Die Kritiker

«Tatort – Hackl»

von

Der junge Adam trägt keinen Helm bei der Fahrt mit seinem Motorrad durchs nächtliche München. Es passiert, was passieren muss. Er stürzt, bricht sich das Genick und stirbt. Dennoch wirft sein Unfall Fragen auf, denn ein Zeuge will gesehen haben, dass jemand mit einem Laserpointer herumgespielt hat.

Stab

BESETZUNG: Miroslav Nemec, Udo Wachtveitl, Burghard Klaußner, Ferdinand Hofer, Carolin Conrad, Hanna Scheibe, Lorenzo Germeno, Robert Joseph Bartl, Berivan Kaya, Joshua Kimmich, Irina Kurbanova
REGIE: Katharina Bischof
DREHBUCH: Dagmar Gabler
PRODUKTION: Martin Choroba, Philipp Schall, Eva Gerstenberg
MUSIK: Jessica de Rooij
KAMERA: Robert von Münchhofen
SCHNITT: Florain Duffe
Wo sich diese Person aufgehalten hat, kann der Zeuge nicht sagen. Aber nun liegt der Verdacht in der Luft. Der 91. Fall für Leitmayr und Batic entstand unter der Regie von Katharina Bischof («Tatort: Luna frisst oder stirbt») nach einem Drehbuch von Dagmar Gabler («Tatort: Wir – Ihr – Sie»). Die Geschichte führt in eine Vorstadt Münchens, wo nette Bungalows und hohe Plattenbauten Seite an Seite stehen, wo eher wenig passiert und wo man eben lebt. Ein Ort wie viele andere seiner Art. Der Tod des jungen Adam schockiert die Menschen, denn die, die den jungen Mann kannten, reden nur gut über ihn. Freundlich, humorvoll sei er gewesen. Ein anständiger junger Mann, mit einer netten Freundin. Niemand spricht auch nur im Ansatz böse über ihn.

Einzig ein Nachbar fällt aus der Reihe. Johannes Bonifaz Hackl. Ein Rentner, den niemand leiden kann. Nicht zu Unrecht. Hackl ist nicht einfach nur ein Querulant. Er ist ein Arschloch. Warum schöne Worte für einen wie ihn finden? Niemand weiß das besser als Leitmayr, der diesen Hackl kennt. Vor 20 Jahren hat Hackl Franz Leitmayr bei einer Festnahme so heftig in den Finger gebissen, dass dieser bis heute eine Narbe davonträgt. Dieser Hackl ist kein Verbrecher im üblichen Sinne. Er ist ein Mann, der einfach recht haben will. Sein Leben ist das Leben, das richtig ist. Und wer das anders sieht, … Sein Vorstrafenregister beweist, dass er kein Mann ist, der Diskussionen zivilisiert zu führen pflegt. Hackl ist ein Rechthaber der übelsten Sorte und ja, er ist der eine, der mit Adam in Streit geraten ist.

Die Kommissare sind sich der in Hackl schlummernden Gefahr bewusst. Trotzdem haben beide eine unterschiedliche Herangehensweise, um den alten 'Grantler' zu knacken. Batic wechselt direkt in die härtere Gangart, während Leitmayr einen etwas milderen Blick auf den mittlerweile alten, vereinsamten Mann hat. Obwohl Hackl in den Fokus der Ermittlungen gerät und durch sein ungehobeltes Auftreten und der Verweigerung jeglicher Kooperation selbst dazu beiträgt, dass sogar ein Haftbefehl gegen ihn erwirkt wird, ermitteln Leitmayr und Batic weiter und haben bald schon einen zweiten Verdächtigen: Jonas, einen Jungen aus der Nachbarschaft, der offenbar auch mit Adam über Kreuz lag.

«Hackl» ist ein schwieriger Film, der nicht wirklich eine Linie findet. Vor allem die titelgebende Figur macht es sehr schwer, einen echten Zugang zu der Geschichte zu finden. Hackl ist doch arg überzeichnet. Natürlich trägt einer wie er eine Brille mit billigen Gläsern, deren Gestell bereits 1985 außer Mode war, der Tirolerhut darf ebenso wenig fehlen wie der hauseigene Dackel. Selbst der Hinweis, dass es solche Querulanten in der Realität gibt, ändert nichts an der Tatsache, dass weniger manchmal mehr sein kann. Aber es reicht eben nicht, Hackl nur als einen unsympathischen, verbiesterten, miesen alten Kerl zu zeigen, der nicht erst im Alter zum Querulanten mutiert ist, sondern der seiner Umwelt im Grunde seit dem Tag, an dem er durch den Geburtskanal gerutscht ist, auf die Nerven geht. Dieses liederliche Wesen muss natürlich auch äußerlich auf den ersten Blick als solches erkannt werden. Auch wird nie wirklich ersichtlich, warum Leitmayr mit diesem Kerl so etwas wie Mitleid empfindet. Sicher, er ist ein alter Mann, der die Welt nicht mehr versteht. Aber die Geschichte lässt nie auch nur einen Moment den Verdacht aufkommen, dass dieser Hackl jemals anders gewesen wäre.

Irgendwann erkennt die Geschichte, dass Hackl als Verdächtiger alleine nicht ausreicht und präsentiert mit Jonas einen zweiten Verdachtsfall. Auch Jonas hadert mit der Welt. Allerdings aus anderen Gründen, die an dieser Stelle erst einmal keine Rolle spielen sollen, weil sie zu viel von der Handlung vorwegnähmen.

Es ist nicht wirklich klar, was für eine Art von Geschichte dieser «Tatort» eigentlich erzählen möchte. Ist es eine Geschichte über die Einsamkeit in der Vorstadt, wo man jeden Tag Tür an Tür mit vielen Menschen lebt – und doch irgendwie alleine ist? Ist es eine Geschichte über Konflikte, die eher unbemerkt eskalieren?

Zäh vergeht die Spielzeit. Die Hauptdarsteller agieren gewohnt souverän, die Kamera fängt einige wirklich sehr schöne Bilder ein. Aber als Kriminalfilm ist dieser «Tatort» nur leidlich spannend, als «Drama» zu wage in seinen Absichten.

Im Grunde bleibt am Ende von diesem «Tatort» nicht viel übrig. Außer einem Gastauftritt von Bayer-Fußballer Joshua Kimmich in der Rolle eines Fitnesstrainers. Immerhin fällt der Gastauftritt nicht auf, was bedeutet, dass der Nationalspieler seinen Job anständig ausübt. Es hat wahrlich schon schlechtere Cameos im «Tatort» gegeben.

Offenlegung: In diesem Text wurden im Rahmen der Inhaltsangabe Textschnipsel aus der Pressemappe des Bayerischen Rundfunks verwendet.

Am Sonntag, 05. Märt 2023 im Ersten (20.15 Uhr)

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