Die Kritiker

«Das Traumschiff: Lappland»

von   |  1 Kommentar

Die Welt wäre ein besserer Ort, wäre sie doch einfach ein bisschen mehr wie «Das Traumschiff». Schöne Menschen überall. Dazu die ganz großen Gefühle - angereichert mit einem Hauch Dramatik, damit der Adrenalinspiegel nicht darbt. Ein Ort, an dem am Ende die Liebe siegt und Sasha singt.

Stab

Regie: Helmut Metzger
Titelmusik: James Last
Ton: Siegfried Fischer
Kostüme: Mechthild Baumsteiger
Buch: Hürgen Werner
Schnitt: Biljana Brezo
Darsteller: Florian Silbereisen, Barbara Wussow, Daniel Morgenroth, Collien Ulmen-Fernandes, Lara Joy Körner, Johanna Hens, Mershiha Husagic, Ferdinand Seebacher, Daniel Fritz, Tayfun Baydar, Maria Höfl-Riesch, Sasha
Weihnachten wirft seine Schatten voraus. Da kann «Das Traumschiff» nicht in die ganz große, weite Welt aufbrechen. Also Inseln, auf denen Palmen blühen, sind tabu. Weihnachten braucht die deutsche Seele eine zünftige Tanne. Und Schnee. Viel Schnee, der nicht aus Schneekanonen kommt. Und aus genau diesem Grund reist «Das Traumschiff» dieses Mal in den Hohen Norden nach Lappland, wo der Schnee noch echt ist, der Weihnachtsmann in einem schönen Dorf ein Postamt betreibt und mehr Tannen auf die Besucher warten, als diese schmücken können. Außerdem wird der Norden viel zu selten angesteuert. In den ersten Jahren seiner televisionären Rundreisen war es für das Schiff der Träume eine Pflichtaufgabe, exotische, ferne, nicht-europäische Länder anzureisen. Erst 1992, 11 Jahre nach dem Start der Serie, wurde mit Norwegen erstmals ein europäisches Land angesteuert. 11 Jahre war seinerzeit auch ein gewisser Florian Silbereisen alt, der heute auf der Brücke das Schiff durch sanfte Wellen führt. Doch diese Reise wird für den von ihm dargestellten Kapitän Max Parger zu einer echten Herausforderung, denn seine alten Freunde Patrick und Maik haben sich angemeldet, um mit ihm etwas Zeit zu verbringen und in Erinnerungen zu schwelgen. Patrick ist Motivationstrainer, Maik indes hat sein Leben dem Herrn verschrieben und ist Priester geworden. Warum er das Priesteramt aufnahm? War es der Glaube, der ihn antrieb, oder...

… vielleicht etwas anderes? Bevor die 94ste Reise des Traumschiffes auf diese Frage eine Antwort bietet, wird Zeit vergehen. Und so lernen wir, die erwartungsfrohen Zuschauerinnen und Zuschauer Katja Fehling kennen, eine alleinerziehende Mutter, die ihr ganzes Leben einzig ihrer Tochter Lisa widmet. Lisa. 16. Sitzt im Rollstuhl. Die meiste Zeit zumindest. Niemand weiß, was ihren Zustand verursacht. Keine Frage, am Ende dieser Geschichte werden wir eine Antwort auf diese quälende Frage erhalten. Bis es jedoch soweit ist...

… lernen wir die Servicekraft Caroline Jensen kennen, die sich frisch in den Restaurantleiter Ben Straubing verliebt hat. Für den jungen Mann steht bereits fest, dass es nur eine Frau gibt, mit der er den Rest seines Lebens Sonnenuntergänge erleben will: Caroline. Aber wird sie seine Liebe erwidern? Immerhin erleben die beiden eine hübsche Reise...

… im Gegensatz zu Keuzfahrtdirektor Schifferle, der auf dieser Reise durch Abwesenheit glänzt. Eine Abwesenheit, die es notwendig macht, dass Staff-Kapitän Martin Grimm eine Gala organisiert. Gut, normalerweise werden für solche Veranstaltungen vor Antritt der Reise Künstlerinnen und Künstler gebucht, doch in der Welt des Traumschiffs sind Künstleragenturen, die zum Beispiel Sangesbarden auf Kreuzfahrtschiffe zwecks stimmlicher Erbauung der Reisenden vermitteln, unbekannt. Was eine Suche des Martin Grimm unter den Besatzungsmitgliedern nach brauchbaren Kulturschaffenden bedingt. Wie gut, dass ein Steward des Schiffes nicht nur zufällig wie Sasha aussieht, sondern auch noch singen kann wie der Popsänger aus dem westfälischen Soest.

Ach ja, «Das Traumschiff» macht, was «Das Traumschiff» so macht, nämlich Geschichten erzählen, über die Rosamunde Pilcher wahrscheinlich gesagt hätte: Nett, nicht berauschend, aber nett. Einst galt «Das Traumschiff» als ein in deutsche Fernsehstuben segelnder Traumbote, welcher den Millionen von TV-Zuschauerinnen (und Zuschauern) eine Welt nahebrachten, die für die meisten unerreichbar war. Die Karibik, die Malediven, Brasilien. Solche Reisen bot Neckermann 1981 in seinen Katalogen nicht an. Die Welt hat sich jedoch verändert, unerreichbare Ziele wurden erreichbar und bezahlbar, «Das Traumschiff» als Surrogat für unerfüllbare Träume – hat somit de facto schon lange ausgedient. Dennoch hält es erstaunlich robust den Kiel über Wasser und zweimal im Jahr erfreut es das Publikum...

…. mit den immer gleichen Geschichten? Bedauerlicherweise ist hier auf Quotenmeter zur Weihnachtsepisode 2021 («Das Traumschiff: Schweden»)) keine Kritik zur Veröffentlichung gelangt, die hier verlinkt werden könnte. «Schweden» war so etwa wie ein nicht zu unterbietender Tiefpunkt einer in die Jahre gekommenen Reihe. Offenbar wurde für die Episode 91 die Resterampe schlonziger Beziehungsgeschichten geplündert, die aus guten Gründen aus früheren Drehbüchern entfernt worden sind. Geschichten, die dann bedauerlicherweise in die Wiedervorlage statt einem Aktenvernichten gelegt worden sind. Die Inszenierung der Schweden-Reise uninspiriert zu nennen, wäre ein Euphemismus...

… und so schippert auch der neuerliche Ausflug in nördliche Gewässer vorhersehbar vor sich hin. Es erwartet ja niemand, dass sich Caroline Jensen aus ihrer Beziehung zu Ben stiehlt, indem sie ihn zerlegt und an Schillerlocken verfüttert. Das ist «Das Traumschiff» und nicht «Kreuzfahrt des Schreckens» – auch wenn eine Horrorkreuzfahrt sicher nicht ohne Reiz wäre, .... Aber die Geschichte von Caroline und Ben uninspiriert nennen zu wollen, ist nicht falsch, denn würde sich ein Kreuzfahrtschiff mit der Geschwindigkeit voranbewegen wie die Dramatik ihrer Liebesgeschichte, würde dieses Kreuzfahrtschiff schnell von zwei aufeinander zu driftenden Kontinentalplatten überholt werden. Warum es die Geschichte überhaupt ins Skript geschafft hat? Na ja, zwei junge, hübsche Menschen sind halt hübsch anzuschauen. Das Auge will schließlich auch etwas geboten bekommen, …

… wenn schon die große, dramatische Mutter-Tochter-Geschichte auch wieder nur aus der Wiedervorlage stammt. Ein 16 Jahre altes Mädchen, schwach, auf den Rollstuhl angewiesen, niemand kennt den Grund für ihren Zustand und allein ihre Mutter versorgt sie mit Medikamenten...

… die einzige Möglichkeit, einen Spoiler in Bezug auf die Mutter-Tochter-Geschichte zu vermeiden, besteht darin, sie gar nicht erst zu erwähnen, denn ja, sie läuft exakt so ab, wie man denkt, dass sie ablaufen wird. In dem Moment nämlich, in dem Lisa einmal von Frau Mama getrennt wird und Chefstewardess Hanna Liebhold die junge Frau zu einem Trip ins Dorf des Weihnachtsmannes einlädt, geht es Lisa gleich besser...

… und dann gibt es eine faustdicke Überraschung zu vermelden: Der Epilog der Mutter-Tochter-Geschichte ist verdammt gut geschrieben. Das Herz mag über den Verstand siegen, ausgeschaltet wird selbiger aber nicht. Das aber ist nicht die einzige Überraschung...

… denn warum ist Maik wohl Priester geworden? Drei Freunde, ein Mädchen, das alle begehrten, aber nur einer heiraten konnte? Bitte, das ist ein Spoiler? Sorry, aber nach etwa sechseinhalb Minuten Spielhandlung weiß jeder geneigte TV-Junkie, der auch nur eine Episode «Love Boat» in seinem Leben gesehen hat, worum es in der Geschichte der Freunde wohl in Wahrheit gehen mag. Dass die Reise nur den äußeren Rahmen darstellt, ist das jetzt wirklich eine Überraschung? Überraschend ist eher, dass sich die Geschichte zwar um eine Frau dreht, die aber gar nicht anwesend ist. Dennoch fühlt sie sich anwesend an, was …

… ein so nicht zu erwartendes inszenatorisches Momentum kreiert. «Das Traumschiff», der alte Emotionenkutter, kann also doch noch Geschichten über die ganz großen Gefühle erzählen. Und das subtil, ohne mit der Kamera knüppelhart draufhalten zu müssen? Und wenn Sasha dann am Ende endlich noch einmal zeigt, was er stimmlich so drauf hat...

… ist diese «Traumschiff»-Episode gar nicht die schlechteste. Zwar ist alles, was passiert, dramatisch vorhersehbar, vor allem aber nach dem Debakel rund um «Schweden» ist «Lappland» das, was «Das Traumschiff» am Ende sein sollte: Ein stählernes Eiland, an dem noch mit James Last zum großen Happy End geladen wird und die Welt für einen Moment ein besserer Ort sein darf. Dennoch könnte der alte TV-Kahn in Zukunft zur Straffung seiner unübersehbaren Abnutzungserscheinungen eine ordentliche Ladung Botox vertragen.

Am Sonntag, 20. November 2022, 20.15 Uhr, ZDF

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Stargamer
18.11.2022 14:59 Uhr 1
"Weihnachten wirft seine Schatten voraus. Da kann «Das Traumschiff» nicht in die ganz große, weite Welt aufbrechen."



Warum hat man das dem ZDF nur nicht früher mitgeteilt?



Hat es doch, wie der Autor selbst schreibt, 11 Jahre lang gedauert bis endlich mal ein Ziel ohne Palmen (sind ja tabu) und mit Tannen und Schnee (die es ja braucht) angefahren wurde.



Oder hat der Autor einfach mal seine eigene Meinung als Fakt dargestellt und dabei vergessen, dass das Traumschiff schon immer zur Weihnachtszeit ferne Ziele mit Palmen und ohne Schnee und Tannen angefahren hat, und damit von Anfang an erfolgreich ist?

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