Der Streaming-Dienst Netflix hievt zahlreiche interessante Dokumentationen ins Programm. Eine größere Bekanntheit bekam das Unternehmen unter anderem mit «Fyre», einem 97-minütigen Film aus dem Jahr 2019, der über das gescheiterte Fyre Festival, das eigentlich die Fyre-App promoten sollte. Das Festival sollte Ende April 2017 auf den Bahamas stattfinden, stattdessen wurde das Musikfestival zum Desaster. Autor Chris Smith hat an Netflix einen eindrucksvollen Film verkauft, der das Geschehen eindrucksvoll aufarbeitet.
Inzwischen reichen Netflix nicht mehr Dokumentarfilme, es müssen heutzutage ganze Dokumentar-Reihen. Schlussendlich wird von dem amerikanischen Streaming-Konzern alles verfilmt, das einen eigenen Wikipedia-Eintrag hat. Ob die Story schlussendlich das Projekt trägt, ist in der Firmenzentrale im kalifornischen Los Gatos schlichtweg irrelevant. Aus genau diesem Grund entstand die Reihe «Pepsi, wo ist mein Jet?», die im November bei Netflix Premiere feierte.
Im Mittelpunkt der vierteiligen Dokumentation ist der 21-jährige Wirtschaftsstudent John Leonard, der in den 90er Jahren – wie viele anderen auch – großer Fan von MTV und Pepsi war. Das Brause-Getränk war hip, cool und gehörte zum amerikanischen Lifestyle. PepsiCo, das Unternehmen hinter dem Getränk, startete mit Merchandising durch. Um verschiedene Klamotten und Accessoires verstärkt unter das Volk zu bringen, brütete man eine gewiefte Taktik aus. Die Konsumenten sollten nicht für das Zubehör zahlen, sondern bekamen auf den Kauf von Dosen Punkte, die sie wiederrum einlösen konnte. Im ikonischen Werbespot wurde auch zum Schluss darauf hingewiesen, man könne auch für sieben Millionen Punkte einen AV-8 Harrier II-Jet bekommen.
In den Vereinigten Staaten von Amerika, einem Land, indem man Unternehmen verklagen kann, wenn auf Kaffee-Bechern kein Warnhinweis vor Hitze abgebildet ist, war das eine Geschäftsidee eines jungen Mannes, der tatsächlich diesen Jet wollte. Da der Spot keinen Haftungsausschuss beinhaltete, suggeriert die Dokumentations-Reihe, Leonard könne einen Kampfjet bekommen. Dabei schreckt die Dokumentation auch nicht davor zurück, das Werk mit unfassbar viel Füllmaterial zu bestücken. So muss jeder Interview-Partner vor dem ersten Gespräch unterscheiden, ob er denn nun Coca Cola oder eben Pepsi trinke.
Später kommt der Investor Todd Hoffmann ins Spiel, der mit zahlreichen Geschäften schon an Reichtum gelangt ist. Aufgrund seiner Erkrankung reisen er und Leonard auch wieder auf verschiedene Gipfel, um ihre Bergwanderungen von früher neu aufleben zu lassen. Das Material fühlt sich nicht nur langweilig an, es ist auch wirklich zäh. Die Doku-Reihe erzählt von Geschichten, die man einfach streichen könnte. Doch «Pepsi, wo ist mein Jet?» sollte erst als Film umgesetzt werden. Aufgrund der Corona-Pandemie und dem riesigen Erfolg von «Tiger King» entschied sich das Streaming-Unternehmen jedoch eine Doku-Serie zu kreieren.
Zurück zur Doku-Serie: Filmemacher Andreas Renzi zeigt die Geschichte von vorne. Zunächst wird gezeigt, wie Leonard den Wert des Militär-Jets herausfand und schließlich, dass man für den Konsum von Pepsi dafür mehrere Millionen US-Dollar aufbringen musste. Das war allerdings immer noch ein Plusgeschäft, denn der damalige Wert eines AV-8 Harrier II lag bei 23 Millionen US-Dollar. Durch einen dummen Zufall kam Leonard an einen Pepsi-Katalog und fand heraus, dass er auch einen Pepsi-Punkt für zehn Cent kaufen könne. Schon sank der Preis für den Jet auf lediglich 700.000 US-Dollar. Mit Hilfe von Hoffmann und weiteren Investoren kratzte man das Geld zusammen und schickte einen Scheck zur Abwicklungszentrale von Pepsi. Es werden die Reisen nachgezeichnet, die Leonard und eine Anwaltsgehilfin unternahmen. Grundsätzlich wichtig ist das nicht, aber man möchte die Doku-Reihe mit Inhalt füllen.
Schließlich löst Pepsi den Scheck nicht ein, da man das Angebot mit dem Jet für einen Scherz hält. Leonard und seine Partner reichen schließlich eine Klage in Miami ein und werfen PepsiCo Vertragsbruch, Betrug und irreführende sowie unlautere Handelspraktiktanten vor. Mit dem prominenten Anwalt Michael Avenatti, der bei der Produktion wegen versuchter Erpressung unter Hausarrest stand, wollte man den Fall gewinnen. Es ist schon bezeichnend, dass diese fragwürdige Anklage von Avenatti vertreten wurde, der im Sommer zu vier Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Es ist also klar, ein rechtschaffender Mann war dieser Winkeladvokat vielleicht nie, schließlich wollte man mit einer absurden Klage einem Unternehmen schaden. Gut, PepsiCo ist auch nicht die Wohlfahrt, aber dennoch muss man die Dokumentation auf einer speziellen Meta-Ebene betrachten.
Im August 1999, lange nachdem das Punkte-Programm beendet wurde, entschied die Richterin Kimba Wood, dass "keine objektive Person vernünftigerweise hätte schlussfolgern können, dass der Werbespot den Verbrauchern tatsächlich einen Harrier-Jet anbot". Selbst die Tatsache, dass der Originalspot verändert wurde und einen Haftungsausschluss bekam, trage nicht zur Schuld von PepsiCo bei.
Die Dokumentation, die Netflix schließlich erworben hatte, hat große Längen und suggeriert bis zum Schluss, als handeln John Leonard, Investor Todd Hoffmann und Anwalt Michael Avenatti für einen guten Zweck. Dass die drei Beteiligten allerdings nur aufgrund eines Fehlers im Haftungssauschluss den großen Profit machen wollten, unterstreicht deren betrügerischen Absichten. Die langatmige Doku-Reihe wird nicht von allen Personen zu Ende geschaut und deshalb verfestigt sich wohl ein negativer Eindruck über Pepsi. Es müsste daher nicht heißen «Pepsi, wo ist mein Jet?», sondern «Wie ein 21-Jähriger PepsiCo über den Tisch ziehen wollte».
«Pepsi, wo ist mein Jet?» ist bei Netflix streambar.
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