Die Kritiker

«Brokenwood – Die tote Braut»

von

Die Tote im Fluss trägt ein Brautkleid. Ist ein Junggesellinnenabschied etwa aus dem Ruder gelaufen? Ein Unfall war es nicht. Jemand hat nachgeholfen. Das ist ein Fall für Detective Sherpherd.

Stab

BESETZUNG: Neill Rea, Fern Sutherland, Nic Sampson, Cristina Serban Ionda, Colin Moy, Elizabeth McRae, Rawiri Jobe, Karl Willetts, Tara Cormack, Greta Gregory, Cian Elyse White, Anna-Maree Thomas, Peter Feeney, Dan Musgrove, Amanda Tito
REGIE: Katie Wolfe
DREHBUCH: Timoth Balme, Pip Hall
MUSIK: Joel Haines
KAMERA: Marty Smith
«Brokenwood – Mord in Neuseeland» dürfte derzeit die international erfolgreichste Serie aus der an Fläche großen, an Einwohnern jedoch übersichtlichen Inselrepublik am anderen Ende der Welt sein. Bitte was? «Der Herr der Ringe: Die Ringe der Macht» wird doch auch in Neuseeland gedreht! Ja, das ist richtig. Aber kann man eine Serie wie Amazons Prestigeobjekt tatsächlich als neuseeländische Serie bezeichnen? Die Filmindustrie Neuseeland arbeitet hochprofessionell und bekommt auch Mega-Millionen-Dollar-Projekt problemlos gestemmt. Doch diese Produktionen entstehen eben für ein internationales Publikum im Auftrag internationaler, zumeist in den USA ansässiger Konzerne, die das Knowhow der neuseeländischen Filmindustrie nutzen. «Brokenwood» hingegen ist tatsächlich im Auftrag eines neuseeländischen Senders entstanden. International ist die Serie in über 30 Staaten zu sehen. Darunter befinden sich für Serien wichtige Märkte wie die USA, Großbritannien, Frankreich, Italien, aber auch Japan und Indien. Unterm Strich verdienen die Macher also ganz ordentlich an ihrer kleinen Serie, die 2014 bereits in Neuseeland gestartet ist, in Deutschland allerdings erst 2019 an den Start ging. Wer eine Serie möglichst aktuell in Deutschland schauen möchte, darf sich halt nicht auf das öffentlich-rechtliche Fernsehen verlassen, denn «Die Tote Braut» ist auch nicht gerade aktuell aus dem Serien-Pool gefischt worden. Am 4. November 2018 wurde der Film in Neuseeland bereits ausgestrahlt. Es ist der neunzehnte Thriller der Reihe, in Neuseeland lief bereits Film Nummer 36. Die Bewertungen der Serienepisode auf der Internet Movie Database sind nicht selten von vorzüglichster Begeisterung getragen. Die Serie ist ein Hit. Aber warum eigentlich?

Offenlegung: Der Autor dieser Zeilen hat vor dieser Episoden noch nicht eine Minute «Brokenwood» gesehen. Daher fehlt es ihm an Wissen um die Serie. Wissen darüber, wie die Figuren für gewöhnlich miteinander agieren oder wie diese Episode im Rahmen der Vorgänger-Folgen einzuordnen ist. Diese Kritik ist eine Momentaufnahme, die ausschließlich diese eine Episode betrifft. Rezensenten neigen dazu, sich oftmals als Alleswisser zu inszenieren, die jede Einstellung einer Serie bestens kennen und daher in der Lage sind, jede einzelne Szene in den großen Rahmen der Gesamterzählung einordnen zu können. Aber ganz ehrlich: Bei der Masse an Serien, die via Streamingdiensten und linearer Sender auf das Publikum losgelassen werden, ist das gar nicht möglich. Auch Rezensenten haben ihre Lieblingsserien, bei anderen Serien – bleibt es oft bei einem flüchtigen Blick.

Im Fall von «Brokenwood» wurde das Interesse an der Serie durch ihren internationalen Erfolg geweckt. Warum sollte man nicht einmal einen Blick riskieren? Was macht den Erfolg aus?

Nun, wenn es nach «Die tote Braut» geht, verdankt die Serie ihren Erfolg wahrscheinlich ihrer Harmlosigkeit. «Die tote Braut» ist Wegguckfernsehen. Es tut nicht weh. Es ist ganz nett anzuschauen, so wie eine Episode «Death in Paradise» zum Beispiel. Und es ist unpolitisch. Hier gibt es keine Autorin, keinen Autor, der oder die eine große Geschichte erzählen möchte. Dies ist kein «Tatort», bei dem das gesellschaftlich relevante Thema der Woche ein Pflichtprogramm darstellt. «Die tote Braut» ist ein angelsächsischer Whodunnit.

Da treibt Ophelia Marley (Anna-Maree Thomas) also im Fluss. Was zunächst wie ein tragischer Partyunfall aussieht, enthüllt Pathologin Gina (Cristina Serban Ionda) als ein Verbrechen. Für Detective Mike Shepherd (Neill Rea) und sein Team beginnt ein neuer Fall mit zahlreichen Zeugen und Verdächtigen. Aber wer ist Zeuge, wer ist Verdächtiger? Da ist etwa Chontelle (Cian Elyse White), die Trauzeugin, die bei der Vernehmung etwas seltsam wirkt. Wahrscheinlich aber liegt ihr Verhalten einfach daran, dass am Abend viel, viel Alkohol geflossen ist. Sehr, sehr viel Alkohol, von dem alle anwesenden Damen sehr, sehr viel gekostet haben. So ist der einzige Anhaltspunkt, mit dem die Ermittlerinnen und Ermittler arbeiten können, ein Zettel für ein geheimnisvolles Treffen in der Todesnacht auf dem Bootssteg. Ein Treffen mit wem und warum? Ins Zentrum der Ermittlungen rücken schon bald der Bräutigam Scotty (Dan Musgrove) und sein taubstummer Trauzeuge Darryn (Leon Wadham), die bei der ersten Befragung einiges für sich behalten. Vielleicht, weil die Hochzeit etwas sehr schnell kam? Orphelia und Scotty kannten sich gerade einmal acht Wochen. Und ausgerechnet Trauzeugin Chontelle spricht nicht unbedingt nett über Orphelia als Menschen. So neigte Orphelia, die als Tennisspielerin ihr Geld verdiente, dazu, gerne mal über die Stränge zu schlagen. Ihr Vater war es dann für gewöhnlich, der die Wogen wieder glättete und dafür sorgte, dass Orphelias Verhalten nicht an ihrem Image kratzten. Jedoch ist ihr Vater gestorben und daher brauchte Orphelia dringend einen Mann an ihrer Seite, der hinter ihr aufräumte, wenn sie es mal wieder zu doll trieb. Einen Mann wie den netten Scotty …

Nett ist das auch alles anzuschauen. Es gibt eine Wendung hier, eine Wendung da. Das alles ist anständig geschrieben, wenngleich auch aus einer Perspektive des allwissenden Erzählers heraus, der dazu neigt, eine Wendung der Wendung wegen geschehen zu lassen, ohne, dass diese zwingend aus der Handlung heraus vorbereitet würde. Das ist aber nicht zu bemängeln, da es der Unterhaltung als solcher nicht abträglich wirkt. «Brokenwood – Die tote Braut» ist Krimiunterhaltung von Stange. Allerdings auch keinen Deut mehr. Was dem Spielfilm denn auch gänzlich fehlt, ist so etwas wie ein visueller Schick. Inszenatorisch ist das auf dem Niveau von «WaPo Bodensee». Das alles ist nett ausgeleuchtet, die Kamera wackelt nicht. Und auch die Schauspielerinnen und Schauspieler spielen halt ihre Rollen. Gebrauchsrollen, die in diesem Film funktionieren, die aber keinerlei Eindruck hinterlassen. Wo eine Serie wie «Inspector Barnaby» zu Hochzeiten immer wieder faszinierend schrullige (manchmal auch bösartige) Charaktere erschuf, deren irritierendes Tun über die jeweilige Episode hinaus Nachhall erzeugte, bleibt «Brokenwood – Die tote Braut» in den Parametern des Erwartbaren verhaftet.

Noch einmal: diese Kritik bezieht sich letztlich nur auf diese eine Episode. Aus einer Episode heraus erklären zu wollen, warum eine Serie beim Publikum so erfolgreich ist, ist schlicht nicht möglich. Diese Kritik kann sich daher auch nur auf diesen einen Film – und nur diesen Film – am Ende beziehen. Einen Film, der es wirklich nicht krachen lassen will. Da ist eine Tote. Da sind ein paar Verdächtige. Es gibt eine Auflösung. Und das alles in dieser Reihenfolge der Geschehnisse. Als televisionärer Absacker am Ende eines Wochenendes mag das ganz anständig funktionieren. Die Gefahr aber, dass die Augen zwischendurch schwer werden, ist nicht ganz ausgeschlossen.

Am Sonntag, 19. Februar 2023, 21.45 Uhr im Ersten

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