Jahr für Jahr konzipieren die Film- und Fernsehproduzenten zahlreiche neue Stoffe. Im Mittelpunkt steht nicht immer ein unschlagbares Konzept, wie beispielsweise der James-Cameron-Streifen «Avatar», der im Jahr 2022 endlich fortgesetzt wird. Gleich mehrere «Avatar»-Familienfortsetzungen sollen alle zwei Jahre an Weihnachten im Kino laufen. Während der Disney-Film die Familien in die Kinos bringen möchte, ist die Zielgruppe des Universal-Pictures-Streifens «Violent Night» eine völlig andere.
Im Mittelpunkt dieser Geschichte steht David Harbour, bekannt aus der Netflix-Serie «Stranger Things», der zunächst als scheinbar versoffener Weihnachtsmann-Statist seinen Abend in einer Bar ausklingeln lässt. Nach mehreren Runden Bier verabschiedet sich dieser von der Wirtin, steigt auf das Dach – und fliegt mit seinen Renntieren weg. Szenenwechsel: Jason (Alex Hassell, «Cowboy Bebop») kommt nach einem geschäftlichen Ausflug zurück in die Stadt und wird von seiner Frau Linda (Alexis Louder, «Watchmen») und seiner Tochter Trudy (Lea Brady, «Umbrella Academy») zum Abendessen auf dem Landsitz der steinreichen Familie bei Oberhaupt Gertrude (Beverly D’Angelo, «Die schrillen Vier auf Achse») eingeladen. Die Lightstones sind so reich, dass sie 300 Millionen US-Dollar in einem weiteren Safe im Keller bunkern.
Zum 75. Geburtstag der Disney-Figur Dagobert in diesem Winter hat man den Bösewicht zumindest dem amerikanischen Vornamen der Comic-Figur gegeben. Scrooge, passabel durchgedreht verkörpert von John Leguizamo («Bloodline»), möchte mit Hilfe von zahlreichen Gehilfen den Tresor ausrauben. Doch die dunkle Komödie, eine Art «Thor» vs. «Bad Santa», hat inhaltliche Schwierigkeiten. Zum einen ist der Film zwar als Weihnachtsfilm angelegt, dennoch werden innerhalb von Minuten zahlreiche Personen aus dem Skript geschrieben.
Die Sprüche sind derbe, aber nur mittelmäßig. Die Geschichte scheint zunächst verheißungsvoll, weißt aber zahlreiche Lücken auf. Die Stunts sind zunächst solide, doch manchmal auch richtig schwach. «Violent Night», der von Pat Casey und Josh Miller verfasst wurde, ist wie ein bunt zusammengemischter Spielfilm – ohne Sinn und Verstand, ob das, was man in einen Topf wirft, überhaupt den Geschmack trifft. Oder eben am Ende ein verkochtes, versalzenes Stück irgendetwas herauskommt.
Der Film lässt sich in verschiedene Segmente teilen. Im dritten Viertel des Filmes bekommt die Tochter deutlich mehr Screenzeit und die Dichte der Gags nimmt massiv zu. Allerdings muss auch gesagt werden, dass Trudy – wie sie schon zuvor ankündige – Fallen wie beim Weihnachtsklassiker «Kevin – Allein zu Haus» aufbaut und die Stück für Stück abfeuert. Wie schon Kevin sitzt Trudy am Ende in der Falle. Der Weihnachtsmann mit seiner dunklen Vergangenheit, in der er eine Art Thor war, ersetzt den Nachbarn Marley, der damals mit einer Schneeschaufel Harry und Marv außer Gefecht setzte.
Nachdem die Szene abgefrühstückt wurde, gab es ein weiteres Gemetzel vor dem Anwesen der Familie. Der Weihnachtsmann, der beim Ausfahren der Geschenke bei den Lightstones landete, besinnt sich auf seine alte Tradition des Kriegers zurück und bringt zahlreiche Elite-Soldaten um. Diese Top-Leute, vermutlich Söldner und Ex-Soldaten, agieren dumm und unbeholfen. Man muss sich schon vorstellen, wie schlecht diese Truppen ausgestattet sind, wenn sie gegen einen völlig betrunkenen Weihnachtsmann verlieren – wieder so eine Drehbuch-Lücke.
Es gibt immer wieder Momente, die unfassbar schlecht verfasst wurden. Da wäre beispielsweise die Anfangsszene als Santa Clause während des Schlittenflugs nicht nur auf die Menschen uriniert, sondern sich auch noch übergeben muss. Es folgten Verhörmethoden, in denen mit Hilfe eines Nussknackers die besten zwei Stücke von Jason geknackt werden sollen. Überhaupt gibt dieser an, dass er das Geld gestohlen hatte. Doch wie konnte er das überhaupt schaffen? Eine riesige, gut organisierte Bande, die seit Monaten das Haus ausspäht, hat nichts davon mitbekommen, dass der Sohn bereits einen hollywoodreifen Coup gelandet hatte? Noch nicht einmal die Mutter hat dies mitbekommen und wie will er das gemacht haben, wenn er erst wenige Stunden vor der Weihnachtstragödie überhaupt erst wieder im Land war?
Umso länger der Abspann vergangenen ist, werden die Lücken der Storylines immer offensichtlicher. Diese Momente werden entweder mit Gewalt oder mit dümmlicher Comedy gefüllt. Beispielsweise ist es offensichtlich, dass ein erfolgreicher Schauspieler ein Weihnachtsgeschenk vergibt, das eigentlich das Drehbuch des nächsten Spielfilms ist, den die Patriarchin finanzieren soll.
Das Hauptproblem von «Violent Night» ist allerdings die Tatsache, dass man für einen solchen Spielfilm, der im unteren Mittelfeld angesiedelt ist, tatsächlich ins Kino gehen soll. Wäre der Film im Programmpaket von Peacock on Top dabei, wäre diese Zeitverschwendung nicht so ärgerlich gewesen. Es unzählige, gute Weihnachtsfilme im Programmangebot der Streamingdienste. Wer aber auf etwas Neues setzen möchte, ist hier mittelmäßig aufgehoben.
«Violent Night» ist seit 1. Dezember im Kino verfügbar.
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