Im April 2022 rückten die Geschäftsführer von Netflix, Reed Hastings und Ted Sarandos, mit problematischen Zahlen heraus. Die Ära des unaufhörlichen Wachstums ist vorbei. Das Streamingunternehmen aus dem kalifornischen Los Gatos, das eine Marktkapitalisierung von 300 Milliarden US-Dollar besaß, war hoffnungslos überbewertet. Die Anleger hofften, dass Netflix mit Leichtigkeit eine weitere Hürde nimmt und schon bald auf 250 Millionen Abonnenten kommt. Doch stattdessen sind die Zahlen zurück gegangen. Das liegt zum einen an der wachsenden Konkurrenz, zum anderen an den steigenden Abo-Preisen und natürlich den Ausschluss von russischen Kunden. Durch den asiatischen Markt legte Netflix wieder international zu und hat nun 223,09 Millionen Kunden – Bestwert.
Obwohl Netflix in den Vereinigten Staaten von Amerika sehr gut dasteht, machen viele Kontinente große Probleme. Ein Kunde zahlt im Durchschnitt über 15 US-Dollar und damit führt das rote N die Charts an. International verdient Netflix rund zehn Dollar. Disney+ kommt international wie national auf um die sechs Euro. Hulu schlägt sich bei den Amerikanern mit 13 US-Dollar recht gut. Wobei der durchschnittliche Umsatz pro Kunde völlig unterschiedlich ausfällt. Die Live-TV+SVOD-Abos spülen im Schnitt 88 US-Dollar in die Micky-Maus-Taschen, die übrigen Abostufen bringen viel weniger Geld. ESPN kommt mit seinem Streamingdienst nicht einmal auf fünf US-Dollar. Problematisch ist allerdings der Umsatz von Disney+ Hotstar, das in mehreren asiatischen Ländern aktiv ist. Disney+ besteht zu 38 Prozent aus Hotstar-Kunden, der Kundenumsatz beträgt allerdings nur 1,20 US-Dollar. Daher muss Disney an der Preisschraube drehen oder massiv Werbung in den asiatischen Ländern veräußern. Ein ähnliches Preisgefälle hat auch Netflix im asiatischen Raum.
Paramount, Showtime, Peacock, Starz und AMC+ machen einen monatlichen Umsatz pro Kunde von um die fünf US-Dollar. Starz ist international eine Restrampe: Nicht einmal ein US-Dollar wird aus dem internationalen Markt mit dem Programmangebot verdient. Mit den Währungswechselkursen, den Gebühren an Diensten wie Amazon und Werbung ist die Internationalisierung von Starz gescheitert. Die Kosten fressen den geringen Umsatz auf. HBO Max/Discovery+ setzt zehn US-Dollar um, auf dem internationalen Parkett liegt der Umsatz bei überschaubaren vier US-Dollar.
Obwohl Netflix die Abo-Kündigung sehr einfach gestaltet und schon öfters feindlich gegenüber dem Account-Sharing aufgetreten ist, sind die Kunden schon fast wie Hunde: treu-doof. Die Anzahl der qualitativ hochwertigen Netflix-Serien ist wechselhaft, dennoch hat das Unternehmen seit über zwei Jahren die geringste Kündigungsrate unter den Streamingdiensten. Anfang 2020 lag diese bei erstaunlichen zwei Prozent, seit Anfang des Jahres stieg diese auf vier Prozent.
Weitaus problematischer sieht das Feld bei Starz aus. In den Vereinigten Staaten von Amerika hat die Lionsgate-Tochter eine Kündigungsrate von erschreckenden neun Prozent. Etwas schwächer ist Showtime, dahinter folgen AppleTV, Discovery+, Peacock und Disney. HBO Max und Hulu können ihre Abonnenten unter fünf Prozent halten. Am 13. August 2021 stellte Apple den dreifachen Oscar-Preisträger «Coda» auf die Plattform. Der Film wurde von den US-Streamingabonnenten wahr genommen – doch im September musste man eine Kündigungsrate von 30 Prozent verkraften.
Das Marktforschungsinstitut Nielsen hat seit Januar 2022 die Streamingteilnehmer im Blick. Netflix ist bei den kostenpflichtigen Streamingdiensten die Nummer eins. Mit Ausnahme des Septembers war das Unternehmen sogar die Nummer eins unter allen Diensten, im September war nur YouTube (inklusive YouTube TV) mit 21,7 Prozent Marktanteil stärker. Disney+ hat zwar eine riesige Programm-Bibliothek, doch diese wird kaum genutzt. Disney+ kommt im dritten Quartal des Jahres auf 63 Prozent der inländischen Abonnenten von Netflix, aber kommt nur auf ein Viertel der Sehdauer. Nur sechs bis acht Prozent Marktanteil erreicht der Streamingdienst von Micky Maus. Das könnte auch für die werbefinanzierte Version von Disney+ ein Problem werden, denn Netflix dominiert mit seiner langen Nutzungsdauer. HBO Max muss sich mit wenigen Prozenten zufriedengeben.
Netflix hat in diesem Jahr 13,6 Milliarden US-Dollar in neue Inhalte investiert, Disney+ immerhin 9,5 Milliarden US-Dollar. Bei der Disney+-Zahl ist allerdings unbekannt, wie das Geld im Hause Walt Disney verteilt wird. Beispielsweise werden zahlreiche Formate für das Network ABC sowie die Kabelsender Freeform oder FX produziert, wie hoch solche Sendungen abgeschrieben werden, wird nicht publiziert. Hinzu kommen weitere 5,5 Milliarden US-Dollar an Rechte-Ausgaben bei Hulu. Warner Bros. Discovery investiert 6,5 Milliarden US-Dollar, Apple sechs Milliarden. Paramount immerhin noch vier Milliarden, hier profitiert man von seinen CBS- und MTV-Produktionen. Peacock fällt im US-Markt kaum auf. Immerhin sind die Rechtekosten mit drei Milliarden US-Dollar auch sehr überschaubar.
Netflix ist in den Vereinigten Staaten von Amerika in Sachen Nutzungsdauer die Nummer eins. Das Angebot hat Millionen von Abonnenten, die dem Unternehmen die Treue schwören. Diesen Vorteil muss das Unternehmen weiterhin ausspielen und darf die Kunden aber nicht langfristig mit zu vielen Preiserhöhungen verärgern.
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