Das ist also der Filme, der das Kino aus der derzeitigen Krise holen soll: «Avatar - The Way of Water». 13 Jahre musste auf die Fortsetzung von «Avatar - Aufbruch nach Pandora» gewartet werden. Regisseur James Cameron wollte damit bereits 2014 rausrücken, doch eine rechtsseitige Umsetzung war utopisch, weil der Kino-Magier ein weiteres kinotechnisches Wunderwerk schaffen wollte, und das nahm nochmals weit mehr Zeit in Anspruch als geplant. Wir erinnern uns: Bereits der erste Teil revolutionierte 2009 das Kino mit perfekter 3D-Technik und einer am Computer gezauberten Alternativwelt aus blauhäutigen Aliens, bunten Tieren und leuchtenden Pflanzen. So etwas hatte man bis dato noch nicht gesehen. «Avatar» setzte sich damit an die Spitze der erfolgreichsten Filme aller Zeiten und löste einen regelrechten 3D-Boom im Kino aus, der inzwischen aber wieder abgeklungen ist. Nichtsdestotrotz setzt Cameron mit der Fortsetzung erneut auf 3-D und nutzt zusätzlich die High Frame Rate (HFR)-Technik mit 48 Bildern pro Sekunde anstatt den gewohnten 24. Das alles ist zwar nicht wirklich neu (Peter Jackson probierte das bereits 2012 mit seiner «Der Hobbit»-Trilogie aus), aber Cameron hat das nochmals perfektioniert und herausgekommen ist ein Film, wie ihn die Welt noch nicht gesehen hat. „Mehr Kino geht nicht“ lautet daher auch der verheißungsvolle Slogan. «Avatar - The Way of Water» wird die Kinokassen erneut füllen können. Ob sich damit jedoch auch das Kino retten lässt, ist eine andere Frage.
Familienidylle und Rachegelüste
Einst war Jake Sully (Sam Worthington) ein Marinesoldat, der sich auf dem Mond Pandora in seinem Avatar-Körper den Eingeborenen näherte, um sie für die Machtansprüche der hier gelandeten Menschen auszuspionieren. Doch er verliebte sich in Neytiri (Zoe Saldana) und stellte sich auf die Seite des Naturvolks, was vor allem sein Vorgesetzter Colonel Quaritch (Stephen Lang) als Verrat empfand. Mehr als zehn Jahre sind seitdem vergangen. Jake hat seinen Menschenleib ganz verlassen und gehört mit seinem Avatar-Körper nun zum Stamm der Na’vis. Mit Neytiri hat er sogar eine Familie gegründet. Doch dann kehren die Menschen zurück, um Pandora Rohstoffe abzubauen. An Bord erwacht auch Quaritch wieder von den Toten. Da sein menschlicher Körper im ersten Teil durchbohrt wurde, erlebt er seine Wiedergeburt in einem Avatar-Körper mit vorab aufgezeichneten Erinnerungen seiner selbst.
Nun dürstet es ihm nach Rache, weshalb Jake mit seiner Familie fliehen muss und von dem Küstenvolk der Metkayina aufgenommen wird. Doch Quaritch findet sie und provoziert eine gewaltige Schlacht.
Natur gegen Technik
Gewiss mag es für manche erst einmal abschreckend sein, sich einen Film von dreieinhalb Stunden anzusehen. Doch diese Zeit ist nötig, um das Publikum zunächst wieder nach Pandora zurückzuholen. Die Exposition dient dazu, die alten Charaktere erneut vorzustellen, anschließend werden neue Figuren eingeführt, und es wird geklärt, in welchen Verhältnissen alle zueinanderstehen. In den Vordergrund rückt dann immer mehr der Racheplan des Schurken, die Antriebsfeder für alle weiteren Aktionen in diesem Film. Die Handlung mag einem beim ersten Hinsehen erst mal schlicht vorkommen. Erst beim zweiten Blick wird klar, dass hier so viel mehr Themenkomplexe gestreift werden: Eine kritische Auseinandersetzung mit der Spezies Mensch, der im 22. Jahrhundert noch genauso agiert wie in der Vergangenheit und unserer Gegenwart. Imperialismus, Kapitalismus, Genozid und Umweltvernichtung – das damit verbundene Unheil breitet sich auch im Paradies Pandora aus. Mit hochtechnisierten Waffen sind die Menschen den naturverbundenen und spirituellen Eingeborenen erst erstmal haushoch überlegen. Natur und Technik symbolisieren das Gute und das Böse, womit einmal mehr die traumatische Ur-Schuld der Amerikaner verarbeitet wird, die bei der Eroberung des Kontinents einst Ureinwohner abschlachteten, Büffel-Herden ausrotteten und das ganze Land unter sich aufteilten. Schon bei «Avatar - Aufbruch nach Pandora» erkannten einige Parallelen zu «Pocahontas» und «Der mit dem Wolf tanzt», und auch die Fortsetzung funktioniert in seinen erzählerischen Grundzügen einem schlichten Western. Dennoch oder gerade deshalb wird es nie langweilig, «Avatar – The Way of Water» fesselt sofort und die dreieinhalbstündige Spielzeit vergeht wie im Fluge.
Wasser ist sein Element
Das liegt auch daran, dass uns Cameron durchweg visuelle Schauwerte liefert. Allein die hier erstmals vorgestellte Unterwasserwelt von Pandora verschlägt einem den Atem. Die Luft anhalten mussten auch die Darsteller, u.a. Sam Worthington («Kampf der Titanen»), Zoe Saldana («Star Trek»), Stephen Lang («Letzte Ausfahrt Brooklyn»), Kate Winslet («Titanic») und Sigourney Weaver («Alien») lernen. Denn die Szenen mehrere Meter tief im Wasser wurden tatsächlich dort gedreht. Alle mussten das Luftanhalten auch noch in ihren Performance Capture-Anzügen durchstehen - keiner der Stars taucht länger mit menschlichem Gesicht auf, sondern mindestens zu 90 Prozent als bläuliche Außerirdische. Mimik und Gestik wurden dank des Performance Capture-Verfahrens in den Computer gespeist und quasi auf die jeweilige Avatar-Figur übertragen. So ist es auch möglich, dass Sigourney Weaver wieder mitspielt, obwohl ihre ursprüngliche Figur im ersten Teil in die ewigen Jagdgründe einging. Diesmal verkörpert sie Kiri, die 14-jährige Tochter Kiri von Jake und Neytiri. Aber etwas Mystisches umschwebt Kiri, die eine besondere spirituelle Bindung zum Ökosystem von Pandora zu haben scheint - und das ist nur eine Fährte, die Cameron hier bereits für drei geplante Fortsetzungen auslegt. Eine weitere legt er mit Vater-Sohn-Konflikte aus, was womöglich die Dimension von «Star Wars» bekommen könnte. Es lohnt sich also, bei «Avatar – The Way of Water» konzentriert zu bleiben, und auf jeden Fall ist es von Vorteil, auch den ersten Teil zu kennen.
Allerdings wird «Avatar» nur fortgesetzt, wenn «The Way of Water» zum Milliardengeschäft wird. Das sollte gelingen, weil der Film nichts nur Fans anlocken wird, die ihn sich mehrmals ansehen werden, sondern alle Neugierigen, denen ein wahres Kinoerlebnis versprochen wird. Nicht zuletzt wegen der phantastischen Unterwasserwelt, an der man sich nicht sattsehen kann. Wasser ist Camerons Element, was er bereits mit «The Abyss» und «Titanic» unter Beweis stellte. Ein wahrer Bilderrausch entsteht, so dermaßen fotorealistisch getrickst, dass man einem alles zum Anfassen echt vorkommt. Gewiss erzählt Cameron seine Geschichte mit ordentlichem Pathos und großen Gefühlen. Irgendwie passt das aber zu dem spektakulärsten Film mit bester 3D-Technik. Wer zusätzlich die Chance hat, ihn auch noch in HFR und im IMAX-Format erleben zu können, sollte dies unbedingt tun. Denn nur Kino kann das!
Fazit: Das Kino erwacht aus seinem Dornröschenschlaf, denn James Cameron schlägt erneut sein Märchenbuch auf, um uns mit «Avatar - The Way of Water» in eine phantastische Welt jenseits unserer Galaxie zu entführen. Wer Kino liebt, kann an dieses einzigartige Filmerlebnis nicht vorbei.
«Avatar - The Way of Water» läuft im Kino.
Es gibt 5 Kommentare zum Artikel
19.12.2022 13:37 Uhr 1
19.12.2022 17:52 Uhr 2
Zum Thema. Keine Ahnung, ob das das Kino retten wird. 3D ist einfach nervig, eigetnlich ist Kino nervig. Viel Geld ausgeben, um viel Zeit zu verbringen, um nen Film in nen überfüllten Kino zu sehen, wo einem die tolle Technik auch nichts bringt, wenn man hinten links sitzt. Den ersten fand ich schon nicht gut, aber ich würde mir auch keinen Film mehr reinziehen, wo die Fortsetzungen schon angekündigt sind. Zuviele schlechte Beispiele dafür schon gesehen.
19.12.2022 20:32 Uhr 3
Nur, weil der Film jetzt der teuerste Film aller Zeiten ist, soll der das angeblich "stark angeschlagene" Kino retten??
20.12.2022 06:46 Uhr 4
23.12.2022 08:24 Uhr 5