Hallo Herr Seidel. Studio Bummens bringt schon wieder eine neue Reportage-Reihe on air: «Lubi – Ein Polizist stürzt ab». Podcast-Reportagen wie Ihre sprießen derzeit aus dem Boden. Wie finanzieren sich solche Projekte? Wer zahlt schlussendlich die Rechnungen?
Es stimmt, dokumentarisches Erzählen im Podcast ist sicher grad so beliebt wie nie. Trotz der hohen Schlagzahl bin ich immer wieder erstaunt, dass viele Arten Geschichten zu erzählen dennoch gar nicht ausgereizt scheinen. Auch wir haben etwas Neues versucht: Für «LUBI» haben wir zum allerersten Mal eine Mischung aus Audio-Doku und szenischer Dramaturgie in einem Podcast zusammengebracht. Was man vielleicht aus dem klassischen Radio-Feature kennt, ist im True-Crime-Podcast noch eher selten. Das mag auch daran liegen, dass diese Art des dokumentarischen Erzählens aufwendig ist und natürlich muss das refinanziert werden. Wir sind daher sehr glücklich den SWR als Co-Produzent dabei zu haben.
Wer gehört neben Studio Bummens zu den größten Spielern auf dem deutschen Podcast-Markt?
Was journalistische Storytelling-Formate angeht, kommt man mittlerweile an den wirklich gut gemachten Geschichten aus den ARD-Anstalten sicher kaum vorbei (vielleicht bin ich da als NDR-Journalist aber auch befangen). Darüber hinaus schätze ich sehr die erfolgreiche Arbeit der Kolleginnen und Kollegen von Undone, Studio Jot oder auch ACB Stories.
Kommen wir jetzt zur Geschichte von «Lubi – Ein Polizist stürzt ab». Der Podcast erzählt von einem Ermittler namens Rolf, der vom erfolgreichen Berliner Drogenfahnder selbst zum Konsumenten und Dealer wurde.
Nein, so kann man es nicht sagen. Der Podcast erzählt von einem Polizisten namens Rolf, den alle nur LUBI nennen, der vom erfolgreichen Berliner Drogenfahnder selbst zum Kriminellen wird. Durch seine eigene Drogenabhängigkeit gerät er auch in Abhängigkeiten mit dubiosen Gestalten. Am Ende fährt er geklaute Luxusautos durch ganz Europa und wird Teil einer Autoschieber-Gruppe. Bis ihm nach jahrelanger Ermittlungsarbeit seine eigenen Kollegen auf die Schliche kommen und er schließlich festgenommen wird.
Holla die Waldfee! Hand aufs Herz: War es abzusehen, dass ein gewisser Prozentsatz der Ermittler selbst eines Tages mit dem Stoff konfrontiert wird und ihn probiert?
Drogenkonsumierende Polizisten gibt es sicher mehr, als man sich so vorstellen mag. Es ist natürlich besonders bitter, wenn man tagsüber Drogendealer jagt, privat jedoch selber starker Konsument ist. So war es bei Lubi.
Sie haben Rolf L. vor Haftantritt besucht und mit ihm ausführliche Gespräche geführt. Wie war Ihr Eindruck?
Lubi war mir auf den ersten Blick schon sympathisch. Er hat eine sehr einnehmende Art, lacht viel, schien mir sehr wach und präsent zu sein. Auf der anderen Seite saß ich aber auch einem gebrochenen Mann gegenüber, der sicher durch gute Laune vieles kaschierte. Er war auch nervös, immerhin sprach er eine Woche vor seiner Verurteilung mit einem Journalisten. Theoretisch hätte er sich auch noch mehr Ärger einhandeln können – später vor Gericht. Sein Mut zu diesem Zeitpunkt mit mir zu sprechen, zeugt auch von großem Vertrauen und das hat eine wirklich gute Gesprächsatmosphäre geschaffen: Offen und kritisch zugleich. Ich glaube das hört man im Podcast.
Vier Jahre für jemanden, der bislang ohne Auffälligkeiten bei der Polizei arbeitete, ist für mich als Schöffe doch recht hoch. Warum ist die Strafe so ausgefallen? Müsste man als Kokain-Abhängiger nicht eher in eine Psychiatrie?
Die Staatsanwaltschaft hatte zwischenzeitlich sogar noch weit mehr gefordert. Einige Vorwürfe ließen sich jedoch nicht beweisen. Zum Beispiel, dass die Autoschieber-Gruppe von Lubi eine „Bande“ im juristischen Sinne gewesen ist. Dies hätte sogar noch deutlich mehr Strafe für Lubi bedeuten können. Er musste dennoch nicht vier Jahre ins Gefängnis. Stattdessen hat er eine Entzugstherapie im Rahmen des sogenannten Maßregelvollzugs gemacht. Ich persönlich glaube, das war auch genau das Richtige für ihn.
Wie kam es eigentlich dazu, dass Lubischließlich mit seiner Kokain-Abhängigkeit bei einer internationalen Autoschieberbande landete?
Nach einem Arbeitsunfall war Lubi krankgeschrieben und teils dienstunfähig. Genau in dieser Zeit traf er einen europaweit bekannten Autoschieber, der ihn anheuerte. Wenn man Lubi fragt, wie das passieren konnte, führt er immer wieder diesen Autoschieber als Grund an. Er habe seine Drogenabhängigkeit ausgenutzt, ihn erpresst und dann als Fahrer für die Autoschieber installiert. Fragt man übrigens den Autoschieber, dann klingt es eher, als habe sich Lubi nach so einem „Job“ auf der dunklen Seite gesehnt und ihn sogar sehr gern gemacht. Wahrscheinlich liegt die Wahrheit wie immer irgendwo in der Mitte.
Podcast-Projekte wie «Lubi – Ein Polizist stürzt ab» werden immer aufwändiger. Warum hat man sich gegen eine weitere Auswertung als Video-Dokumentation entschieden?
Das hat man zum Glück gar nicht. Eine filmische Adaption des Falls «Lubi» wird aktuell unter der Regie von Jan Peter («A perfect Crime», «Der letzte Flug») und Sandra Naumann realisiert. Die Mini-Series wird im Herbst in der ARD Mediathek veröffentlicht werden.
Klingt spannend. Die arbeiten an «Lubi» sind abgeschlossen. Welche Projekte stehen nun an?
Ich sitze grad an einer Idee für einen dokumentarischen Podcast zum Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke durch einen Nazi-Terroristen. Der Fall hat eine historische Dimension und gleichzeitig sind noch viele relevante Fragen nicht aufgeklärt. Ich hoffe dazu bald mehr sagen zu können.
Danke für Ihre Zeit!
Seit 27. April 2023 in der ARD Audiothek, ab 4. Mai eine Folge wöchentlich - überall wo es Podcasts gibt
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