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16 Jahre, fünf Monate und elf Tage später scheint nichts mehr, wie es einst war. Die WM findet nicht wie üblich in den Monaten Juni und Juli statt, sondern im November und Dezember. Gespielt wird in einem Wüstenstaat, der mit der Ausrichtung des Turniers politische Ziele verfolgt und auf diesem Weg Gastarbeiter ausbeutet und sich nicht sonderlich um die Rechte von Frauen und Homosexuellen schert. Eine WM wie eine Farce. Statt des Strebens nach Glück streben die Funktionäre der FIFA nach Geld, die Kataris nach Macht und Einfluss. Das ging im Vorfeld nicht spurlos an den Fans und Spielern vorbei. Besonders groß ist der mediale Aufschrei in Europa, was aber rund zwölf Jahre zu spät kommt, denn damals hätten sich die Stimmen deutlicher gegen eine Ausrichtung in einem undemokratischen Land, gegen Korruption im Weltfußballverband erheben müssen. In den Wochen und Tagen vor dem Eröffnungsspiel war die WM in Katar freilich nicht mehr zu verhindern – was uns zum gestrigen Sonntag führt.
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Etwas mehr Aufschluss gibt der Vergleich zu vergangenen Welt-Turnieren. 2018 sahen den WM-Auftakt, der in Russlands Hauptstadt Moskau mit der Partie Russland gegen Saudi-Arabien erfolgte, 10,01 Millionen Zuschauer ab drei Jahren. Der Marktanteil lag bei deutlich höheren 52,0 Prozent. Auch die Reichweite beim jungen Publikum lag mit 3,25 Millionen doppelt so hoch, ebenso war die Quote mit 53,1 Prozent beeindruckend. Nun könnte man argumentieren, dass es hierzulande eine nicht zu verkennende russische Bevölkerung gibt, die möglicherweise die Werte in die Höhe trieben. Gleiches gilt für Kroatien, das 2014 den Turnierauftakt gegen Brasilien bestritt. Vor achteinhalb Jahren waren die Werte aber noch deutlich höher. Das Spiel aus São Paulo am Donnerstag, 12. Juni 2014, um 22:00 Uhr sahen 15,87 Millionen Menschen. Aus dem jungen Publikum stammten 7,03 Millionen Menschen. Die Marktanteile bewegten sich bei 62,6 und 64,6 Prozent und damit auf einem ähnlichen Niveau wie beim „Sommermärchen“.
Am 11. Juni 2010 wurde die Weltmeisterschaft in Südafrika eröffnet. Der Gastgeber trat gegen Mexiko an, Das Erste übertrug das Unentschieden aus Johannesburg ab 16:00 Uhr vor 8,68 Millionen Menschen, was damals einem Marktanteil von 55,5 Prozent entsprach. Beim jungen Publikum sorgten 3,57 Millionen für 57,7 Prozent. Was sich anhand dieser Zahlen ablesen lässt, und keine Überraschung ist: Das deutsche Fußball-Publikum ist deutlich älter geworden. Waren 2006 noch rund 41 Prozent des Publikums unter 50 Jahre alt, und 2014 sogar 44 Prozent der klassischen Zielgruppe angehörend, schrumpfte der Wert mit den vergangenen beiden Turnieren deutlich nach unten. 2018 waren nicht mal mehr ein Drittel der Zuschauer unter 50, am Sonntag waren es knapp über ein Viertel.
Die FIFA zerstört sich durch die korrupte Vergabe seines Aushängeschilds selbst, was nicht spurlos an den Fans vorbeizieht. Diese kehren dem Sport immer mehr den Rücken, was für ein großes Nachwuchsproblem sorgt. Durch multiple Konsum-Varianten ist das Altersproblem längst im linearen Fernsehen angekommen. Beim Auftakt-Spiel der Fußball-Weltmeisterschaft sind diese beiden Faktoren eindrucksvoll zusammengekommen. Dieses Problem hat aber die FIFA nicht exklusiv. Auch die UEFA sorgte im vergangenen Jahr mit der über den Kontinent verteilten Europameisterschaft für Aufsehen. Damals sahen das Eröffnungsspiel zwischen Italien und der Türkei 9,83 Millionen Menschen, 3,62 Millionen (also rund 37 Prozent) waren zwischen 14 und 49 Jahre alt. Es bleibt vorerst weiterhin abzuwarten, wie sich die Reichweiten und Einschaltquoten des aktuellen Turniers entwickeln. Schon jetzt lässt sich aber sagen, dass die FIFA vom deutschen Publikum gehörig abgewatscht wurde und viele ihren laut vernehmbaren Boykott-Aufrufen Folge leisteten. Spannend bleibt, wie lange dies durchgehalten wird.
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