Rian Johnson hatte erst spät seinen Durchbruch. Der Autor, Regisseur und Produzent schrieb vor fast 20 Jahren den Spielfilm «Brick», ehe fünf Jahre später «Brothers Bloom» folgte. Seinen ersten Erfolg verbuchte er mit dem Streifen «Looper», dessen Kinoeinspielergebnisse allerdings durch die Decke gingen. Dennoch dauerte es mehrere Jahre bis er «Star Wars: The Last Jedi» umsetzen konnte. Die Spielfilme «Knives Out» und «Glass Onion: A Knives Out Mystery» führten letztlich zu Johnsons Durchbruch.
Mit der überschaubar großes Produktionsfirma MRC Television schloss er einen Deal über eine zehnteilige Serie ab. Der Plot ist denkbar einfach: Eine Frau, die Lügen entlarven kann, reist durch die Vereinigten Staaten von Amerika und macht immer wieder an Stationen Halt, um sich ein paar Mäuse dazuzuverdienen. Aber: Bitte nur Cash auf die Hand, da sie von einer mächtigen Organisation aus Atlantic City gesucht wird.
Diese Art von Fernseh-Krimis macht viel Spaß, weil die Hauptfigur Charlie Cale (Natasha Lyonne) damit der alten Befragungstaktik von den früheren Fernsehkrimis ähnelt. Es sind also durchaus knifflige Geschichten zum Mitraten mit überschaubaren Mitteln. Hier kommt keine fünfköpfige «CSI»-Truppe, nimmt Abdrücke und jagt alles durch die superschnellen Computer, ehe herausgefunden ist, dass das Opfer Schlafmittel im Blut hatte. Die junge Serie «Poker Face», die Peacock in den Staaten einkaufte und Sky in Deutschland zeigt, verlässt sich auf Nachdenken und Charlies Gabe: Das Erkennen von Lügen.
Charlie ist eigentlich Cocktail-Dame in einem Casino in Atlantic City, durch einen Vorfall befindet sie sich auf der Flucht. Cliff Le Grand (Benjamin Bratt, «Star») jagt Charlie durch die Staaten. Dort trifft sie beispielsweise in New Mexico auf einen Subway-Mitarbeiter, der eines Abends in den Tod stürzt. Seltsamerweise hat ein anderer Gewerbehof-Mitarbeiter just in diesem Moment ein Los gekauft, das sich der Subway-Damian sonst immer am Ende der Schicht holt. Es folgten zahlreiche weitere Stationen wie Texas, ein Altersheim in einer Kleinstadt, ein Rennen in Tennessee oder eine verzwickte Theateraufführung zweier Altstars. Schließlich gibt es die Geschichte „Escape from Shit Mountain“ zu sehen, in der die Berge von Colorado auch noch einen optischen Unterschied zur meist trockenen Landschaft in und um Texas darstellen.
Charlie wird von Natasha Lyonne dargestellt, die man aus «Orange is the New Black» und «Russian Doll» kennt. Ihre Rolle ist als klare Antiheldin angelegt, sie raucht die widerlichsten Zigarillos, hat ein loses Mundwerk und kippt sich schonmal morgens eine Dose Bier rein. Gerade in der glatt gebügelten Film- und Serienwelt sind solche Charaktere von extremer Bedeutung und sorgen für richtig Spaß. Darüber hinaus ist der Cast unter anderem mit Adrien Brody und Benjamin Bratt extrem gut aufgestellt. Die zahlreichen Gastdarsteller, unter anderem der «The Big Bang Theory»-Star Simon Helberg, werten die Serie auf.
Im Grunde sind die meisten Episoden von «Poker Face» gleich aufgebaut: Es wird eine Geschichte erzählt, in der sich ein Mord oder ein Unfall ereignet. Erst nachdem der Zuschauer diese Story mitbekommen hat, beginnt die eigentliche Handlung von Charlie, die schon während des Unfalls immer dabei war und nun ihre Untersuchungen macht. Das funktioniert mal besser, mal schlechter. Vor allem sind die große Bandbreite der Geschichten ein Segen für die Serie. Nick Nolte darf beispielsweise als Visual-Effects-Spezialist abliefern.
Sofern man sich mit Charlie anfreunden kann, genießt man zehn kleine Filme, die allesamt eine gute Story erzählen. Look und Feel sind durchaus mit der Arbeit von Quentin Tarantino zu vergleichen und werden ebenfalls ruhig und ohne Hast rübergebracht. Die vielen Details machen besonders viel Spaß und Fans von Krimiserien können sich endlich über spannende Rätsel freuen. Hier spielt nämlich Charlies privater Kram eine untergeordnete Rolle. Man kann schlicht sagen, dass «Poker Face» großen Kino im kleinen Zuhause ist!
«Poker Face» ist bei Sky/Wow zu sehen.
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