Interview

Alexander Gutsfeld: ‚In kurzer Zeit so viel Geld wie möglich zu machen‘

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Journalist, Autor und Host des Podcasts von «Das Lederhosen Kartell» kennt sich als gebürtiger Münchner bestens auf den Wiesn aus. Er spricht über das bayerische Fest in guten wie auch schlechten Tönen.

Hallo Herr Gutsfeld! Im vergangenen Herbst haben Sie für die Aachener Zeitung «Narcoland – Das Meth-Kartell im Dreiländereck» produziert, die Podcast-Serie hat zahlreiche Preise gewonnen. Wie sehr Spaß hat Ihnen die Reise gemacht?
«Narcoland» war mein erster Podcast. Und die Arbeit daran hat mir großen Spaß gemacht. Ich habe ein halbes Jahr zu Crystal Meth in Aachen recherchiert. Die Reise hat mich an alle möglichen Ecken geführt: in ein Meth-Labor und zu einem ehemaligen Gangster-Paar in den Niederlanden, zu einem Meth-Koch in Prag. Der Erfolg von «Narcoland» hat mich auch dazu motiviert, einen Podcast über die Wiesn zu machen.

Haben Sie herausgefunden, warum die Menschen Crystal Meth konsumieren? Die „Zutaten“ sind ja reiner Chemie-Müll…
Die Droge hat eine sehr euphorisierende Wirkung, macht süchtig und ist in Deutschland relativ günstig. Das ist eine gefährliche Mischung und führt dazu, dass es in Deutschland viele Abhängige gibt.
Kommen wir von Chemie zur Tradition: Im München hat das Oktoberfest viele Hunderttauschend Menschen angelockt. Sind Sie Fan der bayerischen Gemütlichkeit?
Ich bin in München geboren und aufgewachsen. Aber weiß Gott kein Traditionalist. Ich hab‘ nicht mal eine Lederhosen. Trotzdem bin ich Fan von bayerischer Folklore, gerade wenn sie fast schon ins Klischee umschlägt. Und nirgendwo findet man bayerische Tradition und Folklore in so überzeichneter Form wie auf der Wiesn. Das fasziniert mich an diesem Fest.
Sie waren schon mehrfach auf dem Oktoberfest. Geht es dort inzwischen nur noch um den reinen Konsum?
Die Wiesn ist deswegen so faszinierend, weil sie beides ist: Tradition und Mega-Event, ein gemütliches Volksfest und die größte Party der Welt. Je nachdem, was man sucht und in welches Zelt man geht. Aber klar, auf der Wiesn geht es auch um Konsum. Und für die Wiesn-Mitarbeiter geht es darum, in zweieinhalb Wochen so viel Geld wie möglich zu machen. Auch für mich als Rikschafahrer.

Welche Themen kommen in «Das Lederhosen Kartell» zu Wort?
Im «Lederhosen Kartell» untersucht jede Episode einen anderen Aspekt der Wiesn: die Verbindung zur Münchner Schickeria, den illegalen Drogenhandel, das Geschäft mit der Prostitution, die zweifelhaften Methoden der mächtigen Wiesenwirte – und wie Gastfreundschaft und Fremdenfeindlichkeit bei der Inszenierung von bayerischer Gemütlichkeit aufeinander prallen. Es geht um Bier, Tracht und Tradition. Und um die Frage, wer an diesem Fest alles seinen Schnitt macht

Zuletzt bekamen die Wirte wieder ordentlich Ärger, weil die Guthaben-Karten nicht erstattet wurden. Ein Unding?
Das Beispiel zeigt gut, worum es auf der Wiesn geht: in kurzer Zeit so viel Geld wie möglich zu machen. Dabei werden manchmal erhebliche moralische und auch juristische Grenzen überschritten. Das gilt auch für manche Wiesnwirte, die auf der Wiesn siebenstellige Summen verdienen.
Schlecht eingeschenkte Biere, nur kalt gespülte Krüge – wer das Oktoberfest besucht wird von allen Beteiligten abgezockt. Könnte man das so unterschreiben?
Ich würde da widersprechen. Klar, die Wiesn wird immer teurer und diese Entwicklung ist nicht gut, weil sie dazu führt, dass ärmere Menschen sich das Fest nicht leisten können. Aber man kriegt auch was für sein Geld. Obwohl die Wiesn eine Massenveranstaltung ist, ist die Qualität der Produkte meistens sehr gut. Deswegen ist das Fest auch so erfolgreich.

Gibt es denn einige Seiten des Festes, die man besuchen sollte?
Als Wiesn-Fan würde ich sagen: auf jeden Fall! Dabei kommt es darauf an, was Sie suchen: Wenn Sie Party machen wollen, würde ich Ihnen die großen Zelte empfehlen. Wenn Sie Tradition suchen, dann die kleineren, traditionellen Zelte auf der Oiden Wiesn und traditionelle Fahrgeschäfte wie das Teufelsrad. Obwohl die Wiesn ein Massenevent ist, gibt es solche Orte zum Glück noch.
Empfehlen Sie allen Oktoberfest-Nörglern, dass Sie zumindest einmal dafür nach München fahren sollten?
In München gibt es zwei Typen von Menschen: die, die Wiesn lieben. Und die, die sie hassen. Wenn man nichts mit Menschenmassen und viel Bier nichts anfangen kann, würde ich von einem Wiesn-Besuch eher abraten. Wenn man den Ausnahmezustand spannend findet, dann: Ab nach München!

Sie sind viele Jahre Rikscha auf dem Fest gefahren. Welche Geschichten können Sie erzählen?
Am Aufregendsten und moralisch fragwürdigsten, sind die Fahrten zum Bordell. Ich treffe als Rikschafahrer immer wieder auf Männer, die ins Bordell wollen. Die fahre ich dann dahin und kassiere dafür Provision. Deswegen hatte ich oft ein schlechtes Gewissen. Also bin ich für diesen Podcast ins Münchner Rotlichtmilieu eingetaucht, habe Prostituierte getroffen und einen Bordellbesitzer. Dabei ist mir klar geworden, dass ich mit meinen Puff-Fahrten helfe, ein kleines Bordell am Leben zu halten.

Auf den Wiesn liegen regungslose Betrunkene, Cannabis-Konsumenten werden von der Polizei verfolgt. Ist es noch zeitgemäß diesen einen Konsum gnadenlos zu verfolgen, während man wahllos in der Öffentlichkeit Bier in sich kippen darf?
Meiner Meinung ist das überhaupt nicht zeitgemäß und das wird sich mit der geplanten Cannabis-Legalisierung hoffentlich auch bald ändern. Bayern ist auch in dieser Hinsicht speziell: in keinem anderen Bundesland ist die Verfolgung illegaler Drogen so restriktiv – und gleichzeitig der Bier-Konsum so sozial akzeptiert. Das ist natürlich ein Widerspruch, und gerade deswegen für diesen Podcast so interessant. In einer Folge geht es deswegen auch um einen Koks-Skandal – in dem die halbe Innenstadtwache der Münchner Polizei involviert war.

Sie haben den Podcast für Studio Bummens produziert. Wie lief die Zusammenarbeit ab?
Für mich war es natürlich ein großer Glücksfall, dass Studio Bummens mit mir zusammenarbeiten wollte. Die Executive Producer Tobi Bauckhage und Jon Handschin haben sehr viel Erfahrung, ein gutes Gespür für gute Geschichten und mit Chris Kalis einen hervorragenden Sound Designer an ihrer Seite. Das Team hat mir unglaublich viel Vertrauen geschenkt – und gleichzeitig durch unzählige Feedback-Schleifen den Podcast erst zu dem gemacht, was er jetzt ist.

Vielen Dank für die spannenden Infos!

Die ersten beiden Episoden starten zum diesjährigen Oktoberfest: am Sonntag, den 17. September 2023, um 11:00 Uhr. Alle weiteren Folgen laufen jeweils sonntags.

Kurz-URL: qmde.de/145667
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