Zu den größten Highlights des Jahres im Sat.1-Programm gehört die Reality-Show «Promi Big Brother», die seit Jahren von Marlene Lufen und Jochen Schropp moderiert wird. Das Moderations-Duo hat vor der Kamera Spaß und kann sich mit dem Produkt identifizieren. Wie schon im vergangenen Jahr hat der Sender die neue Runde in den November und Dezember gelegt, sodass man dort auf höhere Werbegelder hoffen darf. Wenn mehr Unternehmen ihre Werbung verkaufen möchten, dann bekommen die Zuschauer mehr Abwechslung geboten und dann kann der Vermarkter auch höhere Preise verlangen. Ebenfalls positiv: Es werden weniger Spots der Tochterfirmen Marktguru, Verivox oder Jochen Schweizer ausgestrahlt.
Man kann Sat.1 durchaus gratulieren, dass man gegen die Fußball-Weltmeisterschaft in Katar gute Quoten holte. Aber die Reality-Show hat auch weiterhin Reichweiten abgebaut. Im Hochsommer 2021 sahen 1,25 Millionen Menschen im Durchschnitt zu, gegen die Katar-WM waren es nur noch 1,20 Millionen. Der Marktanteil fiel von 10,2 auf 9,9 Prozent. Für derzeitige Sat.1-Verhältnisse liegt man damit aber im Paradies.
2022 wurde bis auf die Eröffnungsshow und das Finale, welches an einem spielfreien Tag programmiert wurde, alle weiteren Folgen nach 22.10 Uhr ausgestrahlt. In diesem Jahr versprach Sat.1-Geschäftsführer Daniel Rosemann einen „wilden Mix“ an Sendezeiten. Eine konkrete Aussage wollte man in Unterföhring nicht treffen. Das erinnert an das kommunikative Desaster des Bundeskanzlers Olaf Scholz, der beim G7-Gipfel im Elmau auf eine Frage der Deutsche-Welle-Reporterin Rosalia Romaniec auf die Bitte, dies zu konkretisieren, mit einem kurzen „Ja“ antwortet. „Könnte ich“, so der Kanzler, tat er aber nicht. Für Rosemann und seiner rechten Hand, dem Kommunikationschef Christoph Körfer wird diese Szene aber nicht zum persönlichen Elmau. Sat.1 hat inzwischen seinen Ruf von früher verloren, der Sender ist mit 4,7 Prozent zu unbedeutend für das Kultur-Ressort größerer Medienhäuser.
Im Grunde haben das Duo Daniel Rosemann und Christoph Körfer bei einer 45-minütigen Pressekonferenz folgende Dinge gesagt: «Promi Big Brother» startet am 20. November um 20.15 Uhr, es gibt im Anschluss eine «Late Night Show» mit Jochen Bendel und Melissa Khalaj sowie einen 24/7-Livestream bei Joyn Plus+. Es gibt auch zwei erste Kandidaten: Eine Reality-Show-Teilnehmerin namens Yeliz Koc und der Stiefvater von Daniela Katzenberger. Obwohl Koc schon von unterschiedlichen Bereichen sprach, wollte man das auf der Pressekonferenz nicht bestätigen.
Glauben die Verantwortlichen bei Sat.1 das Koc Unwahrheiten erzählt, stünde das denn nicht in ihrem Vertrag? Ohnehin: Die Laufzeit der Sendung möchte man noch nicht bekannt geben. Auch ein Showmotto wollte man am Montag nicht verraten und verwies darauf, dass Promis und «Big Brother» schon genug Entertainment sei. „Am Ende entscheidet Big Brother“ erklärte Rosemann, der den anwesenden Pressevertretern ein Ammenmärchen wie die des Christkindes aufbinden will. Die Pressekonferenz wurde zum Schaulaufen der Boulevard-Presse, die sich mit Fragen vor allem auf Klein und Koc stürzten. Auf Nachfragen zur neuen Produktionsstätte auf dem Gelände der Bavaria Studios in Köln wollte Rosemann nicht wirklich eingehen und wischte die durchaus interessante Frage mit einer „Bevor es zu nerdig wird“-Aussage beiseite. Hinter den Kulissen ist klar: Der Sender hat das letzte Wort, EndemolShine Germany und Rainer Laux Productions setzen um.
Gerne wüsste man die Gründe, warum die Köpfe von Sat.1 mit ihrer Salami-Informationstaktik anwenden. Schon bei der Vorstellung von «Volles Haus!» wurde für Pressevertreter wenig geboten. Sat.1 sollte sich ein Beispiel an RTL nehmen, die für «Das Sommerhaus der Stars» sämtliche TV-Ausstrahlungen plus Veröffentlichungen bei RTL+ auf der Sender-Homepage auflisteten. Denkt man in Unterföhring daran, dass RTL gegen das Finale etwas Besonderes platzieren könnte? Im vergangenen Jahr wollten 1,31 Millionen Menschen das Finale sehen. Wie stark vertraut denn Sat.1 in sein Produkt, wenn man Angst hat, dass RTL oder ein anderer Sender mit einem besonderen Special womöglich Zuschauer klauen könnte? In Unterföhring glaubt man aber auch seit Jahren, dass es ein strategischer Vorteil ist, fünf Minuten vor der «Tagesschau» mit den Nachrichten auf Sendung zu gehen. Schon im Mai hatte Quotenmeter eine Veränderung der Kommunikationsstrategie gefordert. Verändert hat sich nichts.
Es gibt 3 Kommentare zum Artikel
10.10.2023 19:29 Uhr 1
11.10.2023 10:10 Uhr 2
PS: Es ist "armselig", das hat nämlich nichts mit der Seele zu tun.
11.10.2023 13:49 Uhr 3
Und wie von Geisterhand sind die Fehler verschwunden, ohne auch nur ein Wort zu verlieren. Wenn es sonst niemanden aufgefallen ist, könnte man schnell als Spinner oder Lügner da stehen. Das ist Transparenz par excellence. Dankeschön Fabian.