Thomas Gottschalk und Karl-Theodor zu Guttenberg blickten am Sonntagabend auf das zurückliegende Jahr zurück und moderierten gemeinsam den RTL-Jahresrückblick «2022! Menschen, Bilder, Emotionen». Zu Beginn der Sendung stellte Gottschalk seinen Co-Moderator vor, der erstmals durch ein TV-Format führte. „Es ist sein Moderations-Debüt an meiner Seite“, öffnete Gottschalk die Live-Sendung und schob hinterher: „Ich bezweifle, dass du was von mir lernen kannst.“ Guttenberg bezeichnete Gottschalk im Gegenzug als „Silberrücken der deutschen Fernsehlandschaft“. Beide sollten mit diesen Worten recht behalten, denn am Ende des Abends bleibt die Frage, ob Thomas Gottschalk in seiner Alt-Herren-Art, mit der er seit Jahren unbeirrt durchs Fernsehen geistert und von Fettnapf zu Fettnapf springt, überhaut noch tragbar ist.
Im weiteren Verlauf der Sendung interviewte Gottschalk die Sängerin Sarah Connor, die eigentlich in der Show hätte auftreten sollen. Krankheitsbedingt musste sie ihre Teilnahme aber absagen, weswegen sie lediglich per Telefon-Interview zugeschalten war. In diesem ging Gottschalk auf Konfrontationskurs mit Connor und sagte nach wenigen Begrüßungsworten: „Es war ein Scheiß-Jahr, aber es gibt auch gute Nachrichten: Sarah Connor hat abgesagt.“ Auf welcher Ebene dieser vermeintliche Gag hätte zünden sollen, bleibt Gottschalks Geheimnis. Bei Connor kam er jedenfalls nicht gut an, wenngleich sie sich zunächst nichts anmerken ließ. Via Instagram kommentierte sie im Nachgang, dass sie sich nicht alles gefallen lassen müsse und alles aus einem guten Grund passiere. So lässt sich auch aus einer Krankheit noch etwas Positives gewinnen.
Doch auch abseits des Inhaltlichen war die Sendung alles andere als ein Erfolg für RTL und Gottschalk. Nur 2,23 Millionen Zuschauer sahen den ersten RTL-Jahresrückblick ohne Günther Jauch. Das sind 900.000 weniger als vor zwölf Monaten. Und auch das Quotenergebnis sackte deutlich ab. Erstmals bewegte sich der Marktanteil beim Gesamtpublikum im einstelligen Bereich bei 8,8 Prozent – 2021 waren noch 12,4 Prozent drin, in den Jahren zuvor lagen die Werte sogar noch höher. In der Zielgruppe sank das Interesse von 1,22 Millionen 14- bis 49-Jährigen auf 0,69 Millionen. Dementsprechend musste der Kölner Sender auch hier einen neuen Negativrekord von 11,5 Prozent Marktanteil vermelden. Jauch holte mit seiner Abschiedsvorstellung 18,1 Prozent.
Sicherlich trägt Gottschalk nicht allein Schuld am deutlich verschlechterten Abschneiden des Jahresrückblicks. Dennoch gab der «Wetten, dass…?»-Moderator zuletzt nur selten eine gute Figur vor der Kamera ab. Auf der Haben-Seite steht für ihn natürlich die ZDF-Show, die auch in diesem Jahr mit über zehn Millionen Zuschauern und Quoten von 39,5 und 43,7 Prozent ein voller Erfolg war, doch auch hier gab es diverse Momente, bei denen man sich als Zuschauer fragen muss, warum dieser Mann von Welt sich so weltfremd zeigt. Interviewt wurden die beiden Zwillingen Lisa und Lena Mantler, die auf TikTok sehr erfolgreich sind. Gottschalk betonte immer wieder, dass er mit „diesen Influencern“ im Allgemeinen nichts anfangen könne. Diese Meinung mag er nicht exklusiv haben, doch ein Medienprofi sollte sich diesen Entwicklungen nicht verwehren, vor allem nicht, wenn sie seit zehn Jahren unaufhaltsam das Nutzungsverhalten der Zuschauer verändern. Wie engstirnig Gottschalk auftritt, lässt sich aber am besten an seinem Auftritt in der WDR-Sendung «Die letzte Instanz» ablesen, die erstmals im November 2020 ausgestrahlt und wenig später wiederholt wurde, und dann für Furore sorgte. Darin beharrte Gottschalk gemeinsam mit den anderen Gästen darauf, weiterhin diskriminierende Sprache verwenden zu wollen, und machte sich nebenbei über Gender-Sprache lustig.
In einem Gastbeitrag im ‚Spiegel‘ im vergangenen November im Vorfeld des «Wetten, dass…?»-Comebacks bezeichnete er sein Karriere-Geheimnis als „Wurschtigkeit“, die er sich während seiner gesamten Karriere beibehielt, „mich immer damit selbst entschuldigend, dass es ja nie wirklich um etwas Wichtiges ging“. Weiter schrieb er: „Ich weiß, dass ich vieles heute nicht mehr sagen könnte, was mir einst Lacher und Beifall beschert hat. Ich habe es damals ohne Arg gesagt und weiß, dass ich dabei öffentlich nie jemandem zu nahe treten, geschweige denn ihm wehtun wollte.“ Diese Absicht dürfte wohl auch nicht bei der Sarah-Connor-Aussage vorgelegen haben, aber diese Rücksichtslosigkeit über die Auswirkungen der eigenen Worte ist es, die Gottschalk mindestens verzichtbar machen im deutschen Fernsehen.
Das zeigen auch die Einschaltquoten der zuletzt umgesetzten Projekte des einstigen „Sunnyboy“ der deutschen TV-Unterhaltung. Wegen einer Vertragsklausel verpasste Gottschalk zuletzt die im November gezeigten «Denn sie wissen nicht, was passiert»-Folgen. RTL nahm dies bewusst in Kauf und programmierte die Sendungen trotzdem. An den beiden vergangenen Samstagen setzte man auf Best-of-Folgen der Spielshow, die mit 8,4 und 5,5 Prozent Marktanteil in der Zielgruppe kein gutes Zeugnis erhielten. Im August versuchte es RTL mit der Wiedervereinigung von Thomas Gottschalk und Mike Krüger im Rahmen von «40 Jahre Supernasen». Auch hier ging Gottschalk mit 7,7 Prozent unter. Im September und Oktober folgte ein Engagement bei der Neuauflage von «Die Puppenstars». Während die erste Folge mit 9,0 Prozent noch im erträglichen Bereich blieb, schlidderte Gottschalks Moderation in den darauffolgenden Wochen auf 4,2 und 4,1 Prozent in die tiefrote Zone. Die lediglich drei geplanten Ausgaben verhinderten wohl eine vorzeitige Absetzung.
Somit bleibt Gottschalk als Erfolg nur noch «Wetten, dass…?» im ZDF. Klar, die oben erwähnten Werte sind sagenhaft, im Vergleich zum Vorjahr stehen aber auch rund vier Millionen Zuschauer weniger zu Buche. Bei den 14- bis 49-Jährigen fehlten 1,8 Millionen Fernsehende. Gottschalk brachte im Vorlauf der Show eine Erhöhung der Schlagzahl ins Spiel, nur „das ZDF und der liebe Gott“ müssten sich einigen. Nachdem Gottschalk am Sonntagabend fatalerweise seinen Eröffnungsworten Taten folgen ließ, dürften die Verhandlungen zwischen dem Mainzer Sender und dem blonden Silberrücken nicht zwangsläufig vorangekommen sein.
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