Das hat selbst einen Haudegen wie Harrison Ford umgehauen! Als der Hollywoodstar zur Premiere seines fünften Archäologen-Abenteuers «Indiana Jones und das Rad des Schicksals» die Bühne des Berliner Zoo Palasts betrat, gab es Standing Ovation. Sichtlich gerührt fielen ihm als Dankeschön nur die Worte ein, die John F. Kennedy 1963 bei seinem Besuch vor 60 Jahren in der damals noch geteilten Stadt sprach: „Ich bin ein Berliner!“ Allen war in diesem Moment klar, dass es auch ein Abschied ist. Ein Abschied zumindest von Harrison Ford als ‚Indy‘. Dass der 80-Jährige überhaupt noch mal als Actionheld vor die Kamera treten würde, grenzt an einem Wunder. Dennoch weiß Ford, was er der Rolle des Indiana Jones zu verdanken hat. Neben Han Solo aus «Star Wars» ebnete sie ihm den Weg, zeitweise der erfolgreichste Filmschauspieler der Welt gewesen zu sein. Ein solches Superlativ braucht Harrison Ford heute nicht mehr und wirkt deshalb ganz entspannt als wir ihn zwischen Spaziergang mit seiner Frau Calista Flockhart im Tiergarten und Premiere im Zoo Palast zum Gespräch im Hotel Ritz Carlton treffen.
In «Indiana Jones und das Rad des Schicksals» kämpfen Sie wieder einmal gegen Nazis, die aus Berlin heraus einst die ganze Welt terrorisierten. Wie sehr haben Sie sich dieser Historie bei Ihrem Spaziergang bewusst gemacht?
Ja, es gab diese historisch bedeutende Zeitspanne hier in dieser Stadt. Man kommt nicht umhin, darüber nachzudenken, wenn man in Berlin ist. Der Kampf zwischen Gut und Böse muss immer wieder von Neuem ausgefochten werden, damals, heute und überall. Das Böse hat also nicht nur in Berlin geherrscht.
Wie denken Sie über Nazis als Filmschurken?
Wir haben uns die Nazis zur Unterhaltung zunutze gemacht. Sie werden verspottet, da wir alle das Gefühl haben, dass es eine schreckliche Zeit war. Im Film stellen wir ganz klar, wer die guten und wer die bösen Jungs sind. Es ist diese Art von Geschichten, die wir uns erzählen, um den Kontrast einer Schwarzweißwelt herauszustellen. Dennoch haben wir versucht, mit dem Nationalsozialismus verantwortungsvoll umzugehen.
Wobei die eigentliche Story dann im Jahr 1969 beginnt mit Alt-Nazis, die ihren Niedergang rückgängig machen wollen…
Die Ironie, die dahintersteckt ist, dass es zwar eine fiktive Geschichte ist, aber als Hintergrund diente die Realität. Wissenschaftler, die zuvor den Nazis dienten, wurden wegen ihres enormen Wissens in der Raketentechnik von den Amerikanern und Sowjets mit offenen Armen empfangen. Dass das ins Drehbuch eingearbeitet wurde, hat mir sehr gefallen.
Obwohl diesmal nicht Steven Spielberg im Regiestuhl saß, die alle vier vorherigen «Indiana Jones»-Abenteuer inszenierte?
Ich hoffe, Sie sind darüber hinweggekommen. Mir ist es gelungen. Denn Steven war für mich damit nicht weg. Er hatte stets seine Hände mit im Spiel, überwachte als ausführender Produzent das Drehbuch und sah sich das tägliche Filmmaterial an. Mit James Mangold gab es nun einen neuen Regisseur, der ebenso erfahren ist und mit dem von Spielberg gesetzten Stil sehr respektvoll umgegangen ist.
1969 – woran erinnern Sie sich noch?
1969 spielte ich in einigen Serien mit, aber ich arbeitete auch als Tischler und wechselte immer hin und her. Beide Jobs waren wichtig, um Geld zu verdienen. Die Tischlerei wählte ich, um nicht jede noch so blöde Rolle annehmen zu müssen. Klar wollte ich als Schauspieler Erfolg haben, aber nicht um jeden Preis.
Aber Sie haben die Mondlandung live am Fernseher mitverfolgt?
Daran kann ich mich noch sehr genau erinnern. Ich war mit den Künstlern Jacques Demy und Agnès Varda in einem Haus in Beverly Hills, um den ersten Mann auf dem Mond mitzuerleben. Agnès saß auf dem Boden und klebte Bilder in einem Fotoalbum ein mit dem Rücken zum Fernseher. Sie glaubte nicht an die Mondlandung und dachte schon damals, das würde alles nur in einem Filmstudio stattfinden. Sie war den Amerikanern gegenüber sehr misstrauisch.
Für den Anfang von «Indiana Jones und das Rad des Schicksals» wurden Sie digital verjüngt. Wäre das nicht reizvoll für Sie, um auch zukünftig als Actionheld in Blockbustern zu agieren?
Darauf kam es mir bei diesem Film nicht an. Ich wollte sehen, wozu ein 80-jähriger Mann noch fähig ist, und dass er nicht mehr der Hübscheste ist. Dieser Kontrast zwischen dem jungen und dem alten Indiana Jones wird hier sichtbar gemacht, und ich habe mich deswegen weder geschämt, noch hatte ich Angst davor. Dass man altert, ist nun mal eine Tatsache, die das Leben mit sich bringt.
Indiana Jones schwitzt und blutet auch diesmal wieder. Es muss doch für Sie sehr anstrengend gewesen sein, sich physisch so zu verausgaben…
Liebe ich es noch zu rennen, zu springen und hinzufallen? Ja, das macht Spaß, wenn sich morgens immer noch gut fühlt. Aber ehrlich gesagt, lag da nie der Schwerpunkt für mich. Die Story eines Films war mir schon immer viel, viel wichtiger. Wenn eine Actionszene nicht die Handlung voranbringt, taugt sie auch nichts - egal ob sie nun digital hergestellt wurde oder über den menschlichen Maßstab hinausgeht. Darauf kommt es nicht an.
Sondern?
Ich möchte, dass das Publikum inmitten eines Kampfes bei mir ist und meine Angst, meine Anstrengung, mein Versagen und meinen Triumpf miterlebt. Das gehört zum Geschichtenerzählen, nur eben mit physischen Mitteln.
Mit dem Älterwerden haben Sie also keine Probleme. Aber ans Aufhören denken Sie auch noch nicht?
Dieser Gedanke ist mir bisher noch nicht gekommen. Gut für mich, denn ich liebe meine Arbeit und darf sie immer noch ausüben. Das ist großartig, und mehr brauche ich auch nicht.
Im Laufe Ihrer Karriere haben Sie neben Han Solo und Indiana Jones auch noch viele andere Rollen gespielt, wenn auch mit weniger Erfolg. Wie blicken Sie darauf zurück?
Der Erfolg von «Star Wars» und «Indiana Jones» ermöglichte mir erst, auch ganz andere Filme drehen zu können. Wenn ein Film gut läuft, läuft auch deine Karriere gut und du kannst dir irgendwann aussuchen, mit wem du arbeiten willst. Ich hatte das Glück, großartige Regisseure wie Roman Polanski, Sydney Pollack oder Mike Nichols an meiner Seite zu haben.
Waren Sie trotzdem mal an einem Punkt, wo Sie genug davon hatten, nur mit Indiana Jones und Han Solo in Verbindung gebracht zu werden?
Ich glaube nicht, dass das jemals der Fall war. Für jeden Film, den ich gemacht habe, gab es auch ein Publikum. Für mich gibt es keinen Massengeschmack, sondern unterschiedliche Geschichten und unterschiedliche Kinogänger, die man entsprechend zusammenbringen will. Und ich schätze mich glücklich, in vielen unterschiedlichen Filmen dabei gewesen zu sein.
In «Indiana Jones und der letzte Kreuzzug» spielte der 2020 verstorbene Sean Connery Ihren Vater. Hätten Sie gern noch mal mit ihm vor der Kamera gestanden?
Ich hatte die beste Zeit mit Sean. Was für ein phantastischer Kollege, aber ich glaube nicht, dass er je die Absicht hatte, als Dr. Henry Jones Sr. wiederzukehren, zumal es auch keine Story dafür gab. Jeder «Indiana Jones»-Film steht für sich allein, es gab nie den Plan für eine ganze Serie aus nunmehr fünf Filmen.
Wie vergleichen Sie Ihren ersten Drehtag vor 42 Jahren als junger Indiana Jones mit dem letzten Drehtag im fünften Teil?
An den ersten Drehtag für «Jäger des verlorenen Schatzes» kann ich mich gar nicht mehr erinnern. Beim letzten Drehtag in meiner Rolle als Indy empfand ich ein Gefühl der Vollendung und die Freude darüber. Ich war in der Gesellschaft von 250 bis 300 Leuten, die ihre Seele dafür hergegeben hätten, um diesen Film fertig zu kriegen. Auch alle Darsteller waren an meinem letzten Tag anwesend, und ich war sehr dankbar dafür, dass ich diese Figur ein letztes Mal spielen durfte.
Danke für das Gespräch!
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