Einige Wochen vor der Pandemie kam im Januar 2020 noch der Film «Knives Out» in die Kinos und begeisterte mit seiner Mischung aus Krimi und Komödie. Daniel Craig war damals noch amtierender Bond-Darsteller, auch wenn «Keine Zeit zu sterben» wegen Corona von April 2020 anderthalb Jahre auf den Oktober 2021 verschoben werden musste, und konnte sich als Privatdetektiv Benoit Blanc ausprobieren, vielleicht schon in dem Wissen, dass da eine neue Dauerrolle auf ihn zukommen könnte. Statt mit Schlagkraft wie als Bond, muss Craig als Blanc mit Köpfchen agieren, um am Ende einen Schurken zu erledigen. Nun ist mit «Glass Onion: A Knives Out Mystery» tatsächlich eine Fortsetzung entstanden, bei der jedoch Netflix mit eingestiegen ist. Die Entscheidung, den Film vorher ins Kino zu bringen, ist folgerichtig und wirkt dankend abgenommen. Denn nur im dunklen Saal bringt man die Konzentration auf, mit zu rätseln, wer von den anwesenden Gästen wohl fähig wäre, einen Mord zu begehen.
Mord unterm gläsernen Zwiebelturm
So viel Glück hat nicht jeder, aber Miles Bron (Edward Norton) hat es durch kluge Geschäfte tatsächlich geschafft, Milliarden zu verdienen. Auf einer griechischen Privatinsel residiert er auf einem Anwesen, dessen Krönung ein gläserner Turm ist, der das Aussehen einer Zwiebel hat. Hierhin lädt er nun seine alten Freunde ein, um nach dem Corona-Lockdown wieder echte Menschen um sich zu haben. Der muskelbepackte und stets mit einer Pistole bewaffnete Influencer Duke (Dave Bautista) ist mit seiner Freundin Whiskey (Madelyn Cline) dabei, ebenso die Mode-Ikone Birdie Jay (Kate Hudson) mit ihrer Assistentin Peg (Jessica Henwick), die Politikerin Claire (Kathryn Hahn), der Wissenschaftler Lionel (Leslie Odom Jr.) und erstaunlicherweise Andi (Janelle Monáe), mit der Miles gar nicht gerechnet hat, weil er sie gerade unsanft aus der Firma gefegt hatte. Wer aber so gar nicht in diese Gesellschaft passen will, ist Benoit Blanc (Daniel Craig). Miles kann sich nicht erinnern, ihn eingeladen zu haben. Blanc kann allerdings eine schriftliche Einladung vorweisen. Warum auch nicht, denkt sich der Gastgeber, der sich sowieso ein besonderes Krimi-Spiel zur Belustigung seiner Gäste ausgedacht hat und sich für so clever hält, dass nicht mal ein berühmter Detektiv hinter die Lösung seines Rätsels kommen wird, bei dem Miles den Ermordeten spielen will. Aber es kommt anders, und plötzlich liegt ein echter Toter vor den Anwesenden.
Das Böse unter der Sonne
Wer glaubt, man würde einen ähnlichen Plot bekommen wie bei «Knives Out», wird schnell eines Besseren belehrt. Spielte der erste Teil noch zu herbstlichen Trauertagen auf einem herrschaftlichen Landsitz bei Boston, ist hier Sonne, Sand und Meer angesagt, und auch das Haus ist um einiges moderner und schicker. Aber Leiche bleibt Leiche, und bei einer soll es dann auch hier nicht bleiben. Aber wie sich der Plot verdreht und durch Rückblenden auf einmal in eine völlig andere Richtung verläuft, wird hier aus Spannungsgründen natürlich nicht verraten. Klar ist aber, dass das Starensemble (das namentlich etwas dürftiger ausfällt als noch in «Knives Out» unter anderem mit Christopher Plummer, Jamie Lee Curtis, Don Johnson und Chris Evans) sichtlich Spaß hat, sich ein theatralisches Katz-und-Maus-Spiel zu liefern. Besonders Craig, der nicht nur Verhöre führt, sondern aktiv im Geschehen involviert ist, baut seine Figur mit schelmischer Ironie aus. Etwa wenn er in einem lächerlichen blauweißgestreiften Strandanzug durch die Szenerie gockelt, was man auch als Reminiszenz an Peter Ustinov als Hercule Poirot in «Das Böse unter der Sonne» verstehen kann.
Nix geht ohne Netflix
Regisseur Rian Johnson («Star Wars: Die letzten Jedi») hatte schon bei «Knives Out» aufs richtige Pferd gesetzt, eine eher altmodische Whodunit-Story à la Agatha Christie zu schreiben, um sie anschließend mit der Raffinesse eines Alfred Hitchcock filmisch umzusetzen. An Originale (etwa «Zeugin der Anklage» (1957) oder «Cocktail für eine Leiche» (1948)) reicht er zwar nicht heran, aber zumindest die Richtung stimmt.
Wie die meisten Whodunit-Krimis leidet auch «Glass Onion» daran, etwas zu konstruiert zu sein. Aber der Witz sitzt, sodass man sich wie Blanc daran ergötzen kann, wie die Schönen und Reichen sich hier beharken. Das war ja schon in «Knives Out» so, der bei einem Budget von rund 40 Mio. Dollar weltweit fast das Achtfache einspielte. Da hatte Johnson keine Probleme, eine Fortsetzung finanzieren zu können. Mehr noch, er nahm das Höchstangebot von Netflix an: 469 Mio. Dollar heißt es, sind ihm zugesagt worden. Allerdings nicht für ein, sondern für zwei weitere Filme. Bedingung: Daniel Craig ist jeweils als Hauptdarsteller dabei. Der größte Filmdeal eines Streaming-Anbieters soll damit besiegelt worden sein. Eine Kinoauswertung war zuerst nicht geplant, und gewiss ist ein Monat auch schlichtweg zu kurz. Aber immerhin bekommen damit auch jene eine Chance, die auch ohne Abos durch Leben kommen wollen. Nun darf man gespannt sein, was der vertraglich zugesicherte 3. Teil bringen wird. Womöglich folgen weitere Blanc-Krimis, die Craig physisch weit weniger fordern werden als Bond. Mit der Rolle kann er übers Rentenalter hinaus im Business bleiben.
Fazit: Die Fortsetzung von «Knives Out» fällt etwas schriller aus und thematisiert sogar die Corona-Krise. Am Ende geht es aber doch nur darum, einen Mörder dingfest zu machen. Amüsant inszeniert, sodass man sich gut unterhalten fühlt.
«Glass Onion: A Knives Out Mystery» ist im Kino zu sehen. Ab 23. Dezember folgt der Spielfilm bei Netflix.
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