Die Kino-Kritiker

Ein weiteres Mattel-Spielzeug: Und täglich grüßt die «Barbie»!

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Mit dem Warner-Bros.-Pictures-Spielfilm möchte der Spielzeughersteller ins große Filmgeschäft einsteigen. Der erste Schritt ist allerdings eine Mischung aus mehreren Zutaten, die zusammen nicht munden.

Vor über sechs Dekaden hat Ruth Handler die Figur Barbara Millicent Roberts erfunden. Seither haben Millionen von jungen Mädchen mit dem Spielzeug des Herstellers Mattel Stunden verbracht. „Barbie“ kennt fast jedes Kind in der westlichen Welt. Der Spielwarenhersteller aus Kalifornien hatte in den vergangenen Jahren große Probleme, die verschiedenen Spielzeugserien wie Uno, Hot Wheels oder Matchbox-Autos an die jungen Konsumenten zu bringen. Der derzeitige Vorstandschef Ynon Kreiz, seit 2018 an der Macht, möchte die Marken fit für das Kino machen. Wie bei Disney sollen die ikonischen Marken des Unternehmens ausgeschlachtet werden.

Im Zuge dessen haben sich Micky-Maus-Konkurrent Warner Bros. Pictures und Mattel zusammengeschlossen, um einen «Barbie»-Spielfilm zu kreieren. «Lady Bird»-Regisseurin Greta Gerwig und Nora Baumbach («Marriage Story») haben ein Drehbuch verfasst, das eine Mischung aus drei unterschiedlichen Genres ist – und damit gar nicht zusammen passt. Man hätte erwarten können, dass Warner Bros. so ein Prestige-Projekt wie dieses von einem Mastermind redigieren lässt. Um eine Art Mattel-Universum zu erschaffen und damit eventuell mit DC gleichzuziehen, hätte man das erfahreneren Autoren überlassen müssen.

«Barbie» beginnt brillant: In einer ikonischen Szene wird die Geburt der Puppen dargestellt, deren Schöpfung mit dem Mattel-Spielzeug ihr Meisterwerk feiert. Es folgt der Flug ins Barbieland, einem Ort voller erfolgreicher, selbstbewusster und starker Frauen, deren Männer nur ein Sidekick sind. Produktionsdesignerin Sarah Greenwood, Kostümdesignerin Jaqcueline Durran und die Set-Dekorateure Katie Spenger und Ashley Swanson haben sich im Studio wahrlich austoben dürfen. Man kann sagen: Das Set ist geradezu voluminös und phänomenal gestaltet, in jeder Ecke sind Kleinigkeiten und Anspielungen versteckt. Die erste halbe Stunde des Films ist eine völlige Übertreibung der Barbie-Spielzeuge, die man nicht besser ausgestalten könnte.

Doch Barbie steckt in ihrem gleichnamigen Film in einer Zeitschleife. «Und täglich grüßt das Murmeltier» lässt grüßen, doch Bill Murray ist hier Margot Robbie. Während Phil vor genau 30 Jahren diese Zeitschleife durchbrechen möchte, hält Barbie an diesem ewig wiederholenden supertollen Tag fest. Doch Barbie bekommt Selbstzweifel, denkt bei einer abendfüllenden Party gar über den Tod nach. Das schockiert ihre zahlreichen Freundinnen, aber schon bald steht fest, dass Barbie die Parallelwelt verlassen muss.

Mit Hilfe eines Portals durchkreuzt sie eine verrückte Szenerie, ehe sie im kalifornischen Venice Beach strandet. Mit dabei ist auch der Ryan-Gosling-Ken, dessen Besetzung fragend aufwirft: Ist es genial, dass Gosling viel zu alt aussieht, weil das Spielzeug seit Jahrzehnten nicht landen kann oder hat man den «LaLa Land»-Star nur gecastet, weil man einen großen Namen haben möchte. Der Altersunterschied zwischen den beiden ist frappierend und eine Lösung wird im Film nicht einmal angedeutet. Selbst das Happy End – natürlich gibt es das – lässt den Kinogänger zum Teil fragend zurück.

In Los Angeles müssen Barbie und Ken ein Mädchen suchen, deren Lebensgefühl aus den Fugen geriet. Mit dem Aufeinandertreffen mit der jungen Sasha (Ariana Greenblatt, «Stuck in the Middle») gleitet der Spielfilm in den dramatischen Teil. Die zynische Teenagerin veralbert Barbie, weil sie sich für eine Puppe hält. Außerdem habe natürlich das Mattel-Spielzeug das Frauenbild um ein halbes Jahrhundert nach hinten geworfen. Es sind schon große Stücke, die Regisseurin Greta Gerwing aus Sashas Mund sprechen lässt. In «Barbie» bekommt Mattel so richtig sein Fett weg, zahlreiche fragwürdige Entscheidungen in Sachen Spielzeug werden kritisch ausgearbeitet. Der Spielzeughersteller hat wohl auch nur zugestimmt, so negativ behandelt zu werden, weil man sich dadurch einen Kassenschlager erhofft.



Inzwischen ist Mattel darauf aufmerksam geworden, dass Barbie ihre Welt verlassen hat. Das könnte zum Problem werden – das Wieso beantwortet der Spielfilm leider nicht. Am Kopf von Mattel ist Will Ferrell, der mit seiner Entourage eine völlig verblödete Geschäftsleitung verkörpert. Der feingeistige Humor der ersten Minuten ist nach einer Stunde völlig verschwunden, es reihen sich flache Gags aneinander, die immer wieder von tiefen Momenten unterbrochen werden.

Unterdessen kommt Sashas Mutter, Gloria, hervorragend gespielt von American Ferrera («Ugly Betty») ins Spiel, die mit der Barbie den ungeheuerlichen Plan von Ken aufhalten und gegen Mattel kämpfen muss. In einer Schulbücherei entdeckt Ken das Patriarchat, das zu sehr lustigen Momenten führt – allerdings wieder im satirischen Stil von «The White Lotus» und damit wieder der krasse Gegensatz zu den vorherigen albernen Witzen aus 80er-Jahre-Komödien.

«Barbie» ist eine außergewöhnliche Produktion. Allerdings nicht etwa eine Produktion, die alles in den Schatten stellt, sondern eine verkorkste Vermischung aus drei unterschiedlichen Genres: Satire, Drama und Klamauk. Obwohl der Warner-Bros.-Film fantastisch beginnt, endet er mau und ohne Konzept. Um es böse zu sagen: Der «Barbie»-Film ist ein weiteres liebloses Spielzeug von Mattel. Der Greta-Gerwig-Film wäre eindeutig besser geworden, wenn man sich auf ein Genre konzentriert hätte. Bedauerlich!

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