor als eine Art Waffe zu deklarieren. Bald sind wir so weit, dass ein Veganer sich nicht fotografieren lassen möchte, wenn er „Cheese“ sage soll. Aus Angst vor Beschwerde wird in vorauseilendem Gehorsam vorweg zensiert. Ich erinnere mich an Zeiten, in denen man Helmut Kohl seitens des Satiremagazins „Titanic“ eine AIDS-Infektion angedichtet hat, weil er abgenommen hatte. In Anbetracht des damaligen Umgangs deutscher Politik mit HIV-Patienten äußerst lustig. Heute bist Du schneller Nazi, als Ricarda Lang Ihr geliebten Big Macs verdrücken kann. Und bitte keine Witze über die bekleckerte Bluse unserer grünen Tonne während eines Interviews. „Das ist so rrrrrechts.“

Einzig Dieter Nuhr genießt ja eine gewisse Narrenfreiheit. Der Erfolg gibt ihm recht und ich amüsiere mich immer sehr über ihn und seine Gäste: Ob nun Monika Gruber oder Lisa Eckhart - alle standen schon im Kreuzfeuer und befinden sich noch immer unter Beobachtung im Sehrohr der unterirdischen Gedöns-Truppe im Kampf um Korrektheit. Ich empfehle allen Zensoren im Rundfunk, die Gebrauchsanweisungen Ihrer Apparate zu lesen: Man kann die Dinger abstellen, wenn einem etwas nicht gefällt. Niemand zwingt mich Deutschlands schunkelnde Dummheit in der Sendung «Immer wieder sonntags» anzuschauen. Ich schalte ab. Ganz einfach. Für mich käme ein Auftritt an so einem Ort allenfalls mit Sprengstoff-Gürtel infrage.

Zurück zum «Quatsch Comedy Club». Es heißt, man solle dort sagen, was die Verantwortlichen sagen. Was wäre das?
Es gibt keinen Grund, mit mir über Inhalte zu reden. Ich sage stets das, was ich für verantwortlich halte. Mein Publikum muss sich bei mir nicht bilden oder gar seine Gesinnung ändern. Ich gehe auch nicht in eine Geisterbahn, um als Gespenst wieder heraus zu kommen. Mein Publikum darf gerne so blöde nach Hause gehen, wie es gekommen ist. Hauptsache, sie lächeln dabei. Das allein ist meine Verantwortung.

Lange Zeit waren Sie im Schmidts Tivoli aktiv, doch Ende 2020 wurde die Zusammenarbeit beendet – aufgrund Ihrer Ausdrucksweise. Konnten Sie diesen Schritt nachvollziehen?
Das ist bis heute seitens des Theaters nicht bestätigt. Man kommuniziert über dieses Thema nicht. Vorliegende Verträge wurden nicht mehr unterschrieben, man riet Kollegen ab, mit mir zu arbeiten und verbat sich ein Gespräch mit mir. „Cancel Culture“ at it’s best. Einzig die Kollegin Carolin Fortenbacher stand mir zur Seite. Sie schrieb einen offenen Brief an Corny, die Kollegen und die Theater-Leitung.

Das Schreiben ist bis heute unbeantwortet. Übrigens auch eine Anfrage meinerseits bezüglich einer Spende, die sie für den Verein „Die Vielen“ tätigen wollten, um ein „Zeichen gegen rrrrrrechts“ zu setzen. Man versprach für jeden kritischen Kommentar zum „Thema Kay Ray“ 1,-€ zu spenden. Es sind 270 Euro zusammen gekommen. Eine Wahnsinnssumme. Sie haben eben doch Humor. Wo das Vermögen geblieben ist, weiß bis heute niemand. Man schweigt sich aus. Vielleicht ist es in einem kubanischen Bordell versackt. Man weiß ja heute nie.

Nein, ich kann nicht nachvollziehen, dass ein einst subversives Theater sich zum Zensor aufspielt und Künstler ins rechte Lager schiebt. Lustig ist es allemal, dass sich der Spielbudenplatzhirsch Corny Littmann aufführt wie der bayrische Rundfunk im Jahre 1980. Da hat man ihn aus der Sendung geworfen. Falsche Moralisten erkennt man übrigens immer, wenn sie an der Macht sind. Wir sind umgeben von Geisteskranken. Theater zerstören die Kunst, die sie groß gemacht hat, Verlage verbrennen Ihre eigenen Bücher und alle frieren für die Ukraine. Wenn ich mir die Bilder von Claudia Roth ohne Maske auf dem Oktoberfest anschaue, frage ich mich: „Warum nimmt die eigentlich niemand vom Netz?“ Ich stehe oft mit verschränkten Armen am Flussufer und betrachte die Rückruderregatta, gefüllt mit allerlei Fernsehnasen, die sich von Ihren Arbeiten in der Vergangenheit „distanzieren“ und zurückrudern. Das käme für mich nicht infrage. Ich bin gelebte Diversität. Eine diverse Gesellschaft definiert sich für mich wie folgt:
LEBEN UND LEBEN LASSEN!!!! Danach lebe ich sehr konsequent! Ich werde mich auch weiterhin über Menschen lustig machen. Über alle Menschen, dumme Menschen, ignorante Menschen, Trans-Menschen, behinderte Menschen, schwule Menschen, schwarze Menschen, sexuell frustrierte Menschen, Corona-Nazi-Menschen, Querdenker Menschen, Frauen-Menschen, Männer-Menschen und ALLE WEITEREN ERDBEWOHNER MENSCHEN.
Mich eingeschlossen!!!!!
Damit geht es mir im Übrigen ganz, ganz hervorragend.

Seit eineinhalb Jahren sind Sie bei Massengeschmack.TV aktiv. Hat Ihnen dieses Engagement durch die Corona-Pandemie geholfen?
Es tut ziemlich gut, jemanden an seiner Seite zu wissen, mit dem man sich vernünftig austauschen kann. Alleine das ist ein großer Gewinn. Zu Corona-Zeiten konnte man fast nichts produzieren. Ich bin sehr dankbar für die Unterstützung in dieser relativ neuen Tätigkeit, einer 14-tägigen Kolumne. Wenn ich schon nicht auf die Bühne konnte, so konnte ich vor der Kamera und am Schreibtisch dazu lernen. Ich habe erst bei MG.TV begonnen Texte zu schreiben. Auf der Bühne arbeite ich sehr spontan. Es gibt sehr wenige feste Texte.

Der «Quatsch Comedy Club» ist bei Sky versteckt, «Nightwash» wurde von Sat.1 nicht fortgeführt. Wo und wie können Nachwuchskomiker heutzutage groß herauskommen?
Das ist sehr schwierig geworden. Der deutsche Comedymarkt ist überschwemmt. Ich empfehle die „komischen Nächte“. Ein Format, in dem man sich an einem Abend an mindestens fünf verschiedenen Locations im Kreise von mindestens fünf Kollegen ausprobieren kann. Es ist kein Fernsehen, aber es trainiert ungemein. Wenn Du durch den Schützengraben der Unterhaltung marschiert bist, nichts anderes ist die Ochsentour durch die Kleinkunst- und Kneipenszene, dann bist Du gewappnet. Auch gegen zeitgeistesgestörte Angsthasen in den Redaktionen. Das große Geld ersetzt übrigens nicht den Blick in den Spiegel. Darauf sollte man heutzutage achten, wenn man sich jedem Gedöns an den Hals schmeißt. Meine Hoffnung ist, dass sich die jungen Kollegen auf die Kunst konzentrieren. Alles andere geht seinen Weg. Ich jedenfalls spiele nur zu gerne auf all meinen kleinen und großen Bühnen. Lieber eine Ochsentour mit Spaß als ohne Freude zu Gast im Fernsehgarten. Dabei bleibe ich mir treu.

Vor ein paar Wochen hatte Sarah Kuttner in einem Podcast das N-Wort gesagt und betont, sie sei kein Fan von Worten, die man nicht mehr sagen dürfe. Wurde Sie zu Recht von der Community attackiert?
Nennen wir es so: Sie hätte damit rechnen müssen, dass sie jemand attackiert.

Vor lauter verschissener, politisch inszenierten Political Correctness, die der ach so gute Gutmensch momentan gesellschaftlich manifestieren darf (und zeitgleich von Selbstbestimmung spricht), sitzen viele WIRKLICH TOLERANTEN MENSCHEN seit 3 Jahren in ihren Sesseln und KOTZEN IM STRAHL! Ich bin übrigens genau, wie Sarah, auch kein Fan von Worten, die man nicht sagen darf. Deshalb erfinde ich ja auch immer Neue. Bimboschädel zum Beispiel für ein Schaumgebäck mit Schokoladenüberzug. Trotzdem sollt‘ man wissen, welches Wort man wo sagt. Auf einer Bühne ist es eben doch etwas anderes als im Supermarkt. Ein Verbot gilt jedoch nirgends. Ein Shitstorm bedeutet nichts. Das kann ich der Kollegin versichern. Die Stürme bei Facebook und Co. wandeln sich stetig zwischen Shit und RIP. Beide sind meist nur ein kläglicher Versuch, sich besser zu präsentieren als sein Gegenüber. Übrigens oftmals ohne dafür etwas geleistet zu haben, außer statt Zigeuner-, Paprikasauce zu sagen, chaotisch zu gendern und Andere für dumm zu erklären, weil Sie „Spiegelei“ sagen möchten, „Moderator*in“ aber nicht.

Kuttner nahm später ein Instagram-Video zum Thema auf und inszenierte sich als Opfer, da sie aufgrund der Anfeindungen sehr viel heulen musste. Ist das ein empfehlenswerter Umgang mit Kritik?
Nein. Dieses Benehmen erinnert mich sehr an eine Freundin meiner Tochter. Die heult immer, wenn man sie nicht ernst nimmt. Sie hat mich neulich angerufen und gesagt: „Ich bin jetzt Veganerin“. Da habe ich gesagt: „Dafür sprichst Du aber gut deutsch“. Ich nehme Kritik sehr ernst. Kay Ray hingegen nicht. Es handelt sich um eine Kunstfigur. Kay Ray versucht niemals besser zu sein als andere. Er verkauft für einen Lacher alles und jeden. Vor allem sich selbst. Er liest keine Kritiken. In seiner Freizeit zieht er sich den Arsch übers Gesicht und guckt durchs Loch. Damit hat er genug zu tun und es entspannt ihn sogar. Es ist seine Freizeitempfehlung für alle Moralapostel allüberall.

Vielen Dank für das Gespräch!

Kurz-URL: qmde.de/137222
Finde ich...
super
schade
95 %
5 %
Teile ich auf...
Kontakt
vorheriger Artikel3 Quotengeheimnisse: Nur für Erwachsene?nächster ArtikelARD startet neue Doku-Serie «Money Maker»
Schreibe den ersten Kommentar zum Artikel

Optionen

Drucken Merken Leserbrief



Heute für Sie im Dienst: Fabian Riedner Veit-Luca Roth

E-Mail:

Quotenletter   Mo-Fr, 10 Uhr

Abendausgabe   Mo-Fr, 16 Uhr

Datenschutz-Info

Letzte Meldungen

Werbung

Mehr aus diesem Ressort


Jobs » Vollzeit, Teilzeit, Praktika


Surftipp


Surftipps


Werbung