Stab
Studio: Bosque Ranch Productions Linson Entertainment MTV Entertainment StudiosNach einer Idee von Talor Sheridan
Regie: Taylor Sheridan, Christina Alexandra Voros, Ben Richardson
Darsteller: Isabel May (Elsa Dutton), Sam Elliott (Shea Brennan), Tim McGraw (James Dutton), Faith Hill (Margaret Dutton), LaMonica Garrett (Thomas), Marc Rissmann (Josef), Audie Rick (John Dutton), Eric Nelsen (Ennis), James Landry Hébert (Wade), Noah Le Gros (Colton), Gratiela Brancusi (Noemi), Billy Bo Thornton (Marshal Jim Courtright)
Musik: Brian Tyler, Breton Vivian
Producer: David Hutin
Kamera: Ben Richardson
Dennoch sein ein kurzer Blick auf das Original erlaubt: In den USA ist «Yellowstone» lange von der Kritik missachtet worden und auch heute gehört sie nicht gerade zu den Lieblingen der etablierten Film- und Fernsehkritik. Es ist nicht nur das Genre, das den Zugang schwierig macht - wobei die Frage gestellt werden darf, welchem Genre die Serie eigentlich zugeordnet werden darf. Thriller? Familiensaga? Moderner Western? Soap? Von allem etwas?
Die etablierte Film- und Serienkritik ist in den USA im Kern liberal geprägt. «Yellowstone» indes ist eine Serie, die nicht unbedingt liberale Werte im Sinne eines amerikanischen Küstenliberalismus vertritt. Die Hauptfigur der Serie, John Dutton III (Kevin Costner) mag ein Mann sein, der die Freiheit liebt. Seine Freiheit aber verteidigt er mit Waffen, er hält wenig von staatlicher Reglementierung, sein Bild der Heimat ist geprägt von Bildern aus dem Klischeebilderbuch des Wilden Westens. Nur in einer romantisierten Form der Gegenwart, in der man über endloses, grünes Weideland im Hubschrauber fliegt. John Dutton III gehört das größte, zusammenhängende Weideland der USA in Montana. Sein Besitz ist ein Staat im Staate. Und es ist ein Besitz, auf den es so mancher abgesehen hat. In den USA gilt «Yellowstone» als Lieblingsserie der Konservativen (Republikaner). Dutton mag ein harter Hund sein, vielleicht sogar ein Dreckskerl, aber immerhin kämpft er mit offenem Visier. Er verteidigt, was ihm gehört – meist gegen Männer von der Küste, die sich nie selbst die Finger schmutzig machen würden, um ihre Ziele zu erreichen.
In «Yellowstone» wird mehrfach auf die Geschichte der Familie hingewiesen. Darauf, dass sie dieses Land mit ihren eigenen Händen aufgebaut hat. Nichts ist der Familie geschenkt worden. Johns Vorfahren kamen. Sie bluteten. Sie überlebten. Sie lebten den amerikanischen Traum. Den «1883» jedoch eher als einen einzigen Albtraum darstellt.
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Bevor der Treck aufbricht, nimmt James seine mit dem Zug angereiste Familie in Fort Worth in Empfang. Seine Frau Margret, seine Tochter Elsa, seinen fünfjährigen Sohn John sowie seine Schwester Claire und deren Tochter Mary, zwei religiöse Eifererinnen, die Elsas Freiheitsdrang ebenso verabscheuen wie Margrets wenig damenhaftes Auftreten. Claire und Mary haben sich James' Idee, ein Stück Land in Oregon zu bewirtschaften, um dort eine eigene Ranch zu gründen, nur angeschlossen, da Claires Mann verstorben ist und sie nun alleine dastehen. Unversorgt.
So setzt sich der Treck in Bewegung.
«1883» macht keine Gefangenen. Kaum unterwegs, wird der Treck zum ersten Mal angegriffen, Siedler sterben. Shea holt direkt mit einem Marshal aus der nächstgelegenen Stadt zum Gegenschlag aus, der Prozesse eher lässlich findet und die Delinquenten gleich erschießt. Es herrscht Gewalt. Und wenn keine Banditen den Siedlern das Leben zur Hölle machen, sind es Klapperschlangen oder die Siedler selbst, von deinen einige keine Hemmungen haben, Witwen zu bestehlen, wenn diese nur einer Volksgruppe angehören, die sie in ihrer Heimat schon verachtet haben.
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Die Überraschung der Serie besteht darin, dass sie letztlich aus der Perspektive der Elsa erzählt wird. Taylor Sheridan ist mit dieser Perspektive ein Wagnis eingegangen. Die bei den Dreharbeiten gerade einmal 19-jährige Isabel May hätte an der Aufgabe scheitern können, so etwas wie das emotionale Zentrum des Filmes darzustellen. Doch sie trägt die Großproduktion mit erstaunlicher Leichtigkeit. Wirkt sie anfangs etwas vorlaut, naseweis, manchmal sogar etwas nervend, durchläuft sie im Verlauf der Handlung einen atemberaubenden Wandlungsprozess. Stets am Anfang und am Ende gibt sie einen Monolog zum Besten, der die Gefühle und Erfahrungen der Elsa zusammenfassen. Und es sind exakt jene Gefühle und Erfahrungen, die auch wir, die wir die Serie verfolgen, mit Elsa und durch Elsa erleben. Gewalt, Verbrechen, aber auch Liebe und Hoffnung: es ist ein kleiner Geniestreich, eine fast noch jugendliche Figur zum Herzen der Erzählung zu machen, denn all diese Gefühle, die sich im Verlauf der Handlung ergeben, werden durch ihre Jugend viel intensiver und ungefilterter erlebbar als dies über eine der älteren Hauptfiguren möglich gewesen wäre.
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PS: Ja, der Treck befindet sich auf dem Weg nach Oregon, der Landbesitz der Duttons in «Yellowstone» jedoch in Montana. Was es damit auf sich hat, wir an dieser Stelle nicht gespoilert.
«1883» ist bei Paramount+ verfügbar.
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