Die Kino-Kritiker

«Heart of Stone»: Action-Pur ohne Durchhänger

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Ein Actionfilm mit Gal Gadot und Matthias Schweighöfer? «Heart of Stone» vereint die beiden sehr unterschiedlichen Filmstars tatsächlich zusammen vor der Kamera. Dass Gal Gadot Action kann, hat sie als Wonder Woman hinlänglich bewiesen. Aber Matthias Schweighöfer?

Heart of Stone

Cast: Gal Gadot, Matthias Schweighöfer, Alia Bhatt, Jamie Dornan, Jing Lusi, Paul Ready, Glenn Close, Jon Kortajarena, Archie Madekwe
Regie: Tom Harper
Drehbuch. Greg Rucka, Allison Schroeder
Produktion: David Ellison, Gal Gadot, Dana Goldberg, Don Granger, Jaron Varsano, Bonnie Curtis, Julie Lynn
Kamera: George Steel
Montage: Mark Eckersley
Musik: Steven Price
Na gut, ein Spoiler vorweg: Schweighöfer stellt in dem Netflix-Actionkracher keinen coolen Sprüche klopfenden Bondverschnitt oder etwas in dieser Preisklasse dar. Schweighöfer ist Jack, ein Computergenie, das vor allem im Hauptquartier der Charta seinen Job ausübt. Schweighöfer schwimmt derzeit (gerade in den USA) auf einer Welle der Sympathie. Seit seiner entzückenden kurzweiligen Heist-Komödie «Army of Thieves» haben die Amerikaner offenbar einen Crush für den deutschen Blondschopf entwickelt, der in «Heart of Stone» nicht gerade viel zu tun hat, dafür aber seinen sehr deutschen Akzent (im englischen Original) weiter kultiviert, der tatsächlich einen hohen Wiedererkennungswert in sich trägt. Kein Wunder, dass er diese Popularität nutzt und Präsenz zeigt. Präsenz steigert den Marktwert. Ansonsten beschränkt sich seine Rolle weitestgehend darauf, der kleine Mann im Ohr der Agentin Rachel Stone (Gadot) zu sein, den nur sie hören kann, wenn sie ihrer wahren Identität freien Lauf lassen kann.

Gal Gadot ist also Rachel Stone. Rachel ist Mitglied eines vierköpfigen Teams von MI6-Agenten, die (durchaus in Bond-Marnier) die ganz großen bösen Buben zu Fall bringen. Wie beispielsweise einen Waffenhändler, den sie in einem privaten Club in einem Städtchen in Südtirol verhaften und nach Großbritannien schaffen sollen. Rachel ist die Computerspezialistin, die Hackerin und so etwas wie das Maskottchen, das von den anderen Dreien umsorgt wird, denn: im Gegensatz zu diesen ist Rachel keine Agentin für den gefährlichen Außeneinsatz. Sie ist die, die im Schatten verbleibt und durch ihr Können ihren Kameradinnen und Kameraden digital den Rücken freihält. Nachdem die Verhaftung des Waffenhändlers jedoch etwas aus dem Ruder läuft, ist es an der Zeit, die wahre Rachel freizulassen. Und da kommt der kleine Mann ihrem Ohr zum Einsatz – via Funk, versteht sich, denn irgendwo in London sitzt eben dieser Jack am Pult eines Computers, dessen Prozessor das Herz aus Stein genannt wird. Das Heart of Stone ein Supercomputer, den jeder Geheimdienst vermutlich gerne in seinem Besitz sähe. Die Charta aber ist ein privater Geheimdienst, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, für das Gute einzustehen, dabei aber selbst Dienste wie den MI6 unterwandert, um Agenten wie Rachel dort zu positionieren. Rachels Problem: Sie muss einerseits diese Waffenhändler irgendwie dingfest machen – und sie darf dabei nicht von ihren Leuten gesehen werden.

«Heart of Stone» hält sich gar nicht mit langen Einführungsreden auf. Ganz der Tradition der Bond-Werke verpflichtet, startet der Film mit einer saftigen Actionsequenz, die zügig inszeniert gar nicht erst Zeit lässt, die Sinnhaftigkeit der Geschichte zu hinterfragen. Rachel auf jeden Fall wird als coole (aber sympathische) Heldin etabliert, mehr braucht es nicht, um die eigentliche Handlung anzustoßen, die sich weniger um den besagten Waffenhändler dreht, sondern das titelgebende Herz aus Stein. Während ihres Einsatzes in Südtirol wird Rachel nämlich von einer jungen indischen Frau angesprochen, die offenbar genau weiß, wer sie und das Herz aus Stein sind. Warum sie sie anspricht und dann untertaucht? Das wird im Verlauf der Handlung offenbart. So steht jedoch von Anfang an fest: Dort draußen gibt es Menschen, die über Charta und ihren Supercomputer Bescheid wissen – und die es definitiv auf diesen Computer und den geheimen Geheimdienst abgesehen haben.

«Heart of Stone» gehört zu jener Art von Actionfilmen, die vor zehn oder 15 Jahren selbstverständlich im Kino gelaufen wären. Mit Tom Harper hat die Produktionsfirma Skydance eine interessante Wahl für die Besetzung des Regiepostens getroffen. Harper kann mit größeren Budgets arbeiten: 2015 hat er für die BBC den aufwendigen Sechsteiler «Krieg & Frieden» inszeniert, ansonsten aber hat man ihn im aktionsgetriebenen Kino- oder Fernsehen bislang nicht verorten können. Seine Regie ist schnörkellos und – ein bisschen altbacken, was nicht als negative Kritik zu verstehen ist. Natürlich ist auch «Heart of Stone» ein Film, in dem sich CGI-Experten haben austoben dürfen. Aber dies ist nicht «Fast & Furious», also eine Leistungsshow des Höher, Schneller, Weiter. Die Action von «Heart of Stone» findet in der Regel auf Augenhöhe mit der Protagonistin statt, die eben nicht nur austeilen, sondern teilweise auch ziemlich einstecken muss. «Heart of Stone» ist auch kein atemloses Non-Stop-Actionfeuerwerk à la «Tyler Rake». Die Geschichte dosiert seine Actioneinsätze sehr überlegt. Das gibt vor allem Gal Gadot den Raum, sich als echte Protagonistin mit Stärken und mit Schwächen etablieren zu können.

Dass Filme wie «Heart of Stone» nicht mehr im Kino laufen, ist „die Schuld“ von Netflix und den anderen Streamingdiensten, die Kinofilme in Auftrag geben ([Heart of Stone]] ist ein solcher), diese dann aber auf ihren Plattformen regelrecht verballern. Warum für einen Film dieser Art (mit wohl dosierter Action, netten Schauwerten und einer sympathischen Heldin) noch ins Kino gehen, wenn Netflix den Film in der Flatrate nach Hause bringt? Für einen großen Blockbuster ist «Heart of Stone» dann nur leider eben doch zu klein. Dass Kinobetreiber über diese Entwicklung nicht glücklich sind – vor allem mit Blick auf den mauen Kinosommer 2023, der das Scheitern manch eines vermeintlichen Blockbusters ertragen musste, ist absolut verständlich, denn, um dies zu wiederholen: «Heart of Stone» wäre noch vor wenigen Jahren ein Kinofilm „für zwischendurch“ gewesen. Ein Film, von dem man wusste, dass er nicht den Sinn des Lebens erklären oder die Mega-Schauwerte liefern würde – der aber für einen angenehmen Kinoabend gesorgt hätte.
Doch hätte spielt Klarinette, die Zeiten haben sich geändert und nun ist der Film also auf Netflix.

Auf der Positivseite stehen die Hauptdarstellerin und die weitestgehend schnörkellose Inszenierung der Actionszenen. Die Geschichte von Charta wirkt zwar ein wenig wie die B-Ausgabe der «Kingsman», doch geschickt weiß die Regie dies durch den Einsatz der Darstellerinnen und Darsteller zu übertünchen. Neben Matthias Schweighöfer, der seine Rolle ohne Fehl und Tadel verkörpert, ist dies vor allem der Britin Sophie Okonedo zu verdanken, die in der Rolle der Nomad die britische Linie der Charta führt. Nomad ist ein Tarnname. Wer sie in Wahrheit ist, spielt jedoch keine Rolle. Sophie Okonedo agiert hemdsärmlig; ohne, dass dies je Erwähnung fände, besteht kein Zweifel daran, dass diese Nomad nicht nur die Arbeit hinter dem Schreibtisch kennt. Um Charta zumindest ein bisschen mystisch erscheinen zu lassen, dafür hat die Produktion mit Glenn Close eine Grande Dame des amerikanischen Kinos eingekauft, die als Chefin der amerikanischen Charta eben genau diese Mystik in ihren Auftritten verkörpert.

Auf der Negativseite steht ein Bruch nach dem ersten Akt der Geschichte. Dieser erste Akt präsentiert ein vierköpfiges Agententeam, in dem die handelnden Figuren wirklich bemerkenswert „echt“ miteinander agieren. Ohne sie zu kennen, fühlt man doch direkt eine Kameradschaft, ja Freundschaft, die zwischen ihnen herrscht. Gerade der liebevolle Umgang mit Rachel offenbart, dass diese Figuren keine coolen Superagenten (oder gar Killer) sind. Sie sind eine eingeschworene Truppe. Wenn Rachel ihnen denn auch zu Hilfe kommt, negiert sie mehrfach Anweisungen von Jack aus der Ferne, mit denen er Rachel schützen will und bereit ist, die anderen Agenten (die nicht seine sind) zu opfern. Statt auf Jacks Stimme zu hören, geht Rachel lieber das Risiko ein, enttarnt zu werden, wenn das der Preis dafür ist, ihre Leute zu retten.



Dieser Ensemblecharakter trägt die Handlung durch den ersten Akt. Die Inszenierung orientiert sich hier sicherlich an den Filmen der «Mission: Impossible»-Reihe, die zwar ganz auf ihren Hauptdarsteller Tom Cruise zugeschnitten sind, die aber eine große Liebe zu seinen Sidekicks spüren lassen. Dieser Ensemblecharakter endet jedoch jäh mit Beginn des zweiten Aktes. Dramaturgisch macht dies, ohne Details zu verraten, Sinn. Dieser Bruch offenbart aber auch, dass der gesamte erste Akt in Wahrheit nur den Prolog der tatsächlichen Handlung darstellt, in dem nun der Fokus ganz auf Gal Gadots Rachel gerichtet ist. Das ist schade, denn der anfängliche Ensemblecharakter wirkt erfrischend und vollkommen unerwartet.

Trotz dieses Bruchs erledigt «Heart of Stone» seinen Job ansonsten tadellos, indem die Inszenierung die wichtigste aller Regeln des Filmemachens berücksichtigt: Du darfst nicht langweilen. Sicher ist «Heart of Stone» weder wirklich originell noch ein Meisterstück des Actionkinos. Er ist aber eben auch nicht schlecht.
Er ist unterhaltsam. Und mehr will er auch gar nicht sein.

PS: Bei Erfolg sind Fortsetzungen nicht ausgeschlossen.

Im Stream auf Netflix

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