Durch die Fußball-Weltmeisterschaft im November und Dezember verabschiedete sich das Privatfernsehen reichlich früh in die Winterpause und wachte aus dieser gefühlt bislang nur teilweise wieder auf. Während das öffentlich-rechtliche Fernsehen von Das Erste und ZDF weiter munter das Feld dominierten, setzte RTL immerhin durchgängig auf Erstausstrahlungen. Allen voran «Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!» und «Wer wird Millionär?» holten zu Beginn des Jahres fantastische Werte. Der Kölner Sender fand auch am Dienstag eine Lücke und nutzte diese für die Etablierung eines Krimi-Tages, der bislang überraschend gut verläuft. Auch «Deutschland sucht den Superstar» gibt aller Nebengeräusche zum Trotz bislang eine guten Quoten-Figur ab und verbesserte sich zuletzt auf 14,4 Prozent Marktanteil in der Zielgruppe am Mittwoch sowie 13,6 Prozent am Samstagabend.
Inzwischen ist man auch in Unterföhring aufgewacht, wo vor allem bei ProSieben in den ersten Wochen des neuen Jahres wenig Erquickliches über den Sender ging und das Programm zuweilen zweimal pro Woche mit Clipshows sowie verschiedenen Best-of-Sendungen aus dem Joko&Klaas-Universum gefüllt wurden. Immerhin hatte man noch die stark performende «Promi-Darts-WM», sehr erfolgreichen Super Bowl und «Schlag den Star» im Angebot. Der Start ins Jahr verlief auch für «TV total» gut, jedoch verblieb Sebastian Pufpaff in den vergangenen vier Wochen jeweils unterhalb der Elf-Prozent-Marke in der Zielgruppe.
Doch es ist Besserung in Sicht: Zwar wird man nicht gänzlich auf die Clipshows verzichten, sondern legt «Darüber… die Welt» künftig auf den Samstagabend, doch mit «Germany’s Next Topmodel» und «Wer stiehlt mir die Show?» kehrten in der zurückliegenden Woche zwei absolute Quoten-Hits ins Programm zurück. Während die Modelsuche mit 19,9 Prozent in der werberelevanten Gruppe da weitermacht, wo man im vergangenen Jahr aufgehört hatte – das ist durchaus auch inhaltlich zu sehen –, hatte die Quizshow mit Joko Winterscheidt die schwierige Aufgabe den Erfolg von Dienstag auf Sonntag zu übertragen. Florida-TV-Produzent Thomas Schmitt zeigte sich ob des Sendeplatzwechsels im Podcast «Baywatch Berlin» zwar nicht sonderlich begeistert, doch mit der ersten Quote der neuen Staffel von 17,0 Prozent dürfte die schlechte Laune verflogen sein – sofern sie überhaupt echt war. «WSMDS?» war auch eine von sechs TV-Sendungen, die in der vergangenen Woche mehr als eine Million junge Zuschauer vermelden konnte. In der Vorwoche war dies nur vier Sendungen gelungen, darunter ein «Brennpunkt», zwei DFB-Pokal-Übertragungen und dem Freiburger «Tator» „Unten im Tal“.
Zur Wahrheit gehört aber auch: Das ProSieben-Quiz musste zum Auftakt nicht gegen den Dominator «Tatort» antreten, sondern „nur“ gegen den «Polizeiruf 110», der mit 1,24 Millionen 14- bis 49-Jährigen und 17,1 Prozent dennoch die Nase vorne hatte. Es bleibt abzuwarten, wie stabil die Ausbeute von «Wer stiehlt mir die Show?» bleibt. Im Vergleich zum Vorjahr, als die Show im Januar auf Sendung ging, verlor die Show übrigens rund eine Viertelmillion Zuschauer insgesamt und satte 300.000 in der Zielgruppe. Damals schaffte die Premieren-Folge der dritten Staffel vorläufig gewichtete 19,3 Prozent Marktanteil. Übrigens: Offenbar war eine erneute Januar-Ausstrahlung angesichts des Dschungelcamp-Walk-of-Shame von den Produzenten angedacht gewesen. Die ausgeschiedenen Kandidaten landeten direkt im RTL-Format. Es ist ein Rätsel, warum ProSieben diesen mit Liebe gemachten Gag wegen der möglicherweise verspäteten Ausstrahlung nur halb zünden ließ.
Stichwort RTL: Dort kehrte ebenfalls ein Quotengarant ins Programm am Freitagabend zurück und «Let’s Dance» hielt die Zielgruppen-Reichweite im Gegensatz zu den genannten ProSieben-Formaten nahezu auf Augenhöhe mit dem Vorjahr. Die „Wer tanzt mit wem?“-Sendung lockte 2022 1,39 Millionen an, diesmal waren es 1,30 Millionen, sodass der Marktanteil von 21,3 auf 22,7 Prozent anstieg. Heidi Klums Reality-Show verlor dagegen fast 400.000 junge Zuschauer. Auch die Quote sank von 20,4 Anfang Februar 2022 auf nun 19,9 Prozent. Neben Sportübertragungen war «Let’s Dance» damit der große Wochen-Gewinner, denn keine andere Primetime-Show hatte eine größere Reichweite beim werberelevanten Publikum.
Freilich wird RTL für die 16. Staffel der Tanzsendung in diesem Jahr keinen Innovationspreis gewinnen, doch das ist dem deutschen TV-Publikum offenbar auch gar nicht so wichtig. Es dominieren bekannte Fernseh-Marken und alles, was neu ist tut sich derzeit eher schwer. Dies musste in den vergangenen Wochen auch Sat.1 am Donnerstag schmerzhaft erfahren, denn außer «Blackout» funktionierte am neuen Serien-Donnerstag bislang nur wenig, und selbst «Blackout» war nicht durchgehend ein Erfolg. Richtig mies lief es aber für die Deutschlandpremiere von «Litvinenko», das gegen die Model-Suche völlig chancenlos blieb und von 3,0 Prozent durch gerade mal 200.000 14- bis 49-jährige Zuschauer auf 110.000 Seher und 1,8 Prozent abrutschte. Generell funktionierte bei Sat.1 zuletzt nur wenig. Am Montag ging die zweite Ausgabe der «Sat.1 Kult-Show-Wochen» mit 5,0 Prozent baden und «Mein Mann kann» kam in der Primetime am Freitagabend nicht über 4,2 Prozent hinaus. Der Bällchensender sendet sich aktuell in die Bedeutungslosigkeit. Selbst «Das große Promi-Backen» bewegt sich nur noch im einstelligen Bereich. Erfolge liefert nur der Zauberei-Schüler «Harry Potter», der mindestens einmal im Jahr die komplette Filmreihe durchlaufen muss.
Shows bot aber auch die blaue Eins der ARD. Nach dem fantastischen Erfolg von «Klein gegen Groß» präsentierte Kai Pflaume am Samstag die 1.000. Folge von «Wer weiß denn sowas?» als große Samstagabend-Show – inklusive Smoking und Studioband. Geladen waren Gäste wie Markus Lanz, Günther Jauch, Katrin Bauerfeind und Joko Winterscheidt, die 1,02 Millionen junge Zuschauer anlockten und recht deutlich die Primetime vor «Deutschland sucht den Superstar» mit 0,74 Millionen gewann. Das ARD-Quiz fuhr 19,2 Prozent Marktanteil ein, die RTL-Castingshow 13,6 Prozent. „Jokos persönliches Best-of“ von «Joko & Klaas gegen ProSieben» schmierte dagegen mit 0,35 Millionen und 6,5 Prozent deutlich ab.
Es kommt Schwung ins Fernseh-Jahr, auch wenn der „Talk of the Town“, der ohnehin durch den vielfältig gewordenen Markt so nicht mehr zu existieren scheint, noch immer von alten Formaten bestimmt wird. Nach Nostalgie-Welle um Nostalgie-Welle – und die letzte Welle ist sicherlich noch durch die deutschen Wohnzimmer geschwappt – lässt die große Innovation allerdings noch weiter auf sich warten. Man kann nur hoffen, dass Senderchefs wieder mehr Wagnisse eingehen und diese nicht nur auf Sendeplatz-Wechsel beschränken.
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