Hallo Herr Bauer. Sie haben für Disney+ die Serie «Sam – Ein Sachse» gedreht. Die Story dreht sich um den ersten schwarzen Polizisten in Ostdeutschland. Was macht diese Geschichte so besonders?
Samuel Meffires Leben ist einfach ein wahnsinniger Stoff. Mal in kurz: Sein Vater stirbt am Tag seiner Geburt unter mysteriösen Umständen. Er wird dann der erste Schwarze ostdeutsche Polizist. Danach wird er über Nacht zum Werbestar und dann zum Staatsfeind.
Außerdem zum historischen: Es ist die erste deutsche Disney+ Serie. Die erste deutsche Highendserie mit schwarzem Protagonisten. Dann gibt es große Abwechslung innerhalb der Geschichte, was die Genres angeht. Und der Soundtrack ist einmalig.
Die Serie soll eine neue Perspektive auf Deutschland geben. Können Sie schon vorab verraten, um welche Perspektive es sich dreht?
Es ist ein oft erzählter Moment deutscher Zeitgeschichte. Die Wende. Mauerfall. Aber mit dem Fokus auf das Chaos danach. Die alten Gesetze brechen weg, die neuen sind noch nicht richtig da. „Wilder Osten“, aber aus einer völlig neuen Perspektive. Der eines Schwarzen ostdeutschen Mannes.
Durch den Zuzug von türkischen und italienischen Gastarbeitern sowie der Bologna-Reform und den offenen Grenzen sind die Deutschen in einem multikulturellen Staat angekommen?
Ich liebe dieses Land, und es ist demographisch tatsächlich schon lange Einwanderungsland. Allerdings müssen die Strukturen noch durchlässiger werden. Auch zum Beispiel im Filmgeschäft, das stark subventioniert wird. Wenn wir alle unser Programm bezahlen, sollte es uns auch alle zeigen. Unter anderem auch intersektionale Frauen. Ja die gibt es nach dem 50. Lebensjahr noch.
Herr Bauer, Sie sind 1991 in Bremen aufgewachsen, arbeiteten dann allerdings im Osten. Gibt es in Bezug zu Ausländerfeindlichkeit örtliche Unterschiede?
Jein. Aus dem ostdeutschen Schmerz über die Wiedervereinigung ist dann doch einiges noch salonfähiger in der Mitte der Gesellschaft als in Bremen. Man sieht sich selber mehr als Underdog. Berechtigt. Viel Demütigung kam mit der Wende in die neuen Bundesländer. Antischwarzer Rassismus ist aber nichts, was exklusiv von „weißen“ Deutschen kommt. Davon gabs in Bremen mehr. Laye-Alama Condé starb unter Bremer Polizei-Obhut, Oury Jalloh in Dessau. Deshalb muss meine Generation als späteste und glücklichst geborene weiterkämpfen.
Jetzt sprachen wir über zahlreiche Unterschiede. Wo findet Integration neben der Sprache statt: Bei der Küche?
Auch in der Küche, klar. Aber sie muss gegenseitig passieren. Wenn ich sehe, was wir für die Geschwister aus der Ukraine leisten, kann man als Deutscher nur stolz sein. Ich als Deutscher mit afrikanischen Wurzeln, wünsche mir aber, dass wir es schaffen systematisch die gleiche Akzeptanz für die Menschen und zum Beispiel deren Bildungsgrade aus allen Regionen der Welt herzustellen.
Das Leben von Samuel Meffire ist sehr beeindruckend. Unter anderem schlug er sich mit diversen Jobs durch, durfte dann Kriminalistik studieren und war anschließend Kripo-Beamter. Wo beginnt die Story bei «Sam – Ein Sachse»?
Wir begegnen Sam als jungem Sportler, der gerade Vater geworden ist, in der Zeit vor der Wende. Er und sein Umfeld wünschen sich einen reformierten Sozialismus, aber haben völlig verschiedene Lösungsansätze…
Seit acht Jahren ist Meffire als Trainer für Gefahrenlagen, Rettungssanitär sowie als Mitarbeiter von Universitäten tätig. Um diese Geschichte zu Ende zu bringen, muss man sich auch mit seiner siebenjährigen Haftstrafe auseinander setzen? Oder endet die Serie, ähnlich wie das Boris-Becker-Biopic «Der Spieler» oder der Sky-Film «Der Kaiser» um Franz Beckenbauer vor dem Absturz?
Ich stürze in der Figur tatsächlich immer wieder. Aber ja es geht bis in den Abgrund, was als Schauspieler & als Konsument natürlich ein Traum ist. Ich würde unbedingt einschalten, um rauszufinden, wie das genau passiert. Ungefragter Rat fürs Leben: 7 Mal stürzen, 8 Mal aufstehen. Wie Samuel, der ,wie Sie sagen ,heute auch wieder der Gesellschaft dient. Warme Empfehlung für sein Buch „Ich, ein Sachse“ überall erhältlich, auch als Hörbuch.
Disney ist ein riesiger Konzern, der pausenlos Nachschub aus Amerika bekommt. Weshalb, glauben Sie, hat man «Sam – Ein Sachse» bestellt? Fehlende Bibliothek dürfte ja kein Grund sein.
Disney+ hat sich mit seinen europäischen Originals zu regionalen spannenden Geschichten bekannt. Und Disney+ zeigt mit «Sam - Ein Sachse» den innovativen Mut viele „firsts“ auf einmal zu bringen. Siehe oben. Ich hoffe auch wir haben unter der Führung von Jörg Winger von der UFA, der das ja schonmal samt Emmy mit der «Deutschland»-Reihe bewiesen hat, gezeigt: Deutsches Filmhandwerk kann international bestehen.
Vielen Dank für Ihre Zeit!
«Sam – Ein Sachse» ist ab sofort bei Disney+ verfügbar.
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