Die Kritiker

«Kommissar Beck – Tödliche Falle»: Gelungener Einstieg

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Ein junger Mann wird ermordet im Haus seines Vaters aufgefunden. Der junge Polizist, der ihn am Tatort entdeckt, ist Vilhelm Beck, der Enkelsohn des fast schon legendären Martin Beck. Und so beginnt eine neue Staffel der Serie «Kommissar Beck».

Kommissar Beck – Tödliche Falle

BESETZUNG: Peter Haber, Jennie Silfverhjelm, Mans Nathanaelson, Martin Wallström, Annas Asp, Jonas Karlsson, Elmira Arikan
REGIE: Niklas Ohlsin
DREHBUCH: Peter Arrhenius
KAMERA: Mats Axby
MUSIK: Adam Nordén
«Kommissar Beck» gehört inzwischen zu den Serien, die das Gefühl geben, schon immer „irgendwie“ dagewesen zu sein. Am 27. Juni 1997 erlebte der erste Film der Reihe in Schweden seine Kinopremiere, knapp ein Jahr später startete die Reihe auch hierzulande. Tatsächlich wurden die ersten Filme in Schweden im Kino oder auf Video ausgewertet. Eine seltsame Entscheidung von Deutschland aus betrachtet. In Schweden jedoch hat diese Entscheidung durchaus Sinn gemacht. Die Figur des Martin Beck war schon vor dem Start der Serie so populär, dass es sich lohnte, eine durchaus aufwendige Serie anzugehen, die sich international gut verkaufen ließ – und mit der man in Schweden durch eine Vorabvermarktung ein paar Kronen extra verdienen konnte. Was durchaus eine gewisse Ironie nicht verbergen kann, waren Martin Becks literarische Eltern Maj Sjöwall und Per Wahlöö doch antikapitalistische Marxisten, die die Figur des Martin Beck erfanden, um mit ihm Kapitalismuskritik zu üben, weshalb sie immer wieder aktuelle Themen in ihren Romanen aufgriffen, um diese dann im Rahmen einer Spannungsgeschichte zu verarbeiten. Statt also auf die große, marxistische Streitschrift zu setzen, suchten sie den Weg der Unterhaltung. Einen Weg, der sich für das klassenkämpfende Ehepaar finanziell gelohnt haben dürfte. 1965 startete ihre Romanreihe, die nicht nur in Schweden die Kassen klingeln ließ, sondern auch international die Bestsellerlisten stürmte – und zwar in West und Ost. 1968 ermittelte Kommissar Beck erstmals auf der Leinwand in einer schwedischen Adaption des Romans «Die Tote im Götakanal»; 1973 diente der Roman «Endstation für neun» als Vorlage für den amerikanischen Actionthriller «Massenmord in San Francisco», in dem Walter Matthau eine US-Version des Martin Beck verkörperte.



Die Romanserie endete abrupt 1975 mit dem Tod von Per Wahlöö im Alter von nur 49 Jahren. Trotz der Popularität der Romane und ihrer internationalen Verwertbarkeit – «Massenmord in San Francisco» war ein ordentlicher Erfolg an den Kinokassen -, folgten bis zur ersten TV-Serie 1993/94 nur drei weitere Spielfilme: «Der Mann auf dem Dach» (1975) aus Schweden, die deutsch-ungarisch-schwedische Koproduktion «Der Mann, der sich in Luft auflöste» (1982) der niederländisch-belgische Thriller «Beck – De gesloten kamer», der aus dem ursprünglichen Spielort Stockholm Antwerpen machte.

Die erste Serie, die 1993 startete, es aber nur auf eine Staffel brachte, strahlte hierzulande noch RTL aus; als in Schweden die Idee reifte, eine aufwendige Serie zu kreieren, die auf den Figuren des Autorenpaars basieren sollte, ohne direkt auf literarischen Vorlagen basieren zu müssen, sprang seinerzeit die ARD als Co-Finanzier ein. In Deutschland waren die Romane in den 1960er und 1970er Jahren große Bestseller, und dann rockte Mitte der 90er gerade Henning Mankell die Bestsellerlisten. Skandinavische Thriller begannen sich als eine eigene Marke (Nordic Noir) zu etablieren. Kaum zu glauben, dass die ARD seinerzeit tatsächlich einen wirklich guten Riecher bewies – und kurzerhand in die Produktion einstieg, um die Serie für den deutschen Markt zu vermarkten. Was dann genau passiert ist, das wäre sicher eine Recherche wert. Um die Serie für den deutschen Markt „fett“ zu bewerben, wurden exklusiv für Teutonia einige Szenen mit Ottfried Fischer gedreht. Der ist in der Rolle des Gerichtsmediziners Oljelund zu sehen (welcher in der Originalversion von einem schwedischen Darsteller verkörpert wird). Fischer agierte denn auch stets nur mit den beiden Hauptdarstellern Peter Haber und Mikael Persbrandt, die Dialoge wurden zwar später nachsynchronisiert, am Set aber sprach man Deutsch. Persbrandts Deutsch soll recht gut sein, und Beck-Darsteller Peter Haber ist Sohn eines Deutschen und hat einen Teil seiner Kindheit in Remscheid verbracht. Seit 2001 ist die Serie in Deutschland allerdings im ZDF daheim. Und ganz ehrlich: Es hat der Serie gutgetan, das ZDF hat definitiv einige krumme Stellschrauben nach der ersten Staffel gerade gedreht. Die erste Staffel wird von einer bleiernen Dunkelheit überschattet, die in nahezu jeder Einstellung schreit, dass es hier nicht nur um Unterhaltung geht, sondern dass es auch einen volkserzieherischen Auftrag zu erfüllen gibt. Peter Haber mag von Anfang an in der Rolle drin sein und Mikael Persbrandt, der über lange Jahre hinweg seinen Partner und Freund Gunvald Larsson mit einer oftmals nicht politisch-korrekten Härte verkörperte, hat einen „Typen“ dargestellt, der allein durch sein Auftreten für Respekt sorgte.

Ohne das glückliche Händchen des Castings aber bei der Besetzung der beiden Hauptrollen – wäre «Kommissar Beck» heute möglicherweise nur eine Fußnote im Reigen des Kriminalfernsehen, denn wirklich rocken konnte die erste Staffel wirklich nicht. Unter er Mitwirkung des ZDF ist die Serie geradliniger geworden. Dass die neue Staffel übrigens erst die neunte ist, ist mit oft jahrelangen Pausen und der Tatsache zu erklären, dass noch bis 2010 in Schweden einige Spielfilme vor einer TV-Ausstrahlung im Kino verwertet worden sind. Erst mit der fünften Staffel 2015 ist die Geschichte mit den Kinoauswertungen auch in Schweden beendet worden; seit diesem Ende herrscht eine verdichtete Produktionskontinuität und so kommt es, dass nach der achten Staffel im Herbst 2022 das deutsche Publikum im Herbst 2023 auch schon die nächste Staffel zu sehen bekommt, die aus vier Spielfilmen besteht und mit der Geschichte «Tödliche Falle» beginnt.

Vilhelm, der Enkel von Martin Beck, absolviert seinen ersten Einsatz als Auszubildender bei der Polizei. Mit seiner älteren Kollegin Trine fährt er zu einem Haus, aus dem ein Einbruch gemeldet wurde. Doch der vermeintliche Routinefall wird zum traumatischen Erlebnis. Vilhelm findet den 17-jährigen Samir tot in seinem Zimmer. Er wurde offenbar erschlagen. Vilhelm hätte das Haus gar nicht allein betreten dürfen. Da es jedoch nach einem Routinefall aussah, hat Trine die Regeln etwas locker ausgelegt. Und so steht Vilhelm vor einem Leichnam, der kaum jünger ist als er. Das Beck-Team übernimmt die Ermittlungen. In deren Verlauf entdeckt Kommissar Josef Erikson in Samirs Zimmer teure Turnschuhe und Designerkleidung. Woher hatte der Jugendliche das Geld dafür?

Als Josef und Teamleiterin Alex die Mitschüler von Samir befragen, erfahren sie von einem Vorfall auf einer Party. Ein anderer Jugendlicher, Anton, hatte ihn dort in den Swimmingpool gestoßen und damit gedroht, ihn umzubringen. Anton ist somit ein Verdächtiger, aber auch in seinem Zimmer machen die Ermittler eine Entdeckung: Sie finden Geld, das gut versteckt ist.

Der Fall zieht immer weitere Kreise, denn nicht nur Anton ist verschwunden (ist er untergetaucht?). Auch eine Mitschülerin Samirs, Stella, kommt am Tag nach Samirs Tod nicht mehr zur Schule und ist nicht mehr auffindbar. Vilhelm beteuert zwar, dass er mit dem Leichenfund umgehen kann, schließlich muss er lernen, mit solchen Situationen klarzukommen, das ist jedoch eine Lüge. Der Tod Samirs setzt ihm zu. Daher geht er selbst einigen Spuren nach.

Nach dem schlappen Start der achten Staffel 2022, der als eine ziemlich öde Angelegenheit des Weges kam und über seine gesellschaftlich relevante Geschichte vergaß, so etwas wie Spannung (oder glaubwürdige Figuren) aufzubauen, ist «Tödliche Falle» ein recht zügig inszenierter, konventioneller Thriller, der einige Haken schlägt. Nach rund der Hälfte der Spielzeit glaubt man zu wissen, was mit den Jugendlichen passiert ist und was sie selbst getan haben: Aber, Spoiler, so einfach ist es dann doch nicht.

Ein Schwachpunkt der letzten Staffel war darüber hinaus ausgerechnet Peter Haber. Haber, der die Serie einst getragen und Spuren hinterlassen hat, kann sein Alter, er ist Jahrgang 1952, nicht verbergen. Im Pilotfilm der 2022er Staffel wirkte er fast wie eine Art Maskottchen. Da die Serie «Kommissar Beck» heißt, muss Kommissar Beck halt auch auftreten. Zwar hat man um ihn herum ein Team von Individuen aufgebaut, die die Serie auch ohne den „Chef“ weiterführen können – nur ist der Chef nun einmal die Titelfigur. Eine Titelfigur, der es an der Agilität fehlt, noch im Feld mitwirken zu können. Das Problem löst «Tödliche Falle» durch die Involvierung seines Enkels in den Fall. Haber darf seine Klasse auf der emotionalen Ebene ausspielen, als Großvater und Mentor. Becks Menschlichkeit wird in diesem Rahmen außerdem auf die Figur des Vilhelm Beck übertragen, der als eine Art Spiegelbild Martin Becks agiert – nur 50 Jahre jünger.



Fazit: «Tödliche Falle» mag kein großes Kino sein, dennoch ist der Spielfilm ist ein gelungener Einstieg in die neunte Staffel. Ein gut konstruierter Fall und gut aufgelegte Hauptdarsteller wecken Interesse an den weiteren Fällen dieser Season

Am Sonntag, 10. September 2023, 22.00 Uhr, ZDF

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