Interview

Noah Tinwa: ‚St. Pauli war ein Ort der Freiheit‘

von

Die 1980er Jahre Reeperbahn in Hamburg werden in der neuen Serie «Luden» erzählt, die Amazon nun ausstrahlt.

Hallo Herr Tinwa. Wie oft waren Sie schon privat auf der Reeperbahn?
Hallo! Ich war tatsächlich zur Vorbereitung für «Luden» zum ersten Mal dort. Über die Reeperbahn habe ich aber vorher bereits viel gehört.

Hamburg ist die zweitgrößte Stadt des Landes. Haben Sie diese schon öfters besucht?
Als kleines Kind war ich mal im Musical «König der Löwen». Für den Rest von Hamburg, mitsamt Reeperbahn war ich damals aber noch zu jung. Das zweite Mal Hamburg war tatsächlich zur Vorbereitung auf die Serie.

Die Stadt baut ein neues Bürozentrum in Form einer PlayStation in Altona, die Elbphilharmonie ist ein Wahrzeichen geworden. Brauchen Städte solche Prachtbauten?
Ich persönlich denke oft, am Beispiel Berlin, dass nicht der Berliner Fernsehturm und das Brandenburger Tor Berlin ausmachen, sondern die einzelnen Bezirke oder andere Dinge wie Kultur und Toleranz. Das kann man aber natürlich nicht wirklich immer bildlich festhalten, insofern kann man diese Werte einer Stadt ja wunderbar mit Wahrzeichen verbinden. Ich mag den Alex und auch das Brandenburger Tor, auch wenn ich da selten bin. Wichtig ist mir nur, dass die Stadt auch in ihre Bürger investiert und nicht nur versucht die Metropole attraktiver für Touristen zu machen. Gleichzeitig müssen wir Bürger akzeptieren, dass wir in einer Metropole leben und in vielen Bezirken Touristen dazugehören. Ich mag Wahrzeichen, mir ist nur ein gesundes Maß zwischen Touristeninvestition und der Investition in die eigenen Bürger wichtig.

Sie stammen aus Berlin. Inwiefern unterscheidet sich Berlin von Hamburg?
Ich finde tatsächlich gar nicht so sehr. Auf den ersten Blick, denn alles in Hamburg habe ich noch nicht gesehen. Trotzdem finde ich Hamburg sehr schön, mag die frische Luft und das Fischbrötchen am Hafen. Also alles Dinge, die Berlin so nicht hat. Ich habe auch das Gefühl, dass der Dialekt in Hamburg noch eine größere Rolle spielt als in Berlin, was ich als Berliner sehr schade finde und mir auch für hier wünschen würde. Hamburg ist um ehrlich zu sein die einzige Stadt, bei er ich mir noch vorstellen könnte, hinzuziehen.

«Luden» spielt Anfang der 80er Jahre und handelt von der Reeperbahn. Ist St. Pauli ein Ort der Freiheit?
Damals war er das auf jeden Fall in größerem Maße als überall sonst in Deutschland. Meine Rolle, Bernd, hadert ja genau mit der Frage, ob er er selbst sein kann oder nicht. Und ich glaube da, wo er sich befindet, ist der beste Ort das zu tun und sich als Linda auf die Straße zu wagen. Insofern denke ich, schon dass St. Pauli ein Ort der Freiheit war – im Vergleich zum Rest von Deutschland. Aber nicht nur in positivem Sinne, es war gleichzeitig auch ein Ort der Maßlosigkeit und Selbstjustiz. Dadurch, dass die Politik dort wenig zu melden hatte, konnte der Ort so frei sein wie er war, aber gleichzeitig eben auch gewaltvoll und trist. Insofern war auch die Angst größer davor, vogelfrei zu sein, sobald man ist, wer man ist. Ich möchte aber betonen, dass ich etwas später geboren bin und Zeitzeugen, auch solche die sich wie Bernd im falschen Körper fühlen oder gefühlt haben, sicherlich mehr darüber erzählen können.

Die Amazon-Serie handelt von der Gründung eines Zuhälter-Kartells, das den Kiez kontrollieren möchte. Kann man den Inhalt so zusammenfassen?
Kurz und knapp, warum nicht.

Ihre Rolle ist die des Bernd Kühnes. Wie ist ihr Charakter aufgebaut?
Bernd Kühne ist der Dritte und das Köpfchen im Dreiergespann bestehend aus Klaus (gespielt von Aaron Hilmer), Andi (gespielt von Henning Flüsloh) und ihm. Die Zwei sind seine besten Freunde seit Schulzeiten. Bernd wächst bei seiner alleinerziehenden Mutter Ingrid auf (gespielt von Anne Weber) und hilft ihr beim Familienbetrieb – der Wäscherei Kühne. Die läuft aber nicht gut und – wie bei Andi und Klaus – fehlt das Geld an allen Ecken und Enden. Bernds sämtliche Versuche, Karriere zu machen, scheitern aufgrund von sozialer Herkunft, Bildung und Hautfarbe. Obwohl er eigentlich ein helles Köpfchen ist, was aber bisher niemand außer seiner Freunde Andi und Klaus wirklich sieht.
Und Bernd hat ein Geheimnis, was wirklich niemand weiß. Er fühlt sich im falschen Körper und würde am allerliebsten als Linda über die Reeperbahn flanieren. Als er als Wirtschafter der Nutella Bande erstes großes Geld verdient, beginnt er, sich Linda auch körperlich zu nähern und nimmt regelmäßig Hormone ein, die ihm Freundin und Transfrau Babette (gespielt von Thea Ehre) besorgt. Doch das beide Rollen parallel zu spielen irgendwann schwierig werden könnte, wird beiden – sowohl Linda als auch Bernd – erst später bewusst…

Laura Lackmann und Stefan Lukacs, sonst vorwiegend im Bereich des Kinos unterwegs, führten Regie. Waren Sie mit ihnen zufrieden?
Absolut. Ich finde die Arbeit mit Regie ist oft wie ein Fußballspiel. Es kann hitzig werden, beide wollen das Richtige, man arbeitet eng und intensiv zusammen, aber nach dem Spiel liegt man sich in den Armen. Diese Energie liebe ich.

Haben Sie die gesamte Serie schon sehen können?
Ja, wir hatten ein paar Wochen vor Veröffentlichung eine ganz wunderbare, kleine, interne Vorführung.

Im vergangenen Jahr spielten Sie in «The Ordinaries» mit. Welche Projekte stehen nun an?
Ich hoffe so einiges! Erstmal kommt «The Ordinaries» ab 30. März bundesweit in die Kinos. Und des Weiteren folgt u.a. ein weiterer Kinofilm mit dem vorläufigen Titel «Unspoken» von Piotr Lewandowski. Bei diesem Film haben Henning Flüsloh (Andi) und ich direkt zum zweiten Mal zusammen gespielt. Mehr zu Erscheinungsdatum o.ä. kann ich aber noch nicht sagen, freue mich aber auf alles was kommt!

Danke für Ihre Zeit!

«Luden» ist ab Freitag, den 3. März, bei Amazon zu sehen.

Kurz-URL: qmde.de/140462
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