Die Kritiker

«Unbestechlich»

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Nach einem Einsatz gegen Drogenhändler auf einem Rangierbahnhof in Düsseldorf, widersprechen sich die Berichte über die gefundene Menge an Kokain. Während der offizielle Bericht von 500 Gramm spricht, berichtet ein am Einsatz beteiligte Polizist von 800 Gramm. Was auch mit der Aussage eines verhafteten Dealers anfangs übereinstimmt. Haben etwa Polizisten die Gunst der Stunde für sich genutzt?

Stab

STAB
BESETZUNG: Michael Klammer, Samia Chancrin, Maja Schöne, Alex Brendemühl, Anton Rubtsov, Christian Hockenbrink, Angelika Bartsch, Peter Sikorski, Niko Likic
BUCH: Klaus Burck und Jens Anders nach einer Idee von Malte Can
REGIE: Christiane Balthasar
KAMERA: elix Poplawsky
MUSIK: Michael Kadelbach
SCHNITT: William James
KOSTÜME: Dorothée Kriener
Ein neues Ermittlerteam für den Montagskrimi im ZDF. Und das hat es nicht einfach, denn die Kommissare Joseph Kanjaa und Clarissa Jakobs ermitteln gegen Polizisten. Das macht sie nicht gerade zu den beliebtesten Gesetzeshütern beim Düsseldorfer LKA. Ihre Abteilung ist nicht nur neu, die beiden sind auch ihre einzigen Angehörigen. Dargestellt werden diese beiden neuen Ermittler von dem Südtiroler Michael Klammer und der Münchenerin Samia Chancrin, die man wahrscheinlich als einen Glücksfall für diese Reihe bezeichnen darf, denn zwischen den beiden stimmt die Chemie vom ersten Moment an – so unterschiedlich ihre Rollen auch angelegt sein mögen. Joseph Kanjaa ist daran gewöhnt, ein Außenseiter zu sein. Er ist dunkelhäutig und auch wenn es nur sehr dezent am Rande Erwähnung findet, ist Kanjaa ein Mann, der Ausgrenzung und Rassismus am eigenen Leib erlebt hat. Dieser Joseph Kanjaa ist aber auch ein Idealist, um nicht zu sagen, er ist ein Moralist. Er stellt höchste Ansprüche an das Wirken der Polizei. Diesbezüglich ist er unerbittlich. Allerdings kann er es sich auch erlauben, denn er muss niemanden gefallen. Joseph ist wohlhabend. Woher sein Geld stammt, wird in diesem Film noch nicht thematisiert. Aber er ist so wohlhabend, dass er nicht arbeiten müsste. Clarissa Jakobs ist anders. Sie ist geradeaus, sie lässt Fünfe schon einmal gerade sein, sie handelt vielleicht weniger überlegt als ihr Kollege. Aber: Auch sie ist ehrlich. Was ihr Ärger eingebracht hat. Im Gegensatz zu Joseph, der diese Abteilung wollte und dafür Beziehungen hat spielen lassen, ist Clarissa quasi auf diesen Posten abgeschoben worden. Sie hat einige Zeit auf dem Balkan gearbeitet, um dort Kriegsverbrecher zu überführen. Dabei hat sie einen mutmaßlichen, nie für seine Verbrechen angeklagten Ex-Milizionär etwas hart angefasst und für diplomatische Irritationen gesorgt. Das heißt: Sie ist eine ehrliche Polizistin, allerdings hat der Vorfall ihre Karriere recht derbe abstürzen lassen. Eine Freundin (von der nie ganz klar wird, in welcher Position sie in der Polizei-Hierarchie oder Landesregierung sie eigentlich tätig ist), hat sie nun quasi bei Joseph „geparkt“, um sie etwas aus der Schusslinie zu nehmen.

Die beiden Charaktere funktionieren vom ersten Moment an, auch wenn Josephs Moralansprüche recht überhöht wirken mögen. Das ist aber in Ordnung, denn die Autoren Klaus Burck und Jens Anders machen gar keinen Hehl daraus, dass ihre Hauptfiguren fast schon Prototypen des angelsächsischen (vornehmlich amerikanischen) Kriminalspiels kopieren, die dort mit großem Erfolg auf Ermittlungstour gehen. In den USA wäre Joseph der Universitätsabsolvent mit einer umfassenden (humanistischen) Bildung und Clarissa die Polizistin aus der Working Class, die sich nach oben geboxt hat. Warum das Rad neu erfinden, wenn es rund läuft?

So sehr Michael Klammer und Samia Chancrin vom ersten Moment an miteinander harmonieren, sich die Bälle zuwerfen und ihre Charaktere mit Leben erfüllen, überzeugen kann dieser erster Spielfilm bedauerlicherweise nur teilweise.

Die Ausgangssituation ist nicht ohne Reiz. Alex Brendemühl ist Kommissar Stefan Krohn, der Chef einer kleinen Ermittlungseinheit, die vorwiegend ihren Blick auf Drogenhändler wirft, die man als Dealer aus der zweiten Liga bezeichnen könnte. Es sind keine großen Fische, aber es sind auch keine Hinterhof-Pusher. Die Geschichte beginnt mit einem Einsatz, der nicht ganz so verläuft, wie er das soll. Einer der Händler kann flüchten und entgegen der ausdrücklichen Order Krohns nimmt ein neuer, junger Kollege, Timo, die Verfolgung des Mannes auf – um kurze Zeit später direkt in einen Pistolenlauf zu blicken. Bevor es jedoch zum Äußersten kommt, kann Krohn den Angreifer durch einen gezielten Schuss in die Schulter zur Strecke bringen.

Der Einsatz hat demnach mehr Aufsehen erregt, als Krohn lieb sein kann. Er hat Timo nicht nur die Order gegeben, keine Verfolgung aufzunehmen, um den jungen Mann zu schützen, da er noch etwas unerfahren in diesem Einsatzbereich ist. Er hat Timo diese Order auch gegeben, weil er der einzige in seinem Team ist, der sich nicht hin und wieder an Beschlagnahmungen bereichert. Trotz des Aufsehens, den der Einsatz erzeugt, zieht Stefan den ursprünglichen Plan durch. Er lässt von den 800 Gramm Koks 300 verschwinden, gleichzeitig verschwindet aus dem Geldsack des Drogenkäufers der Betrag, der für den Ankauf von 300 Gramm Koks auf dem Markt bezahlt würde. Angst vor dem Auffliegen müssen die Polizisten eigentlich nicht haben. Sollte der Koks-Händler sie verklagen? Der gewinnt letztlich ja auch, denn 500 Gramm sehen vor Gericht besser aus als 800.

Doch ganz geht der Plan nicht auf, denn in einer ersten Vernehmung erwähnt der Dealer 800 Gramm Kokain, was mit einer später korrigierten Aktennotiz übereinstimmt, denn: Das Kokain wurde zweimal gewogen, wobei das erste Wiegen stattfand, bevor einer von Stefans Männer ihren Anteil abgezweigt hat. Dieses erste Ergebnis wird zwar zu einem späteren Zeitpunkt als Fehler in den Unterlagen vermerkt, nur stimmt die Messung des angeblich falschen Wiegens mit der ersten Aussage des Dealers überein. Ja, der ersten, denn auch dessen Anwalt lässt zu einem späteren Zeitpunkt die Aussage auf 500 korrigieren.

Für Joseph steht fest, dass die Geschichte mit den falschen Werten faul ist. Und dann ist da das Geld, welches die Polizisten gestohlen haben. Es ist unbrauchbar, denn es stammt aus einem Überfall und ist markiert. Jospeh weiß aus Erfahrung, dass Polizisten, die Geld stehlen, dieses meist nicht unter das Kopfkissen legen. Sie haben Gründe – und meist auch dringende Verpflichtungen. Das bedeutet, dass Krohns Truppe möglichst schnell wieder zugreifen muss, was Joseph und Clarissa die Möglichkeit gibt, den korrupten Polizisten eine Falle zu stellen.

Das Problem von «Unbestechlich» besteht darin, dass dem Film recht schnell die Luft ausgeht. Ist der Anfang recht spannend und dicht inszeniert und werden die handelnden Figuren schnell etabliert, gerät die Story ab etwa der Mitte der Spielzeit aus dem Takt. «Unbestechlich» beginnt Spielzeit zu schinden. Da müssen kleinere Konflikte zwischen Joseph und Clarissa aufgebaut werden, die für den eigentlich Fall kaum Bewandtnis haben. Es werden Spannungsmomente kreiert, die keine echten Überraschungen oder unvorhergesehene Wendungen einleiten. Nach etwa der Hälfte der Spielzeit wirkt «Unbestechlich», als habe es sich ursprünglich um den Pilotfilm einer Vorabend-Krimiserie gehandelt, eine 45-minütige Einstiegsepisode mit einem an sich simplen, aber effektiven Fall, der die Hauptfiguren einführt - und dessen Handlung vor allem den Hauptcharakteren viel Platz bietet, um sich zu definieren. «Unbestechlich» muss allerdings auch den Antagonisten nun ihren Platz einräumen. Die aber bieten nicht viel mehr als Klischees. Die Frau im Team etwa klaut, weil ihr Mann bei einem Einsatz angeschossen worden ist und sie nach einem Hauskauf in finanzielle Probleme geraten sind. Das kann man machen, das funktioniert auch: die doch recht persönlichen Szenen zwischen ihr und ihrem Mann aber bleiben keine kurzen Blinklichter, die kurz und knapp ihr Motiv erklären würden. Stattdessen wird die große Dramapeitsche aus dem Keller geholt, die diesen Handlungsstrang überproportional in den Mittelpunkt stellt, ohne, dass sich daraus so etwas wie Spannung ergeben würde. Einzig Spielzeit, ja, die wird dadurch geschunden.

«Unbestechlich» zeigt Potenzial. Das ist keine Frage. Die Frage lautet stattdessen, ob das Format (zwei gute Bullen gegen den Rest der Welt) so, wie es hier aufbereitet wird, nicht besser im Rahmen einer 45- oder 60-Minuten-pro-Episode-Serie besser aufgehoben wäre. Diesem ersten Fall zumindest gelingt es nicht, seine 90 Minuten Spielzeit mit seiner Handlung füllen.

Am Montag, 27. März 2023, 20.15 Uhr, ZDF

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