Hingeschaut

«Reschke Fernsehen»: Eine Münchnerin liest ihrer Heimat die Leviten

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Anja Reschke und ihr Team mussten im Feuilleton zahlreiche Kritik einstecken – zu Unrecht. Auch die Quotenmeter-Redakteure hat die Auftaktsendung gesehen.

Am Donnerstag um 18.00 Uhr erfolgte der Startschuss der neuen ARD-Sendung «Resche Fernsehen», das von «Panorama»-Moderatorin und -Redaktionsleiterin Anja Reschke moderiert wird – zunächst in der Mediathek, später dann auch im Ersten. Die erste Sendung, die neben Reschke von Konstanze Nastarowitz und Alexander Grantl konzipiert wurde, drehte sich um den bayrischen Freistaat und seiner größten Partei: Die Christlich-Soziale Union.

Doch nach dem Einspieler, in dem der Alternative für Deutschland (AfD)-Ehrenvorsitzender Alexander Gauland in «hart aber fair» Anja Reschkes Berichterstattung als Reschke-Fernsehen bezeichnete, war zumindest der Sendungstitel geklärt. „«Reschke Fernsehen ist die erste Sendung im deutschen Fernsehen, in der die AfD Titelgeber ist“, scherze die Moderatorin, „Damit wir das mit der Ausgewogenheit vom Tisch haben“.

Das Studio besitzt einen großen Moderationsraum, im Hintergrund erstrahlt das Logo und zur rechten des Zuschauers ist eine Projektionswand. An der linken Seite sitzt die NDR Big Bang, die zwar einerseits verzichtbar wäre, aber alle klassischen Late-Night-Sendungen besitzen eben eine Band. Und wenn der Norddeutsche Rundfunk sowieso ein Orchester hat, dann kann dieses auch im Fernsehen vertreten sein. Seltsam wirkt zuweilen nur, dass Reschke und Band nie gemeinsam im Bild sind, sodass der Eindruck entsteht, Moderatorin und Musiker waren bei der Aufzeichnung nie gemeinsam im Raum. Die Schnitte wirken stets hart.

Reschke, wie auch Felix Seibert-Daiker von «Fakt», haben in den vergangenen Jahren ihren Moderationsstil verändert. Seibert-Daiker sagte zuletzt auch einen Beitrag nicht etwa an, sondern erzählte Fakten im Stile von Oliver Welke und Jan Böhmermann. Seit dem 60. Geburtstag von «Panorama» hat sich auch in dieser Sendung die Moderation verändert. Reschke sitzt öfters an einem Schreibtisch, wie es schon damals Gert von Paczensky im Jahr 1961 tat. Da ist es natürlich sinngemäß, dass in dem «Panorama»-Ableger auch eine solcher Tisch zur Geltung kommt – natürlich in schön. Jedoch sollten die Produzenten noch einmal überarbeiten, wie der Tisch und die daran sitzende Reschke in Szene gesetzt wird. Dass man Reschkes Beine sieht, lässt den Tisch spartanisch wirken und lenkt vom eigentlichen Thema ab.

Der Inhalt der ersten Ausgabe war zwar nicht neu, aber angesichts des bayerischen Wahljahres mit der Landtagswahl am 8. Oktober 2023 durchaus angebracht. Im politischen Deutschland spricht man aktuell nur von der Wahlwiederholung in Berlin oder der Nancy-Faeser-Kandidatur in Hessen. Da ist Bayern und die CSU eine willkommene Abwechslung. Was viele Zuschauer nicht wussten: Mit Anja Reschke steht eine Frau vor der Kamera, die aus München stammt. Sie begann ihre Karriere beim erfolgreichen Radiosender Antenne Bayern, ehe sie aus der bayerischen Hochburg ins Flachland wechselte.

Mit der Auftaktsendung von «Reschke Fernsehen» gelang zwar kein Enthüllungs-Coup, allerdings handelt es sich hierbei schlicht um eine informative Unterhaltungssendung. Für die Menschen in Bremen, Hamburg, Berlin oder Görlitz mag das, was dort gezeigt wurde, durchaus interessant sein. Zuschauer aus Oberbayern werden das Format mit Verachtung gesehen haben, schließlich wurde ihre Lebenseinstellung kritisiert.

Schließlich kommt mit «Reschke Fernsehen» der Frontalangriff in 30 Minuten: Die bayerischen Ministerpräsidenten sorgen dafür, dass für Wahlkampfzwecke die politische Agenda über Bord geworfen wird, damit die Partei die absolute Mehrheit erreicht. Schon die letzte Wahl galt als blamabel, weil Markus Söder für seine CSU das bislang schlechteste Ergebnis holte. Seit den Olympischen Spielen ist München die gefühlte Bundeshauptstadt.

Die CSU, und das fasst das neue Magazin anschaulich zusammen, gibt offen zu, dass man immer im Bund die bayerischen Interessen umsetzen möchte. So eröffnete Andreas Scheuer überwiegend Autobahnabschnitte in Bayern. Als ein Windkraftwerk im Freistaat eröffnete wurde, waren Söder und seine Partei natürlich vor Ort und der Bayerische Rundfunk berichtete. Reschke spottete, wenn man in Norddeutschland jedes neue Windkraftwerk medial begleiten würde, bestünden die Regionalnachrichten des NDR nur noch daraus.

Der Strom für Bayern soll am besten aus der übrigen Republik kommen. Aus diesem Grund schickte man Malte Völz nach Erding, um für ein neues Projekt zu werben: Bayern soll schließlich nicht mit Windkraftanlagen „verspargelt“ werden. Stattdessen konnten sich die Einwohner für erneuerbare Energie in Niedersachsen stark machen. Das kam bei der oberbayerischen Bevölkerung nur teilweise gut an. Manche wollten von dem – natürlich scherzhaft gemeinten – Unterfangen nichts wissen, was aber eben auch die Verschlossenheit der Bayern gegenüber Windkraft widerspiegelt. Zudem gibt es da noch das Thema Stromtrassen: Auch das wollen die Bayern nicht, weshalb sich das Projekt verzögert. Es ist schon amüsant, dass sich Gemeinden in Scharen wehren, aber nicht auf eigene Energie setzen. Ganz anders sieht es übrigens in der unterfränkischen Gemeinden Grafenrheinfeld aus, die zwar mit Trassen zugekleistert ist, aber die Ortskerne vom Geld des ehemaligen Atomkraftwerks reich wurde.

Was also bleibt nach der ersten Ausgabe von «Reschke Fernsehen»? Es ist mit Sicherheit nicht alles perfekt gelaufen, aber die Premiere war durchaus amüsant – sofern man nicht mit der CSU sympathisiert. Sobald die Redaktion erst einmal im Trott ist, werden vermutlich auch größere Geschichten aufgerollt, sofern sie nicht doch eher bei «Panorama» laufen. Das neue «Reschke Fernsehen» ist zwar (noch) kein Coup, aber eine satirische Zusammenfassung von Informationen – und das auch noch unterhaltsam.

«Reschke Fernsehen» ist in der ARD Mediathek aufrufbar. Weitere Folgen laufen donnerstags gegen 23.30 Uhr im Ersten.

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