Interview

Oliver Wurm: Ohne die Autorinnen 'wäre das Magazin nur schwer umsetzbar‘

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Der Hausgeber von ‚dreizehn plus 13 Gedichte‘ teilte im Quotenmeter-Interview mit, wie das Magazin entstanden ist.

Hallo Herr Wurm! Vielen Dank für Ihre Zeit! Ihr Magazin ist jetzt bereits zum dritten Mal erschienen. Welche Rückschlüsse haben Sie aus den ersten beiden Magazinen gezogen?
Meine analytische Schwäche ist Teil meiner, nennen wir es: Umsetzungsstärke. Die ursprüngliche Idee entstand ja, weil ich inmitten der Coronazeit „Herbsttag“ von Rainer Maria Rilke für mich entdeckte. Das Gedicht endet mit den Zeilen: „Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben, / wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben / und wird in den Alleen hin und her / unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.“ Ich weiß noch, wie ich dachte: Der Rilke, wie zeitgemäß. Danach ergab sich das gesamte Konzept mit jedem weiteren Gespräch. Und nachdem ich Ausgabe eins druckfrisch in den Händen hatte, war ich total begeistert. Und wenn es mir gefällt, davon gehe ich immer aus, wird es da draußen noch ein paar tausend andere geben, die das auch berührt. Und so ist es gekommen. „Dreizehn plus 13 Gedichte“ ist, obwohl der Titel wahrlich sperrig ist, sehr geschmeidig gestartet.

Interpretationen von Gedichten gibt es viele – auch im Netz. Warum sind Hochglanzmagazine dafür so gut geeignet?
Ich würde das Magazin nicht als Hochglanzmagazin bezeichnen. Das Papier ist bewusst sehr griffig und matt. Es gibt nur wenige, kleine Portraitfotos – das optisch prägende Element sind die Zeichnungen der Dichterinnen und Dichter durch den Hamburger Illustrator Dieter Braun. Das gesamte Layout von Designer Andreas Volleritsch ist bewusst klar und eher zurückhaltend. Die Gedichte sind die Stars! Und auch das kleine Format erinnert eher an ein Buch denn an ein Hochglanzmagazin. Alle Ausgaben sind auch als digitales e-Paper erhältlich, klar. Aber ich bin davon überzeugt, dass dies immer nur eine Ergänzung sein kann. Man muss in den Ausgaben blättern können, die Seiten anfassen, auch mal eine Notiz reinschreiben, wenn einen etwas berührt. Lyrik ist Print.

Könnten Sie sich auch vorstellen, dass das Magazin künftig auch ein Buch für die Regalwand wird?
Das ist es in seiner ganzen Ausstattung und Form bereits. Unsere besten Verkaufsstellen sind Buchhandlungen. Die einzelnen Cover sind bewusst so gestaltet, dass der serielle Charakter gleich deutlich wird. Aber natürlich kann man eines Tages auch alle Ausgaben zu einem Buch mit Hardcover zusammenstellen. Aktuell ist das aber nicht geplant.

Dreizehn Gedichte umfasst dieses Mal Gedichte von Durs Drünbein, Jan Wagner und Hildegard von Bingen. Wie legen Sie sich auf die 13 Werke fest? Haben Ihre Mitarbeiterinnen Katharina Pütter und Barbara Heine völlig freie Hand?
Um es klar zu sagen: Hätte ich Katharina Pütter und Barbara Heine nicht für die Idee gewinnen können, wäre das alles nur schwer umsetzbar. Und ganz bestimmt nicht in dieser excellenten Qualität, von der Auswahl bis zu den die Gedichte begleitenden, essayistischen Kommentaren. Es sind ja pro Ausgabe 26 Texte. Dreizehn Klassiker, und +13 zeitgenössische Texte. Katharina kuratiert und kommentiert die dreizehn klassischen Werke – als ausgebildete Schauspielerin und Sprecherin spricht sie die Texte auch exklusiv für das Magazin ein. QR-Codes führen aus dem Magazin heraus direkt zu den Audiofiles. Barbara entscheidet, welche +13 zeitgenössischen Dichterinnen und Dichter wir vorstellen. Als Kulturmanagerin und Veranstalterin hat sie mit den meisten auch schon persönlich zusammengearbeitet. Ich bin dann so eine Art ‚erster Leser‘. Ich habe mir aber fest vorgenommen, nur dann ein Veto einzulegen, wenn ich mit der Auswahl überhaupt nichts anzufangen weiß. Das kam bislang noch kein einziges Mal vor. Und ich vermute, dass wird auch so bleiben.

Im aktuellen Heft besprechen Sie auch Werke der „Toten Hosen“ und von „Deichkind“. Hand aufs Herz: Hatten Sie auch den Gedichtbank von Till Lindemann in der Hand?
Dass Till Lindemann einen Gedichtband veröffentlich hat, habe ich erst im Zuge der Berichterstattung rund um die Geschehnisse bei den Rammstein-Konzerten mitbekommen. Und auch umgehend wieder verdrängt.

Ihr Team interpretiert mit „Wer es könnte“ ein Gedicht mit zehn Wörtern auf vier Seiten. Haben Sie schon Zuschriften erhalten, die solche Aussagen nicht teilen? Wie hoch ist generell die Zuschriften-Rate?
Kurz vor unserem Gespräch erreichte mich der Brief eines 82-Jährigen Professors aus Münster. Er schreibt: „Dreizehn Gedichte – ein Lichtblick, der mir Freude machte in einer ‚ramdösigen‘ Zeit.“ Danach meldete sich eine Lehrerin, die für ihren Deutsch-LK einen Klassensatz bestellte. Ich warte jeden Tag auf die erste kritische Post – bislang kam keine.

Welches ist ihr Lieblings-Gedicht und wieso?
Mich hat „Stufen“ von Hermann Hesse noch mal richtig erwischt. „Es muß das Herz bei jedem Lebensrufe / Bereit zum Abschied sein und Neubeginne, / Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern / In andre, neue Bindungen zu geben. / Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, / Der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.“ Mit 17, in der Schule, fand ich das ziemlich schmierig. Heute könnte es der Klappentext meiner Biographie sein.

Sollten wir ohnehin wieder mehr Gedichte lernen oder gute Zitate können?
Dreimal Ja! Schon der Prozess des auswendig-lernens ist so schön. Das Verzweifeln zu Beginn, wenn man sich kaum den ersten Vers merken kann. Und die immer wieder erstaunliche Erkenntnis, dass ich Heinz Erhards „Warum die Zitronen sauer sind“ oder eben Rilkes „Herbsttag“ nun auch nachts um drei in der Kneipe jederzeit fehlerfrei rezitieren kann.

Einige Menschen verbinden Gedichte mit der unliebsamen Schulzeit. Haben Sie einen Rat, wie man Gedichte besser in den Kopf bekommt?
Es braucht beim Lernen Tricks und Rituale. Was immer hilft: Den Text in den ersten Tagen auf Dauerschleife hören. Ich habe mich zudem abends noch mal auf die Couch gestellt und das jeweilige Gedicht laut gelesen, so als würde ich den Text im ausverkauften Hamburger Schauspielhaus vortragen. Das hat auf vielerlei Ebenen auch Spaß gemacht. Und das ist dann vielleicht auch der Schlüssel: Niemand verlangt das von mir. Niemand prüft es ab. Es macht einfach nur Freude.

Die „taz“ lobte das Layout, Anke Engelke rief zum Gedichte Lernen auf und die „Süddeutsche Zeitung“ war vom Inhalt vollends überzeugt. Wie geht man mit so viel Lob um?
Indem man es schnell weitergibt. An Katharina, Barbara, Dieter und Andreas. Hiermit geschehen …

Danke für Ihre Zeit!

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