
Mit „Abgefucktes Küchendesaster“ begrüßte «Raue – Der Restaurantretter» die inzwischen dritte Auflage des RTL-Formates, in der ein Profikoch deutsche Wirtshäuser vor dem Untergang bewahrt. Raue, der in Berlin geborene Koch, der in zahlreichen unterschiedlichen Küchen arbeitete, ist seit 2017 mit der ehemaligen Chefredakteurin des Magazins „Rolling Pin“, Katharina Wolschner, verheiratet. Zusammen sind die Raues nun da, um deutsche Quereinsteiger vor dem gastronomischen Super-GAU zu bewahren.
Nur wenige hundert Meter nördlich von Koblenz, in Vallendar, befindet sich die „Genussküche“ der Schwestern Anke und Eva. Tim Raue ist, anders als man ihn von anderen VOX-Shows kennt, äußerst freundlich und zuvorkommend. Wie sollte es bei solchen Formaten auch anders sein, die Speisekarte ist völlig überfrachtet und so lässt sich auch nicht vermeiden, dass das erste Essen erst nach einer Dreiviertelstunde die Küche verlässt. In dieser arbeiten nicht nur Eva, sondern auch die Aushilfen Mo und Sebastian, weshalb sich der Zuschauer fragt, was die drei dort so lange fabrizieren. Die meisten Zutaten kommen aus dem Discounter, in dem wohl auch Anke und Eva weiterhin arbeiten.

Obwohl die zwei Schwestern und die zwei Aushilfsköche sich tagsüber auf den Füßen stehen, ist die Küche verdreckt. Zahlreiche Geräte funktionieren entweder nicht richtig, sind kaputt oder wurden über Wochen nicht gereinigt. Auch Rechnungen der Behörden, Lieferanten und anderen Gläubigern werden seit Wochen nicht geöffnet. Man ahnt schnell: Hier wird es wohl noch zu einem Showdown kommen. Doch zunächst beschwichtigt Tim Raue in der Küche, man werde ja schon alles schaffen, man müsse nur die Karte straffen und einen Weg finden. Oder ist das einfach nur falscher Ehrgeiz vor dem TV-Publikum?
Am nächsten Morgen kommt Schuldenberater Ralf in die „Genussküche“, um den Status Quo aufzuzeigen. 70.000 Euro sind die Schwestern inzwischen in der Kreide, darunter wichtige Posten wie Krankenkassen und Mitarbeiter. Den zwei Besitzerinnen werden also drei Möglichkeiten aufgezeigt: Das Restaurant schließen, „weiterwurschteln“ und mit den Gläubigern verhandeln oder Insolvenz anmelden. Sie entscheiden sich – wohl aus Naivität – für das Weitermachen. Eine Insolvenz hätte ihnen zumindest die Lohnkosten erspart, einen möglichen Schuldenschnitt gegeben und dafür gesorgt, dass sie nicht noch weiter in die Misere kommen.

Dem Fernsehzuschauer wird schnell klar, dass die Schwestern weder die geborenen Köchinnen noch die gelernten Betriebswirtschaftler sind. Man könnte spöttisch sagen, sie gehören zu dem Wasserkopf, der unnötige Kosten verursacht. Schon bei der Eröffnung, bei der die vier Mitarbeiter nur noch als Statisten dienen und Tim Raue allein in der Küche steht, setzt sich die Vermutung durch: Das Lokal wird nicht überleben. Einige Woche später kommen die Raues wieder, man habe am Wochenende ganz guten Umsatz, aber unter der Woche laufe es mäßig. Keine Überraschung, dass das „Schwesterlein“ in den Ruhestand ging. In der Sendung wurde zwar auch auf die gestiegenen Energie-Preise verwiesen, aber mit ein paar fancy Burgern für ein paar Studenten in einem hippen Berliner-Neukölln-Style lässt sich weder das große Geld verdienen noch ein Schuldenberg abbauen.
«Raue – Der Restaurantretter» ist zwar durchaus unterhaltsam, das kann man der Produktionsfirma Warner Bros. und RTL wirklich nicht verübeln. Es ist auch sehr gut hergestellt, aber man hat diese Art von Fernsehen gefühlt über 50-mal gesehen. Schade.
«Raue – Der Restaurantretter» läuft dienstags bei RTL und kann bei RTL+ gestreamt werden.
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