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Dick Cheney, damaliger Vizepräsident, unterstellte dass John Kerry viel zu schwach als amerikanischer Präsident sei. Mit ihm als obersten Lenker der USA könnte das eine Einladung vieler Staaten sein, in Amerika einzufallen. „Das ist eine schreckliche Aussage“, sagte Trump in das Mikrofon. „Es sei denn, er kommt damit durch“. Das Vortäuschen oder gar Lügen in den Medien ist seit Jahrzehnten völlig normal. Es ist die Aufgabe der Journalisten, diese Aussagen mit Fakten zu widerlegen.
Während die amerikanischen Fernsehsender und Tageszeitungen mit den Aussagen von Trump zu kämpfen hatten, war in der Bundesrepublik Deutschland die Alternative für Deutschland (AfD) ein solcher Kandidat, um falsche Wahrheiten zu verbreiten. Zunächst wurde die Partei vor rund zehn Jahren als Gegenvorschlag zu den etablierten Parteien gegründet. Die Parteispitze um Bernd Lucke war von einem Umschulden von Italien und Griechenland nicht begeistert, seiner Meinung nach hätte man die gemeinsame Währung beenden sollen. Doch mit dem Krieg in Syrien und dem riesigen Flüchtlingsstrom etablierte sich in der Partei seit dem Essener Parteitag im Jahr 2015 ein rechtes Lager.
Die Partei versuchte nicht nur Feindbilder mit ihrer Rhetorik zu erzeugen, sondern auch Klassenunterschiede zu etablieren. Flüchtlinge seien beispielsweise die „Sozialschmarotzer“ (Volker Bartz), der Islam sei eine Bedrohung, Deutschland stünde eine Islamisierung im Haus. Die Alternative für Deutschland setze sich für ein klassisch konservativ-rechtes Weltbild ein. Dass man davon profitieren möchte, zeigt der Lebensstil von Alice Weidel, die mit einer aus Sri Lanka stammenden Frau liiert ist und mit ihr zwei Söhne in einem linksalternativen Milieu in der Schweiz aufzieht.
Doch Bilder von dem Paar sind in der Presse kaum zugegen. Stattdessen befeuert Weidel weiter den Typus des alten Familienbildes, immerhin wollte die Partei ihr Wahlergebnis vergrößern. Ein ähnliches Bild ist auch bei der Christlich Sozialen Union (CSU) beim Politischen Aschermittwoch zu sehen. Ministerpräsident Markus Söder sprach vor über 4.000 Mitgliedern über die „schlechteste Regierung aller Zeiten“ in Berlin und über Fleischalternativen „Wir essen keine Maden, sondern Schweinsbraten“. Im Freistaat geht man mit solchen Parolen auf Stimmenfang. Wie der Sozialpsychologe Jonathan Haid („The Righteous Mind. Why Good People Are Divided by Politics and Region“) schreibt, ist es einfacher Gründe zu konstruieren, die die Personen selbst auch nachvollziehen können, um andere davon zu überzeugen. Heid sagte der Zeitschrift „Reason“: „Je leidenschaftlicher wir einer Sache gegenüber empfinden, desto wahrscheinlicher ist es, dass unser Denken verzerrt und unzuverlässiger ist“. Außerdem wissen die Akteure vor der Kamera, dass emotionale Reaktionen auf Problemstellungen ausgeschlachtet werden können. Daher muss das Ziel eben nicht sein, solche Aussagen entweder auszublenden oder unkommentiert stehen zu lassen. Ein Negativbeispiel sind oft die tagesaktuellen Nachrichten der Fernsehsender mit ihren Berichterstattungen zu Parteitagen oder Berichten aus dem Bundestag. In knapp 15 Minuten gibt es zu wenig Raum, um die vielen Punkte faktisch einzuordnen. Die Politiker wissen nämlich auch: Während «Tagesschau» und andere Formate auf rund 15 Millionen Zuschauer pro Tag kommen, werden die ausführlichen Berichte deutlich weniger gesehen. Informative Formate wie die gesellschafts-politischen Magazine im Ersten erreichen fast nie mehr als vier Millionen Zuschauer, die überregionalen Tageszeitungen kratzen zusammen nicht einmal an der Millionen-Marke.
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Der Rechtsprofessor Dan Kahan von der Yale University fasst passend zusammen: „Glauben heißt Dazugehören“: Die „identitätsschützende Kognition“. Zurück also zur AfD, die in der Bundesrepublik das Feindbild mit den Flüchtlingen schürte. In den neuen Bundesländern ist die Arbeitslosenquote hoch, teilweise sind mehrere Branchen stark eingebrochen. Sowohl der Braunkohleabbau als auch der Schiffsbau erlebten einen massiven Stellenabbau. Mit rund zwei Millionen neuen Mitbürgern kann man in dünn besiedelten Kreisen, in denen immer mehr Menschen ihren Job verlieren, für diese rechte Partei Stimmen organisieren: Schließlich sitzen viele der Wähler im selben Boot oder haben Freunde oder Bekannte, die einen Stellenverlust erlebt haben.
Die sozialen Medien haben das Bild der Echokammern deutlich verstärkt. Mit Hilfe von Algorithmen bewegen sich die Nutzer oft in Bestätigungszirkeln. Obwohl sie oftmals auch reflektieren, dass sie in einer Gruppe mit ihresgleichen unterwegs sind, greifen nur wenige Menschen zu einem Mittel, um diesem Kreislauf zu entkommen: Man fühlt sich schließlich bei Gleichgesinnten wohl. Auch in Deutschland werden die Medien inzwischen in klare Ecken eingeordnet: Öffentlich-rechtlicher Rundfunk sei nach der Meinung von vielen Menschen eher „links-grün“, während der Axel-Springer-Verlag als „konservativ“ eingestuft werde. Das breite Spektrum mit zahlreichen linken wie rechts-konservativen Themen wird ausgelassen. Schließlich ist die Verkürzung Methode und wird von Diensten wie Twitter mit ihrer Zeichenbegrenzung auch noch gefördert.
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Unterm Strich kann man den Medien zum Teil den Vorwurf machen, dass sie ihre Berichterstattung so abkürzen, dass entsprechende Meinungen gebildet werden. Der Zuschauer oder Leser darf aber auch nicht davon ablenken, dass ein Thema mehr Platz zur Einordnung benötigt. In dieser vielschichtigen Welt, in der jeder Mensch an so viele Informationen wie noch nie gelangt, ist es umso erstaunlicher, dass dies nicht genutzt wird. Es ist daher schon bezeichnend, dass Nachrichten im Fernsehen seltener konsumiert werden und Tageszeitungen (auch digital) seltener abonniert werden. TikTok, Twitter und Co. lassen sind schnell und überall konsumierbar. Fraglich ist, ob die «Tagesschau» dort auch stattfinden sollte.
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