Hallo Frau Sass! Sie haben Ende 2022/Anfang 2023 drei neue «Usedom-Krimis» für Das Erste gedreht. Für die drei Filme hatten Sie und das Team knapp vier Monate Zeit. Reicht eine solche Zeitspanne, um den Stoff ohne Stress abzudrehen?
Vier Monate, das klingt zwar wahnsinnig viel, doch ist es tatsächlich ein hoch ambitioniertes Programm. Wir hatten insgesamt 63 Drehtage – für drei 90-minütige Filme. Das ist heute Standard, doch eigentlich reicht es hinten und vorne nicht und ist nur mit sehr viel Engagement des gesamten Teams und noch mehr Überstunden zu schaffen. Ein Riesenpensum, und der Druck ist enorm! Bei uns kommen noch Dunkelheit und Kälte hinzu, denn wir drehen immer in der Winterzeit, wenn Usedom noch nicht von Urlaubern überrannt wird und diese besondere Stimmung herrscht, die charakteristisch für den «Usedom-Krimi» ist. Drei Filme haben wir gedreht, die inhaltlich zusammenhängen, aber natürlich nicht chronologisch. Den Überblick zu behalten, wo sich meine Figur gerade befindet, ist gar nicht so einfach. Unser Regisseur Grzegorz Muskala war ein guter Kapitän und hat uns bestens durch die drei Geschichten und ihre Verästelungen navigiert.
Ich gehe mal davon aus, dass Sie demnächst wieder mit Dreharbeiten für weitere Filme starten werden? Freuen Sie sich darauf?
Ich freue mich immer auf Usedom. Leider drehen wir diesmal nur zwei Folgen, was die Freude etwas trübt. Dafür beginnen wir etwas später mit den Dreharbeiten, was dem Sommermenschen Katrin sehr entgegenkommt. Mein Leben geht bei 33 Grad erst richtig los, deshalb leide ich immer unter den Winterbedingungen auf der Insel. Mitte Februar ist, so hoffe ich, der gröbste Winter vorbei und am Ende der Dreharbeiten blüht vielleicht schon der erste Krokus. Das macht mich froh!
«Der Usedom-Krimi» ist derzeit auf dem Höhepunkt: Zwei der drei neuen Filme erreichte im vergangenen Jahr mehr als sieben Millionen Menschen. Warum sind die Leute so begeistert von dem Stoff?
Es fällt mir schwer, selbst zu beurteilen, was den Erfolg ausmacht. Aber ich höre aufmerksam den Leuten zu, die mich ansprechen, wenn ich unterwegs bin. Viele sagen mir, dass sie die Art mögen, wie im «Usedom-Krimi» erzählt wird. Dass die Geschichten der Menschen im Mittelpunkt stehen und der Mord eher beiläufig geschieht. Bei uns wird nicht gefragt, ‚Wo waren Sie zwischen 7 und 17 Uhr‘, viel wichtiger sind die persönlichen Schicksale und Tragödien. Das kommt offenbar an.
Im ersten Film „Friedhof der Welpen“ entdeckt Ihre Figur tote junge Hunde. Da tut einem doch das Herz in der Seele weh?
.. und wie! Als ich das Buch gelesen hatte, war mein erster Impuls – das kann ich auf keinen Fall spielen! Tote Welpen will ich nicht sehen. Aber alles halb so wild: In der Grube lagen natürlich keine echten Hundeleichen, sondern künstliche. Angefertigt von unserem Requisiteur, der das wirklich exzellent gemacht hat. Da habe ich mich schnell wieder beruhigt. Doch stelle ich fest: Je älter ich werde, desto weniger ertrage ich Tierleid. Ich trage sogar jede Spinne in den Garten – und zwar auf der Hand.
Welchen Einfluss haben Sie eigentlich als Hauptfigur auf die Autoren?
Unsere wirklich guten Autoren und Autorinnen erzählen die Geschichten. Da mische ich mich nicht ein. Doch was Karin Lossow sagt, das möchte ich schon zu meiner Sprache machen. Da erlaube ich mir den einen oder anderen Eingriff, damit die Texte für mich gut sprechbar werden. Neulich bei einer musikalischen Lesung sagte mir eine Zuschauerin: „Wissen Sie, Frau Sass, Sie sind die normalste Schauspielerin, die mir je begegnet ist!“. ‚Begegnet‘ bin ich ihr natürlich nur im Fernsehen. Warum hat sie mich als ‚normal‘ wahrgenommen? Ich denke, es liegt daran, dass ich in der Rolle ganz normal spreche. Ich kann auch gar nicht anders, sonst würde es künstlich wirken, auswendig gelernt. Mir liegt daran, dass Karin Lossow authentisch rüberkommt. Ich will nicht die Dramaturgie des Drehbuchs ändern, sondern lediglich die Sprache für mich mundgerecht einrichten. Deshalb stelle ich mal einen Satz um, nutze ein anderes Wort oder lasse auch mal etwas weg.
Grzegorz Muskala führte bei den aktuellen Filmen Regie. Welchen neuen Spin gab er dem Stoff? Gibt es Veränderungen gegenüber von Matthias Tiefenbacher oder Felix Herzogenrath?
Ob Andreas Herzog, Matthias Tiefenbacher oder Felix Herzogenrath – wir haben immer tolle Regisseure beim «Usedom-Krimi». Was mich an Grzegorz Muskala beeindruckt? Er ist Künstler durch und durch, sehr kreativ, hat sich einen frischen Blick auf seine Arbeit bewahrt. Er hat etwas sympathisch Versponnenes – und zuweilen recht spontane Einfälle. Das kann anstrengend sein, tut aber dem Endergebnis gut, wie ich bei „Am Ende einer Reise“ im vergangenen Jahr sehen konnte. Die Filme, die jetzt laufen, habe ich noch nicht gesehen. Die schaue ich live und mit Freunden. Ich bin schon sehr gespannt.
Sie stammen ursprünglich aus Schwerin, ist Usedom ein Teil Ihrer Heimat?
Ja, es ist ein Ankommen. Usedom fühlt sich wie eine zweite Heimat an. Immer, wenn ich auf der Insel bin, schaue ich, ob es hier nicht noch ein Häuschen gibt, das ich kaufen beziehungsweise bezahlen könnte. Ein kleiner Spaß. Tatsächlich zieht es mich in die alte Heimat – nach Schwerin. Ich könnte mir vorstellen, im Alter wieder dort zu wohnen. Ich habe keine Kinder und meine Familie, meine Neffen, leben in Schwerin. Unlängst war ich in Warnemünde, wo meine Tante ihren 90sten Geburtstag feierte. Auch da habe ich wieder gemerkt: Ja, das ist Heimat. All die Jahre hat mir nichts gefehlt. Ich war engagiert in Halle oder in Leipzig – das krasse Gegenteil zu Schwerin und zur Ostsee. Dort standen die Bretter, die für mich die Welt bedeuteten. Das war mir damals wichtig. Jetzt lebe ich in Berlin, habe ein hübsches Häuschen auf einem kleinen Grundstück direkt am Wasser. Was will ich mehr? Aber wenn ich etwas Passendes finden sollte, dann gehe ich zurück nach Schwerin.
Bereits im Jahr 2009 drehten Sie mit Baran Bo Odar, der für Netflix «Dark» und «1899» umsetzte. Erkannten Sie schon bei «Das letzte Schweigen», dass Odar Talent hat?
Das war eine so großartige Erfahrung! Baran bo Odar hatte erst vor Kurzem die Filmschule abgeschlossen, «Das letzte Schweigen» war sein erster großer Film. Ein schwerer und schwieriger Stoff, sehr düster. Trotz des Inhalts ist es Baran gelungen, eine Atmosphäre der Lockerheit am Set zu schaffen. Jeder und jede im Team hatte viel Freude bei dieser Arbeit, ja sogar Spaß. Es war fantastisch! Ich freue mich sehr, dass seine Karriere inzwischen wie eine Rakete durch die Decke geschossen ist.
Wie sehen Ihre Zukunftspläne aus?
Ich habe keine Pläne, ich lasse alles vom Himmel fallen. Denn wenn ich etwas plane, geht es garantiert daneben. Das Gute in meinem Leben fällt mir meistens vor die Füße.
Okay, dann alles Gute!
«Der Usedom-Krimi» ist ab Donnerstag, den 9. November, im Ersten zu sehen.
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