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Was bleibt von der WM? Diese Frage lässt sich aus deutscher Sicht wohl recht kurz, aber treffend beantworten: ein Scherbenhaufen. Erneut schied man blamabel nach drei Gruppenspielen aus, kann zwar auf bessere Leistungen als bei der WM 2018 blicken, am Ausgang ändert dies aber nichts. Auch abseits des Platzes hat sich der DFB und dessen Aushängeschild nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Das Hickhack um die „One Love“-Binde zu Beginn des Turniers offenbarte zum einen die Skrupellosigkeit des Fußball-Weltverbandes FIFA, ließ aber auch den DFB in keinem guten Licht dastehen. Trotz lautstarker Ankündigungen die Binde tragen zu wollen, zeigte man kein Rückgrat und versuchte mit einer „Mund zu“-Geste vor dem Spiel gegen Japan ein Zeichen zu setzen, das aber international zuweilen auf Unverständnis stieß. Die Stimmen mehrten sich, dass der Sport und Politik zu trennen sei. Auch Bundestrainer Hansi Flick blies in dieses Horn und forderte Rückendeckung aus der Politik, die seine Spieler schützen sollen, indem sie selbst Politik machen sollen und nicht Spieler in der Verantwortung stehen. Ein Robert Habeck, wie er kurz vor dem Turnier ein Deal mit Katar abschließt, hilft bei dieser Argumentation sicherlich wenig.
Dass Politik und Sport nicht gänzlich zu trennen sind, bewies die FIFA und Katars Emir Tamim bin Hamad Al Thani am Sonntag dann noch gleich selbst. Bei der Siegerehrung wollte Messi nichts sehnlicher als den goldenen Pokal endlich in die Höhe zu recken, doch Infantino und der Emir hielten ihn zurück, um dem Fußball-Star ein Bischt überzuziehen. Die beiden begleiteten Messi dann auch noch wie zwei Altenpfleger zum Pokal, um auch ja mit ihm und dem größten Star des Sports abgelichtet zu werden. Der FIFA-Funktionär bewies damit einmal mehr, seiner Jobbeschreibung nicht nachzukommen. Die FIFA soll dem Fußball eine Bühne bereiten und nicht selbst auf dieser Bühne tanzen. Die Bilder von Messi in dem schwarzen Gewand, die ARD-Experte Bastian Schweinsteiger als „nicht gelungen“ bezeichnete, gehen nun um die Welt und werden für immer in das Gedächtnis der Fußballfans eingefräst sein. Statt an das glorreiche Finale zu denken, wandern die Gedanken somit unumgänglich auch zu Katar als Austragungsort. Sportswashing vom Feinsten. Bleibt zu hoffen, dass die skrupellose Instrumentalisierung Messis weiteren Fans die Augen öffnet und die FIFA kritischer betrachten lässt.
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Ähnlich meinungsstark zeigte sich überraschend auch Bastian Schweinsteiger im Ersten, der im Vorjahr bei der paneuropäischen Europameisterschaft übervorsichtig agierte und sich mit der Kritik am schwachen Auftreten der DFB-Elf zurückhielt. Diesmal legte er gekonnt den Finger in die Wunde – auch im Angesicht des Bundestrainers. Womöglich lag diese Entwicklung auch an der Partnerin an seiner Seite. Jessy Wellmer, im Vorjahr noch im Schweinsteiger live vor Ort, hielt sich diesmal im Studio in Mainz auf und fiel durch eine schwache Moderation auf. Häufig stellte sie Halbfragen in den Raum, ohne jemanden konkret anzusprechen. Ihre halbgaren Thesen sollten Thomas Hitzlsperger, Sami Khedira und Almuth Schult aufgreifen. Dies taten sie meist erst nach einigen Sekunden der Stille, denn direkt angesprochen wurde keiner. Dabei waren Schult, Khedira und Hitzlsperger ähnlich wie die Experten-Kollegen im ZDF sehr meinungsstark und auskunftsfreudig. Nicht immer war man einer Meinung, was solchen Runden natürlich ungemein hilft. Dadurch rückte Wellmer auch häufiger in den Hintergrund, weil die drei das Ruder der Diskussion selbst in die Hand nahmen. Zur Ehrenrettung Wellmers sei gesagt, dass sie kurzfristig für den ausgefallenen Alexander Bommes einsprang und eigentlich «Sportschau Thema» hätte moderieren sollen.
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Was bleibt nun von dieser Weltmeisterschaft? Die gemischten Gefühle zu Beginn des Turniers sind phasenweise gewichen, denn der Fußball hat die Kraft Menschen zu begeistern. Das stellte der Sport eindrucksvoll auch in Katar unter Beweis. Spätestens mit Messis WM-Triumph fand die WM auch ihren emotionalen Höhepunkt. Doch während sich Messi über den goldenen WM-Pokal freute, sah die Welt auch seinen schwarzen Bischt auf seinen Schultern. Ein Bild, das der Sportler Messi eigentlich nicht verdient hat, aber es doch ein Mahnmal dafür ist, dass die WM in Katar zahlreichen Gastarbeitern das Leben gekostet hat, der WM-Bot¬schafter Khalid Salman Homosexualität als „geistigen Schaden“ bezeichnete und die FIFA ein korrupter Haufen ist, der zulässt, dass ein Staat den Sport nach Belieben instrumentalisieren kann. Dem gilt es sachliche Berichterstattung entgegenzusetzten, was ARD und ZDF in den vergangenen Wochen eindrucksvoll gelungen ist.
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