Serientäter

«Another Monday»

von

Und täglich grüßt das Murmeltier den deutschen Mittelstand. Freya zumindest glaubt beim ersten Wiedererleben eines Tages, sie hätte einfach ein Déjà Vu. Beim zweiten Mal jedoch droht sie fast den Verstand zu verlieren. Freya steckt fest. In einer Zeitschleife, und hat keine Ahnung, wie sie aus diesem Schlamassel hinaus kommen soll.

Stab

REGIE: Esther Bialas, Nathan Nill
DREHBUCH: Maximilan Baumgartner und Oliwia Strazewski
DARSTELLER: Susanne Bormann, Ben Münchow, Alina Stiegler, Ulrich Brandhoff, Emilie Neumeister, Thomas Niehaus, Aybi Era, Adrian Julius Tilmmann, Vedat Erincin
SCHNITT: Geraldine Sulima, Gregory Schuchmann
MUSIK: Marco Dreckkötter
KOSTÜME: Pia Paprzik, Katharina Heep
PRODUCER: Julia Lamp
«Another Monday» von Maximilan Baumgartner und Oliwia Strazewski (Buch) sowie Esther Bialas und Nathan Nill (Regie) ist eine postive Überraschung nicht nur aus der Perspektive des deutschen TV-Zuschauers, der eine originelle, ungewöhnliche deutsche Serie zu sehen bekommt, die vor einigen Jahren noch quasi undenkbar auf dem von Kriminalkost und Herzschmerz gefluteten, teutonischen Serienmarkt gewesen wäre. Den Machern gelingt es darüber hinaus, dem „Murmeltier“-Thema tatsächlich neue Facetten abzugewinnen.

Freya lebt mit ihrem Mann, einem Psychologen, in einem schönen Haus in einer größeren (fiktiven) deutschen Stadt. Ihre Ehe funktioniert, mehr jedoch nicht wirklich. Über ihrer Familie liegt ein dunkler Schatten. Ihr kleiner Sohn ist vor einigen Jahren bei einem Unfall ums Leben gekommen. Aus Gründen, die sehr gefühlvoll im Laufe der Spielzeit thematisiert werden, ist es Freya seither nicht mehr gelungen, zu ihrer inzwischen 16 Jahre alten Tochter Charlie eine echte Beziehung aufzubauen. Charlie ist eher eine Vater-Tochter.

Eines Tages um exakt 2.13 Uhr findet sich Freya mitten in einem Geschlechtsakt mit ihrem Mann wieder. Was Freya ziemlich aus der Bahn wirft, denn: Sie hat diesen Moment schon einmal erlebt. Genau diesen einen Moment und keinen anderen. Einen Moment, der sich einen Tag später ein weiteres Mal wiederholt.

Was Freya fast den Verstand verlieren lässt. Der Tag, der sich offenbar immer und immer wieder wiederholt, ist der Tag, an dem sie ihren Mann Malte eigentlich verlassen hat. Und sie hat ihn verlassen. Sie ist zu ihrem Freund nach Italien aufgebrochen, sie hat sogar vor dessen Tür gestanden. Um doch wieder im gemeinsamen Ehebett zu landen. Kurz bevor Freya jedoch tatsächlich den Verstand zu verlieren glaubt, lernt sie Becker kennen, einen Ex-Polizisten, der wie sie in dieser Zeitschleife gefangen ist und das schon etwas länger. Becker hat diesen Zustand nicht mehr ausgehalten und sich das Leben genommen. Er ist vom Balkon in die Tiefe gesprungen. Er hat sie erschossen. Nur um diesen einen Tag immer und immer wieder zu erleben. Einen Tag, der auch für ihn stets um 2.13 Uhr wieder beginnt.

Mit der Krankenschwester Sophie wird aus dem Duo sehr bald ein Trio. Allerdings gibt es einen Unterschied zu Freya und Becker. Während deren Tage immer exakt gleich beginnen, hat Sophie Abweichungen erlebt. Zumindest der erste Tag, an den sie sich erinnern kann, hat ganz anders begonnen als der zweite.

Warum hängen die drei in einer Zeitschleife fest und warum bemerkt außer ihnen niemand, dass sich dieser eine Tag und immer wieder wiederholt?

«Und täglich grüßt das Murmeltier» hat inzwischen für eine ganze Reihe von Filmen und auch Serien Pate gestanden. In «Edge of Tomorrow» fand sich Tom Cruise in einer solchen Zeitschleife wieder, «Happy Death Day» vermischte gekonnt Slasher-Genre und Zeitreisethriller zu einer erfolgreichen Mischung, Sky hat derweil mit «Das Lazarus-Projekt» im Herbst dieses Jahres vorgelegt und eine recht aufwendig inszenierte Zeitschleifen-Serie ins Rennen um zweite Chancen geschickt. Und darum geht es in den meisten Filmen ja: Raus kommt aus der Schleife nur, wer ein besserer Mensch wird oder einen Fehler aus der Vergangenheit ausbügelt. «Another Monday» hat sich dafür entschieden, die Geschichte vollkommen ernst zu erzählen, als ein Drama über Menschen, die in der Schleife, mit den Fehlern ihrer Vergangenheit konfrontiert zu werden. Fehlern, denen sie sich nicht gestellt haben. Freya, dargestellt von Susanne Bormann, ist zu Beginn der Serie sogar ein ziemlich unleidlicher Charakter. Wir, die Zuschauer, lernen ihren Gatten Malte als einen legeren, freundlichen Mann und liebenden Vater kennen. Dazu steht Freya in einem krassen Gegensatz, die nicht nur ihren Mann heimlich verlassen will, sondern auch ihre Tochter zurücklässt. Freya wirkt im besten Fall verhuscht, im schlimmsten jedoch egoistisch und kühl. Doch schon mit der zweiten Episode bricht diese Darstellung auf. Was in der ersten Episode noch kühl wirkte, entwickelt sich zu einer Traurigkeit, die nach und nach einen zerrissenen Charakter offenbart, der in seinem alten Leben zu ertrinken droht. Warum? Das wird nach und nach erklärt. So wie sich auch das Trauma nach und nach erklärt, das Becker zu zerreißen scheint.

Ist die Zeitschleife also eine Trauma-Bewältigungsaktion? Nicht wirklich, denn Sophie trägt solche Traumata nicht mit sich herum. Oder vielleicht doch? Was, wenn es gar nicht Sophie persönlich betrifft, sondern...

«Another Monday» ist schlicht pfiffig. Die Inhaltsangabe mag nach dem ganz großen, deutschen Betroffenheitsdrama klingen: Emotional verletzte Menschen erleben emotionale Tauchfahrten in die Abgründe ihrer eigenen Schuld. Doch so funktioniert «Another Monday» nicht. Ja, das Drama ist allgegenwärtig. All das ist aber auch verdammt zügig inszeniert. Die Serie nutzt den Aspekt des Zeitsprungs als Tempomacher. Das vergleichsweise übersichtliche Budget wird durch eine agile Kamera und einen nicht weniger agilen Schnitt kaschiert; vor allem aber ist es Hauptdarstellerin Susanne Bormann, die immer wieder den Fokus auf sich zieht und durch ihr Spiel die Handlung antreibt. Dass den Macherinnen und Machern mit der fünften Episode ein ziemlicher Stinker untergekommen ist, in dem sie unbedingt ihre Liebe zu «Matrix» offenbaren müssen (was mit der Story selbst aber kaum etwas zu tun hat), wiegt nicht sonderlich schwer, da sie mit der sechsten Episode zu einem großen Finale ausholen.

Fazit: Eine fast tadellos inszenierte deutsche Mystery-Serie, die mehr Aufmerksamkeit verdient hat, als sie auf ZDFneo vermutlich erhalten wird.

In der ZDFmediathek.

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