
Wahrscheinlich nicht an den ersten Folgen, die die Zuschauer noch in eine toll ausgestaltete Welt entführt haben: Auf hoher See im späten 19. Jahrhundert ereigneten sich in dieser Serie ungeheuerliche Dinge, denen die Passagierin Maura Franklin und der Kapitän Eyk Larsen mit immer größerer Verbissenheit auf den Grund gingen, zusammen mit immer weiteren Mitgliedern der Besatzung und etlichen Zivilsten. Doch obwohl man schon früh ahnen konnte, dass auf diesem Schiff nichts so war, wie es schien, und deshalb auch viele Aha-Effekte und entsprechend große Wendungen zu erwarten waren, hat wohl niemand mit den halsbrecherischen Verrenkungen gerechnet, die die zweite Hälfte der ausgestrahlten Folgen durchmachte, um bei einer extrem enttäuschenden Auflösung auszuklingen.

Denn die Kerberos – so der Name des alten Schiffes – schipperte gar nicht durch den Atlantik, sondern nur durch eine Computersimulation, in die sich auch alle Protagonisten zugeschaltet hatten. Und streng genommen war schon der Titel eine Irreführung: Die Serie spielte nämlich überhaupt nicht im Jahr 1899, sondern 200 Jahre später in einem Raumschiff, das sich durch das Weltall bahnte und wohl ein wenig außer Kontrolle geraten war, wenn man den Andeutungen in den letzten Minuten Glauben schenken darf.

Doppelt enttäuschend, weil man einen ähnlich radikalen Kniff schon von der anderen großen Serie kennt, die aus der Feder von Baran bo Odar und Jantje Friese stammte: Auch «Dark», 2017 ebenfalls unter großer Furore bei Netflix gestartet, entwickelte sich irgendwann in ganz andere Bahnen, als der Stoff eigentlich zunächst erahnen ließ, und verlor sich in unheilvoll komplizierten Nebenschauplätzen und einem unübersichtlichen Figurenwust, den am Ende kaum noch ein Zuschauer durchdringen wollte. «1899» hätte wahrscheinlich ein ähnliches Schicksal geblüht – und somit war es wohl auch keine falsche Entscheidung von Netflix, an dieser Stelle die Reißleine zu ziehen.
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