Interview

Patricia Aulitzky: ‚Generell wird über viele Tabus, einfach nicht gesprochen‘

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Das ZDF hat mit «Wir haben einen Deal» einen Drama über Missbrauch im Fußball geschaffen. Die Schauspielerin spricht über Ihre Filmfigur, die sie als „Geschenk“ bezeichnet.

Am Montag, den 23. Oktober 2023, strahlt das ZDF den Spielfilm «Wir haben einen Deal» aus. Worum gibt es in dem 90-minütigen Drama?
Der Film behandelt ein hoch aktuelles Thema: Sexueller Missbrauch im Sport. Mein „Filmeehemann“ wurde als Kind von seinem Fußballtrainer missbraucht. Als er seinem Trainer wiederbegegnet, bricht das Trauma wieder auf. Wir erzählen dabei aber nicht nur von dem Opfer an sich, sondern auch davon, was das mit der Familie, einer Beziehung macht.

Sie verkörpern Franks Frau Sabina, die ihn unbewusst in einen inneren Konflikt drängt. Spielen Sie gerne solche Figuren?
Ja, diese fein austarierte Rolle ist ein Geschenk für jede Schauspielerin. «Wir haben einen Deal» ist ja ein Psychogramm, das zum Spielen einlädt. Ich spiele besonders gerne vielschichtige Figuren. Sabina ist so eine Figur. Die Liebe zu ihrem Mann, der Versuch ihn aufzufangen, ihm zu helfen, obwohl er nicht darüber sprechen möchte bzw. nicht darüber sprechen kann, macht sie stark und lässt sie selbst wachsen. Das sind die vielen Zwischentöne, die uns das Drehbuch von Marie-Helene Schwedler geschenkt hat.

Müsste man es nicht merken, wenn der Ehemann Tabletten schluckt und ständig Alkohol trinkt?
Ja, das denken wir im ersten Moment, aber wenn man tiefer recherchiert, dann zeigt sich, dass gerade Süchtige eine nahezu perfekte Strategie entdeckt haben, ihre Such zu verbergen. Danke sie nur an die vielen Alkoholiker, denen man das nicht anmerkt. Sabine merkt recht bald, dass irgendetwas gar nicht stimmt. Sie kann sich aber noch nicht erklären was. Wenn ein Betroffener ernsthaft seine Sucht oder ein Trauma verstecken möchte, wird er denke ich sehr viel Energie darauf verwenden, dass es auch den Liebsten nicht auffällt. Das ist eine schwierige Situation für das Umfeld.

Ihr Film-Ehemann wird als Nestbeschmutzer beschimpft. Glauben Sie, dass das auch heute im realen Leben so passieren würde?
Absolut! Der Drang zum Verdrängen ist immer größer, als sich dem Problem zu stellen. Das ist sehr menschlich. Generell wird über viele Tabus, einfach nicht gesprochen. Ich sehe den Film deshalb auch Appell, nicht wegzusehen, sondern den Betroffenen dabei zu helfen, den Mut zu fassen und darüber zu sprechen. «Wir haben einen Deal» wurde auf dem FilmFest München gezeigt und nach jeder Vorstellung ist jemand aufgewühlt zu mir gekommen und gesagt hat: Das ist meine Geschichte“. Und wir wollen die Aufmerksamkeit auf die Stimmen lenken. die oft am wenigsten gehört werden: die unserer Kinder.

Haben Sie mit Autorin Marie-Helene Schwedler darüber gesprochen, was die Motive von Wille sind?
Ich fand es sehr schön, bei diesem Projekt auch die Möglichkeit zu bekommen, mich mit der Autorin im Vorfeld auszutauschen. Hauptsächlich fand ein sehr intensiver Austausch über Rolle, Beziehungen und Motive, aber mit unserer Regisseurin Felicitas Korn und meinem SpielPartner Felix Klare statt.

Sie gehörten zum erfolgreichen «Blind ermittelt»-Team im Ersten. Freuen Sie sich, dass über fünf Millionen Menschen die Geschichten schauen?
Natürlich! Ich spiele ja sehr gerne mit Philipp Hochmair angelegt, mit dem ich am Burgtheater auch in „Jedermann Reloded“ eine super Performance hatte. Dramaturgisch hatte meine Rolle, als seine Schwester in «Blind Ermittelt» die Funktion sein engster emotionaler Support zu sein, das hat aber dann mehr und mehr sehr ambitionierter Assistent übernommen. Deshalb war meine Rolle irgendwann auserzählt. Aber selbstverständlich freue ich mich sehr, dass ich zum Erfolg dieser Reihe beigetragen habe.

Sie stammen aus Österreich, waren in Kanada, Südamerika und schließlich in London. Haben Sie eigentlich eine Heimat?
Natürlich gibt es Orte, die ich mit speziellen Erinnerungen verbinde. Grundsätzlich hat Heimat bei mir aber mit meinem Herzen und den lieben Menschen, mit denen ich umgeben bin zu tun. Das ist nicht unbedingt ortsgebunden.

Lange Zeit standen Sie auf zahlreichen deutsch-österreichischen Bühnen. Spielen Sie immer noch Theater?
Ja, sehr gerne sogar. Anfang des Jahres war ich mit Nestroys ‚Talisman’ in Salzburg auf der Bühne zu sehen und im Moment arbeite ich gerade an einer Sprachoper zu den Texten von Heimrats Bäcker ‚Nachschrift’. Diese Performance, die tief in die Geschichte und Sprache des Holocaust eintaucht, wird am 7. November 2023 im Nestroy Hof in Wien seine Premiere haben.

Demnächst läuft «Der Tote in der Schlucht» im ZDF. Wovon handelt die Fortsetzung von «Das Mädchen aus dem Bergsee»?>
Die Kommissarin Lisa Kuen ermittelt in einem Mordfall, der mit dem verjährten Raub eines Geldtransporters in Zusammenhang steht. Sie trifft dabei auf einen Mann, der mit ihrem inzestuösen Vater im Gefängnis war. Diese Reihe liebe ich, denn sie scheut sich nicht vor den Abgründen unserer Gesellschaft. Wenn man denkt, das gibt es nicht, fängt der Fall erst an.

Über sieben Millionen Menschen verfolgten damals den Tiroler Film. Warum sind die Deutschen so von Österreich fasziniert?
Das ist für mich auch immer wieder erstaunlich. Aber scheinbar ist die Begeisterung für das Thriller-Genre nach wie vor groß. Wenn dann noch Regie, Drehbuch und das Schauspieler:innen Ensemble passen, stimmt offensichtlich die Quote. Für mich ist dabei immer wichtig, das mehr erzählt wird als nur ein Krimi – wie in «Wir haben einen Deal».

Das stimmt! Danke für Ihre Zeit!

«Wir haben einen Deal» ist am Montag, den 23. Oktober, im ZDF zu sehen.

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