Serientäter

«School Spirits»: Eine positive Überraschung

von

Maddie hat ein Problem: Ihr Mörder läuft frei herum und sie selbst hat keine Erinnerungen daran, warum und wieso sie sterben musste. Aber nicht nur das: Maddie ist auch noch gezwungen, als Geist an ihrer alten Schule umherwandeln zu müssen. Wie eine ganze Reihe anderer Schülerinnen und Schüler, die im Laufe der Jahrzehnte gestorben sind.

School Spirits

USA 2023
8 Episoden zwischen 45 und 52 min
BESETZUNG: Payton List, Kristian Flores, Milo Manheim, Spencer MacPherson, Kiara Pichardo, Sarah Yarkin, Nick Pugliese
CREATED: Megan und Nate Trinrud
KAMERA: Craig Dean Devine
SCHNITT: Robert Lattanzio
REGIE: Max Winkler, Oran Zegman, Hannah Macpherson, Brian Dannelly
AUTOREN: Megan und Nate Trinrud, Thomas Higgins, Lijah Barasz, Bernadette Luckett, Oliver Goldstick, Natalia Castells-Esquivel
In den USA streamte Paramount+ «School Spirits» bereits im März 2023. Erst Ende Juli wurde die Serie auch in Deutschland ins digitale Regal gestellt. Ziemlich lautlos, kaum wahrnehmbar. Warum? Das wird das Geheimnis von Paramount+ bleiben, denn in den USA haben die acht Episoden dieser ersten Staffel ein treues Fanpublikum gefunden und eine zweite Staffel ist längst bestellt. «School Spirits» ist ein Whodunnit-Thriller, ein Teen-Drama, eine Geistergeschichte und – eine Geschichte voller Humor. Bei aller Dramatik gelingt es der Serie immer wieder, humorvolle Momente zu kreieren, trotz der Hintergrundgeschichte, die von jungen Menschen berichtet, die viel zu früh aus dem Leben geschieden sind, was im Grunde genommen Humor ausschließt. Die Inszenierung jedoch weiß auf den Punkt genau, wann Humor angebracht ist – und wann nicht. Und dass der Humor funktioniert, ist der großen Liebe der Macher zu ihren Hauptfiguren geschuldet; Figuren, die man einfach im Verlauf der Serie ins Herz schließt, weil sie alle ihre Geschichten zu erzählen haben, die all diese Figuren am Ende fast wie gute Freunde wirken lassen. Von denen einige nur leider ziemlich tot sind.

So also beginnt es. Maddie sitzt in der Aula ihrer Schule und muss mit ansehen, wie der Rektor verkündet, dass sie verschwunden ist, die Polizei die Hoffnung aber sie zu finden nicht aufgibt. Was, wie Charley bemerkt, wohl ein frommer Wunsch bleiben wird. Zumindest wird man nicht mehr als ihre Leiche finden. Charley weiß, wovon er spricht. Charley war selbst Schüler ihrer High School. Er war gegen Nüsse allergisch. Einmal passte er nicht auf. Seit diesem Tag vor 30 Jahren sitzt er in der Schule fest. Wie einst die Schlossgespenster, die dazu verdammt waren, in den Gemäuern ihrer Vor- und Nachfahren zu spuken, kommen die verstorbenen Schüler nämlich aus der Schule nicht raus. So wie Wally, der in den 80ern der Held der Footballmannschaft gewesen ist und den Maddie sogar kennt: Die Turnhalle wurde nach seinem Tod nach ihm benannt. Wally ist ein eher simpel gestrickter Typ, dem bei seinem letzten Footballspiel das Genick brach. Chloe, die immer nur im Flur sitzt, soll Anfang der 70er wohl einen LSD-Trip zu viel unternommen haben: So genau weiß man es nicht, da sie offenbar nie aus dem Trip herausgefunden hat. Und dann ist da noch die existenzialistische Nonkonformistin Rhonda, die um 1960 von ihrem Vertrauenslehrer erwürgt wurde.

So existieren sie (und einige andere mehr) in den Gängen ihrer alten Bildungsanstalt und nehmen am Leben der Lebenden teil. So wirklich packend ist ihr Dasein nicht, denn sogar als Geist braucht man Schlaf und Charley kann selbst in diesem Zustand keine Nüsse essen. Es ist nicht schön. Und eine Kommunikation mit den Lebenden – ist unmöglich. Man kann ihre Bücher lesen, ja sogar ihre DVD gucken. Aber es sind quasi Kopien der echten Gegenstände. Es ist frustrierend. Daher wird Maddie damit leben (oder existieren) müssen, dass sie den Lebenden auf der Suche nach ihrem Mörder nicht helfen kann, was allerdings eh schwierig wäre. Während sich Rhonda auf den Punkt daran erinnern kann, wie sie seinerzeit ermordet worden ist, aber auch Wally noch genau weiß, wie er auf dem Feld starb, hat Maddie keinerlei Erinnerungen an ihr Ableben. Und das ist seltsam, denn so funktioniert das mit dem Tod sein normalerweise nicht. Genau so, wie es nicht sein kann, dass es Maddie eben doch gelingt, mit einem Lebenden in Kontakt zu treten. Simon war (ist) ihr bester Freund. Ihre tiefe Freundschaft, die verletzten Emotionen, Simons Trauer – alles zusammen hat offenbar ein Tor geöffnet, das es den beiden ermöglicht, miteinander zu reden. Aber nur innerhalb der Schule. So ergeben sich Chancen, mit denen niemand gerechnet hat.

«School Spirits» kreiert wunderbare Charaktere, mit denen man problemlos mitfiebern, lachen oder leiden kann. Was auch für die Figuren auf der anderen Seite, der Seite der Lebenden, gilt. Erfrischend ist das Fehlen von fast jeglichem Zynismus. Mit Tempo geht die Jagd voran, immer wieder werden Spuren gelegt, neue Verdächtige kreiert oder alte Verdächtige entlastet. Die Frage nach dem Warum – sie ist die entscheidende, denn Maddie war eine unauffällige Schülerin, eine Außenseiterin, die niemanden etwas getan hat. Warum also ist sie fort?



Die unbekannte Vorlage


Die Entstehungsgeschichte der Serie ist selbst für amerikanische Maßstäbe bizarr. Grafische Novellen dienen bekanntlich oft und gerne als Vorlagen für Serien. «The Walking Dead», «The Boyss», die ganzen DC- und Marvel-Reihen und viele andere Serien mehr basieren auf gezeichneten Vorlagen. Dies gilt auch für «School Spirits». Allerdings ist die Reihe bislang nicht erschienen (am 14. September 2023 soll sie in den USA gedruckt erscheinen). Paramount+ hat die Rechte an der Vorlage also vor Erscheinen derselbigen erworben, was erst einmal nicht ungewöhnlich nicht ist: Wenn ein Projekt angekündigt wird und Produzenten eine Chance wittern, wird frühzeitig eine Option für eine etwaige Verfilmung erworben. Dass jedoch deren filmische Umsetzung unter der Federführung der Autoren der Vorlage, Megan und Nate Trinrud sowie Maria Nguyen, vor der Veröffentlichung der Grafischen Novelle in Produktion gegangen und gestreamt worden ist... Das ist selbst für Hollywoodverhältnisse ungewöhnlich. Und, nicht vergessen, in den USA ist sie bereits im Frühjahr gestreamt worden!

So oder so: «School Spirits» ist die große Überraschung dieses Fernsehjahres. Eine Serie mit Herz, spannend, abwechslungsreich, mysteriös. Ohne großes Tamtam, auf den Punkt inszeniert.

Im Stream auf Paramount+

Kurz-URL: qmde.de/144971
Finde ich...
super
schade
Teile ich auf...
Kontakt
vorheriger Artikel«Bad Influencer»: SWR knöpft sich die Welt von Social-Media-Stars vornächster ArtikelBuchclub: ‚Links ist nicht woke‘
Schreibe den ersten Kommentar zum Artikel

Optionen

Drucken Merken Leserbrief




E-Mail:

Quotenletter   Mo-Fr, 10 Uhr

Abendausgabe   Mo-Fr, 16 Uhr

Datenschutz-Info

Letzte Meldungen

Werbung

Mehr aus diesem Ressort


Jobs » Vollzeit, Teilzeit, Praktika


Surftipp


Surftipps


Werbung