Im Zusammenhang mit den "Griechischen Tragödien" lohnt es sich, die Ansichten des weltberühmten Philosophen Friedrich Nietzsche (1844-1900) zu beleuchten. Für Nietzsche sind die olympischen Gottheiten Apollon und Dionysos grundlegende Naturkräfte. Ihre Wirkung entfaltet sich in Kultur und Kunst, sie beeinflussen das menschliche Dasein fortwährend. In seinem Werk "Die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik" weist er auf diese Zusammenhänge hin. Nämlich die griechische Tragödie mit Musik, Tanz und eben den Göttern. Vor allem Dionysos, nach dem die jährlich wiederkehrenden Feste in Griechenland Dionysien genannt wurden, spielt dabei eine wichtige Rolle. Während Apollon als Gott diszipliniert, nüchtern und unnahbar erscheint, ist Dionysos mit seinen lockeren, freien, wilden Nuancen eine Art Gegenspieler. Nietzsche sieht das Dionysische eher als rauschhafte
Verschmelzung und Versöhnung von Mensch und Natur. Das Dionysische ist nach Nietzsche im Apollinischen gespeichert, in der griechischen Tragödie wird es erst richtig frei. Vor allem die Musik und der Chor sieht der Philosoph als beeinflussende Faktoren. Das Dionysische und die Kunst im Allgemeinen sind für Nietzsche ausschlaggebend für den Erfolg der griechischen Tragödien. Die dionysische Kunst ist für ihn die entscheidende Daseinsform, durch die das Leben schöpferisch und sinnvoll erscheint. Die Musik gilt ihm dabei immer als die dionysische Kunst schlechthin. Das Dionysische ist für Nietzsche die Grundlage ästhetischer Prinzipien und existenzphilosophischer Aussagen. Nicht Maße und Normen bestimmen das Leben, so der Philosoph. Vielmehr sind ständige Selbstüberwindung und subjektive Selbstschöpfung wichtige Aspekte. Die attische Tragödie entspricht im Prinzip der griechischen Tragödie.
Eine Schlussbetrachtung
Viele Beobachter der griechischen Tragödie wiesen und weisen darauf hin, dass Politik in der Tragödie eine Rolle spielt.
Der international bekannte deutsche Althistoriker Christian Meier schreibt in seinem Buch "Politische Kunst der griechischen Tragödie" über dieses Thema. Dabei geht es um Athen im Besonderen und Griechenland im Allgemeinen, dargestellt vor allem an den Werken von Aischylos, Sophokles und Euripides. Die Aufführungen der Tragödien im Dionysos-Theater in Athen waren eminent politisch.
Weit über 10.000 Menschen erlebten dort, wie unter dem Deckmantel der griechischen Tragödie hochaktuelle, zum Teil brisante Themen verhandelt wurden. Die Autoren der aufgeführten Dramen gehörten fast ausnahmslos der athenischen Elite an, erreichten aber letztlich auch breite Bevölkerungsschichten. Schließlich bewegten sich die Stücke im Bereich des Zeitgeschehens, wie z.B. dem Sieg über die Perser, und nur in der Tragödie hatten sie eine Instanz, die ihnen sonst fehlte.
Dank der Autorität der Dichter konnte man viel lernen. Vor allem gab es die Möglichkeit, bestimmte Dinge innerlich durchzuspielen, um sie besser einordnen und diskutieren zu können. Die öffentliche Auseinandersetzung mit ethischen, mentalen und politischen Fragen war den Griechen wichtiger als Geheimniskrämerei. Der Vorteil der Tragödie bestand darin, dass aktuelle, auch politische Fragen der Gegenwart im fernen Mythos durchgespielt werden konnten. Die Werke der Tragiker trugen praktisch dazu bei, dem attischen Bürgertum eine Art geistiges Training zu bieten. So konnten Aischylos, Sophokles und Euripides, jeder für seine Epoche in der Geschichte Athens des 5. Die Tragödie wurde so zu einer wichtigen Angelegenheit der gesamten Festbürgerschaft. Auf diese Weise konnte sie politische und andere Probleme in den ersten Jahrzehnten nach dem Perserkrieg viel leichter und besser verstehen und verarbeiten. Politische Probleme konnten, versteckt in einer Tragödie, verständlicher und lösbarer werden.
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