Der Schweizer Radprofi Gino Mäder verunglückte bei der Tour de Suisse, obwohl die Strecke offenbar in einwandfreiem Zustand war. Ist Radsport ein Extremsport?
Die Profis absolvieren im Jahr mehr als 40.000 Trainingskilometer – auch da sind sie immer wieder gefährdet. Ihre Fahrfähigkeiten oder Steuerkünste sind enorm hoch. Dennoch passieren leider Fehler – wie in jeder anderen Sportart auch.
Vor zwei Jahren löste eine Zuschauerin bei der Tour de France einen Massensturz aus, letztes Jahr erlitt der Österreicher Michael Gogl einen Becken- und Schlüsselbeinbruch. Wie entscheiden Sie, ob Sie diese Bilder zeigen oder nicht?
Das internationale Bild wird vom hostbroadcaster France Télévisions produziert. Wir haben keinen Einfluss auf die Auswahl der Bilder. Wir können nur später entscheiden, ob wir solche Bilder nochmal zeigen oder sie in unseren Zusammenfassungen verwenden.
Der Radsport hatte jahrelang mit der Doping-Affäre zu kämpfen. Wie konnte er sich wieder als Breitensport etablieren?
Der Radsport hatte in den Jahren unmittelbar während und nach der Affäre Puerto um den Dopingarzt Fuentes zweifellos seinen Tiefpunkt erreicht. Die Skandale, die Abwendung von Sponsoren und auch des Fernsehens bewirkten ein Umdenken, bei einigen zumindest. In kaum einer Sportart ist das Kontrollsystem anschließend so umfangreich gewesen. Dennoch hat es Jahre gedauert und eines Booms im alltäglichen Radfahren, um dem Sport wieder eine Chance zu geben. Bei vielen Menschen wuchs auch die Erkenntnis, dass Doping in sehr viel mehr Sportarten verbreitet ist.
Die 110. Tour startet im spanischen Bilbao und endet nach 21 Etappen natürlich in Paris. Auf welche landschaftlichen Höhepunkte freuen Sie sich?
Die Reise mit der Tour ist immer ein Erlebnis; das Baskenland, die Gascogne, die Auvergne, Savoyen und das Jura – alles wunderbare Gegenden. Am meisten mag ich die Pyrenäen, die vielerorts noch wild und einsam sind und weniger zersiedelt als die Alpen etwa.
2017 startete die Tour in Düsseldorf. Gehen die Veranstalter eigentlich auf die ARD zu oder planen die Verantwortlichen direkt mit den Kommunen?
Die Tour wird in Frankreich organisiert. Dort, bei der Amaury Sport Organisation, kurz: ASO, bewerben sich die Kommunen. Die ARD und auch die anderen Rechteinhaber nehmen hier keinen Einfluss.
Wie bereiten sich die Kommentatoren eigentlich auf die Übertragung vor? Neben den vielen Profis muss man ja auch die Strecken kennen.
Unsere Kommentatoren bereiten sich intensiv vor und kennen schon vorher die Besonderheiten der Strecke. Am jeweiligen Sendetag fahren die Kommentatoren wenigstens die letzten 80 bis 100 Kilometer noch einmal ab und bringen so ganz frische Erkenntnisse mit. Das unterscheidet uns von anderen Sendern.
Der Däne Jonas Vingegaard, der die Tour 2022 gewinnen hatte, hat in diesem Jahr bereits die Baskenland-Rundfahrt und das Critérium du Dauphiné gewonnen. Hat er Chancen auf den Sieg?
Im vergangenen Jahr hat Vingegaard auch dank einer überragenden Leistung seines Teams den vermeintlich unbesiegbaren Kontrahenten Tadej Pogacar geschlagen. Der Slowene hat sich im April die Hand gebrochen. Zuvor hatte er Vingegaard bei „Paris-Nizza“ klar geschlagen. Viel wird davon abhängen, in welcher Form Pogacar zur Tour kommt, und was er aus seiner Niederlage im vergangenen Sommer gelernt hat.
Mit den Finals 2023 verschwindet die Tour de France in der ARD-Mediathek. Warum konzentriert sich Das Erste nicht auf die Tour und das ZDF überträgt das Finale?
So ist es nicht. Während der Finals wird immer wieder zur Tour geschaltet, bei den letzten 45 Minuten der Etappen am 7. und 9. Juli ist die ARD live dabei. In der Mediathek respektive sportschau.de bieten wir den Radfans die Gelegenheit, die Etappe ohne Unterbrechungen zu sehen.
Auch der Saarländische Rundfunk wird die Tour de France mit der Serie «DEINE Tour» begleiten. Können Sie etwas zu diesem Projekt sagen?
Dieses Projekt geht schon ins zweite Jahr – zunächst werden die acht Folgen für den YouTube-Kanal der «Sportschau» produziert, kürzere Versionen der einzelnen Folgen laufen auch linear während der Tour. In vier Folgen nähern sich der Radprofi Rick Zabel und die Moderatorin Lea Wagner verschiedenen Phänomenen des Radsports. Weitere vier Folgen präsentieren uns deutsche und internationale Starter der Tour. Der SR hat außerdem die dreiteilige Doku-Serie «Mythos Tour» für die ARD Mediathek produziert, von den Machern der erfolgreichen Serie «Being Jan Ullrich» im Vorjahr.
Im Anschluss an die Tour de France startet zum zweiten Mal die Tour der Frauen. Warum gibt es die Übertragung nur in der Mediathek?
Sehr lange waren die Start- und Zielzeiten der Etappen unklar, so dass sich die ARD auch aus Gründen der Planungssicherheit für den Ausstrahlungsweg über die Mediathek und ONE entschlossen hat.
Vielen Dank für Ihre Zeit!
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