Im April 2020 stand die Welt aufgrund des neuartigen Corona-Virus still. Auch in der Fußball-Bundesliga rollte kein Ball mehr. Doch schon Ende des Monats setzten sich prominente Persönlichkeiten des Sports dafür ein, dass wieder angepfiffen wird. Allen voran Karl-Heinz Rummenigge, der einst starke Mann des Branchenprimus FC Bayern München, der von einer „wichtigen Signalwirkung“ sprach. Rummenigge rief für den Fußball eine neue Demut aus.
Viel geblieben ist davon nichts. Der englische Top-Klub FC Chelsea verpflichtete in den vergangenen Monaten – in Kriegs- und Krisenzeiten – Spieler für mehr als eine halbe Milliarde Euro, die FIFA hat jüngst beschlossen die Fußball-Weltmeisterschaft 2026 auf 104 Spiele über 40 Tage aufzublähen und auch hierzulande nimmt sich der Fußball einiges heraus. Uli Hoeneß, jahrzehntelang der andere starke Mann beim FC Bayern, mahnte, dass die Medien doch gefälligst weniger kritisch über den DFB zu berichten hätten und dass die öffentlich-rechtliche Berichterstattung rund um die höchstumstrittene WM in Katar sich viel zu wenig um den Sport gedreht hätte. Drei Jahre nach der angekündigten Demut möchte sich der Fußball – zu häufig – der Kritik widersetzen. Streamingdienste produzieren Doku-Serien, die die Zuschauer angeblich hinter die Kulissen führen, echten Mehrwert bieten sie aber kaum, denn wo es interessant wird, greift der Verein zum Rotstift.
Medienabteilungen bügeln alles glatt, was Angriffsfläche bieten könnte. Besonders auffällig ist dieses Prozedere derzeit in Leipzig, wo der österreichische Red-Bull-Konzern vor einigen Jahren die Chance sah, sein Getränk mithilfe des Fußballs zu vermarkten. Daraus entstand RB Leipzig, für viele das absolute Feindbild des modernen Fußballs. Auch der heutige Sportdirektor Max Eberl echauffierte sich zu seinen Gladbacher-Zeiten über das Konstrukt, das eng mit dem Salzburger Retortenklub verbandelt war. Inzwischen nutzt er das Netzwerk selbst und verpflichtete kürzlich Nicolas Seiwald – mithilfe einer Ausstiegsklausel, wie Eberl zuletzt in der Sport1-Sendung «Doppelpass» betonte. Nicht nur das, sondern vor allem die Tatsache, dass Max Eberl zuletzt immer wieder verdeutlichte, wie ausgesprochen angenehm die Arbeit am Fußball in Leipzig sei, weil es dort mehr um Fußball gehe als bei dessen alten Verein (der Seitenhieb an den Niederrhein ist angekommen). Eberl sprach in diesem Zusammenhang auch über die Anfänge des Leipziger Klubs und ließ nicht unerwähnt, dass RB Leipzig „definitiv eine Anschubfinanzierung“ bekommen habe. Die Fanszene in Gladbach schäumt inzwischen vor Wut ob dieses Wordings.
Die Gladbacher Fans werden nicht müde ihren ehemaligen Manager für dessen Anstellung beim verhassten Liga-Konkurrenten zu kritisieren. Zugegeben: Manche Kritik geht definitiv unter die Gürtellinie, aber Eberl hat sich nach seinem krankheitsbedingten Ausstieg bei Gladbach bewusst sein müssen, dass ein Wechsel zu Leipzig mehr als nur harsche Kritik hervorrufen würde. Inzwischen versucht sich Eberl darin, sein neues Engagement zu begründen, sah sich dabei aber immer wieder mit Aussagen aus seiner Gladbacher-Zeit konfrontiert, bei denen er häufig eben jenes Konstrukt scharf kritisierte. So hatte er immer wieder hervorgehoben, der Erfolg mit Borussia Mönchengladbach ohne fremde Investoren geschafft zu haben.
Am vergangenen Wochenende trafen die Leipziger nun auf Eberls Ex-Klub. Der Manager hielt sich im Vorfeld mit öffentlichen Auftritten zurück, war aber am Folgetag in besagtem «Doppelpass» zu Gast. Nun hätte er am Samstag den nächsten öffentlichen Auftritt gehabt. Er sollte Jochen Breyer in Mainz im «aktuellen sportstudio» besuchen. Zu diesem Interview kommt es aber nun nicht. Der Sender verzichtet auf einen Auftritt des 49-Jährigen, da auf Eberls Wunsch hin „bestimmte Themen ('Causa Gladbach') weitgehend“ ausgeklammert werden sollten, wie zahlreiche Medien übereinstimmend berichteten. Via Twitter ließ das ZDF Folgendes verlauten: „Max Eberl, Geschäftsführer Sport von RB Leipzig, kommt am Samstag, 18.3.2023, nicht ins «aktuelle sportstudio». Seinem Wunsch, Themen im Gespräch auszuklammern (‚Causa Gladbach‘), kann die Redaktion nicht entsprechen.“
Die „Leipziger Volkszeitung“ zitierte Eberl ausführlich. Darin heißt es, dass Eberl „nach einer frühzeitigen Zusage von meinem Besuch im Sportstudio“ absehe. „In den vergangenen Wochen – gerade rund um das Bundesligaspiel gegen Mönchengladbach – haben einige emotionale Themen abseits des Platzes sehr viel Raum in der öffentlichen Diskussion eingenommen. Ich habe mich diesen Themen gestellt, obwohl ich mit ihnen eigentlich längst abschließen wollte. Vielmehr wurde es mir teilweise so ausgelegt, als würde ich die Diskussionen aktiv anheizen wollen. Das war, bei aller Emotion, nicht meine Absicht. Selbstverständlich würde das Sportstudio-Team rund um Jochen Breyer, ausgelöst durch meinen Besuch, erneut ausführlich über all diese Dinge berichten“, so Eberl weiter. Er signalisierte sogar Verständnis, doch: „Für mich haben die Umstände des vergangenen Wochenendes die Bewertungsgrundlage für einen Besuch jedoch grundlegend verändert. Aus meiner Sicht ist mehrfach alles gesagt worden. Ich möchte es nun dabei belassen, einen Haken an das Thema setzen und nach vorne blicken.“
Wer nun wem abgesagt hat, ist im Endeffekt irrelevant, Max Eberl wird nicht am Samstagabend im ZDF-Hauptprogramm zu sehen sein. Es bleibt aber der Eindruck, dass sich Max Eberl auf einer größeren Bühne und in höchstwahrscheinlich deutlich ernsterer Interview-Stimmung als bei Sport1 nicht erneut der durchaus berechtigten Kritik aussetzen und seine teilweise falschen Aussagen einer genaueren und kritischeren Prüfung unterziehen wollte. Jochen Breyer ist inzwischen bekannt für seine kritischen Nachfragen und das vollständige Aufarbeiten seiner Themen. Dies hat er zuletzt eindrucksvoll in seiner WM-Dokumentation «Geheimsache Katar» unter Beweis gestellt. Vor zwei Jahren grillte er bereits Karl-Heinz Rummenigge an selber Stelle und ließ nicht locker als es um das Sponsoring von Katar beim FC Bayern München ging. Mit der etwaigen Absage an Max Eberl beweist das ZDF und stellvertretend Jochen Breyer einmal mehr seine Integrität. Frei nach dem Motto: ‚Glatt gebügelt wird hier nicht!‘ Während Fans und Beobachter des Fußballs weiter auf die Demut warten, muss sich eine Person in einem hochöffentlichen Beruf mit gerechtfertigter Kritik auseinandersetzen, ob er das will oder nicht.
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