
Gleich vorneweg: Die Ereignisse, die die Verantwortlichen bei «Hochwasser» zeigen, sind fiktiv. Das Ereignis fand tatsächlich statt und wiederholte sich auch noch einmal ein paar Tage später. Doch von dieser Tatsache rückt die Serie ebenfalls ab. Stattdessen soll die Geschichte in schöne sechs fernsehgerechte Happen umgemodelt werden.

Demzufolge muss der Staatsbesuch ein voller Erfolg werden. Bürgermeister Jakub Marczak (Thomas Schuchardt) leitet deshalb einen Krisenstab, der alle Eventualitäten abklappert. Da auch ein Hochwasser die Stadt heimsuchen könne, obwohl die Experten in seiner Kommission das klar verneinen, lässt er eine alte Bekannte, nämlich Tremer, einfliegen. Da prallen Welten aufeinander, denn der Herrenriege über den Dächern möchte sich nur ungern von einer Frau etwas sagen lassen.
Wie man unschwer am Titel erkennen kann, lässt sich erahnen, dass das Oderhochwasser kommen wird. Demzufolge wird es auch zu keinem großen Showdown zwischen Tremer und den anderen Experten kommen. Es gibt zwar immer wieder ein paar Streitereien, doch dass Tremer recht behält, ist offensichtlich. In den ersten zwei Episoden können sich die Fernsehzuschauer auch über ein paar interessante Fakten freuen. Beispielsweise wird erklärt, warum bei Wasserdämmen keine Bäume gepflanzt werden dürfen. Oder dass Bäume, die gelbe Blätter abwerfen, auf einen viel zu nassen Untergrund hindeuten.

Dramaturgisch wird so jedes Mittel genommen, um das langsame ansteigen des Hochwassers interessant zu machen: Kommt Jakubs Tochter bei einer Sturmflut in der Unterführung um? Wie setzen sich die Bewohner eines Ortes vor Breslau gegen das Militär durch? Und wieso muss die Leiche eines Hausbesitzers unbedingt sofort gesichert werden? Die Autoren Kasper Bajon, Anna Kepinska und Kringa Krzeminska bauen noch einen Drogenumschlagplatz ein, die Protagonisten schauen auf einer Hochzeit vorbei und Franzosen werden eingeführt, die Nahrung im überfluteten Breslau ausfahren. Dazu noch Nebenplots in Krankenhäusern, die unnötig wirken.

Die Spezialeffekte, die bei einer solchen Produktion überzeugen sollten, sehen mäßig aus. Ein Rehkitz, das erschossen wird, wirkt billig, Nashörner durch die Stadt rennen zu sehen, ist ebenfalls eher suboptimal gelungen. Von der Flut sieht man so gut wie gar nichts. Netflix hat versucht mit einem relativ unspannenden Thema wie Hochwasser eine gesamte Serie zu füllen. Doch die Miniserie enttäuscht im zweiten Akt auf ganzer Linie. Schade, denn «Hochwasser» hatte Potenzial.
«Hochwasser» kann bei Netflix gestreamt werden.
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