Im linearen Kabelfernsehen ist die Marke «Explosiv» ab Ende Dezember in Teilen von Deutschland gar nicht mehr zu sehen. Bislang teilt sich das Boulevardmagazin den Sendeplatz am werktäglichen Vorabend um 18.00 Uhr mit zahlreichen regionalen Angeboten. Der Ableger «Explosiv Stories», das über eineinhalb Jahre durchhielt, krankte an dem selben Virus wie der Wochenendableger – das Aufblähen von Nichtigkeiten. Schade für Jana Azizi, die damit weniger Aufgaben beim Fernsehsender RTL wahrnehmen kann.
Anfang November eröffnete die Moderatorin, die auch durch die werktägliche Hauptausgabe führte, die Sendung über ein junges Paar, das sich den Traum vom Eigenheim verwirklichen wollte. Doch noch ist das neue Zuhause eine Baustelle und vor allem die Küche ist nicht bezugsfertig. Sabri und Seda Akdil, bei der man vor allem sehr stark betont, dass sie aktuell im achten Monat schwanger sei, müssen mit einer großen Belastung leben.
Bereits nach Sekunden erzählt der RTL-Beitrag, dass die beiden Küchenkäufer wohl 14.000 Euro in den Sand gesetzt haben. Doch nur ein Bruchteil des individuellen Designerstücks sind bislang eingetroffen. Weitere 140 Kunden sollen von der Küchenfirma betroffen sein, deren Namen RTL freizügig einblendet und bei der mit Hilfe von Google auch noch gleich die Adresse herausgefunden werden kann. Kaum war es leichter einen wütenden Mob zu mobilisieren, schließlich ist das Leid bei einer unbrauchbaren Küche riesig.
Konstruktiver Journalismus fehlt hier: Weder sucht man ein seriöses Gespräch mit dem Inhaber des Küchengeschäfts, das wohl auch einen recht formidablen Ruf in der Gegend besitzen soll, noch geht man auf die Fehler der Kunden ein. Die Rechnung einer Küche auf einen Schlag zu überweisen, ist ungefähr so klug, wie bei einem Autoverkauf zunächst den Fahrzeugbrief zu übergeben. Küchen sind Maßanfertigungen, schwerwiegende Fehler kommen sehr häufig vor. Die Unternehmen haben zwar zahlreiche Kunden zu bedienen, aber auch sämtliche Werkstücke sind preislich nach oben geschossen. Demnach versucht ein Händler selbstverständlich neue Umsätze zu generieren und versucht die Beseitigung von Schäden oder Fehlern möglichst lange herauszuziehen. Das mag man zwar nicht berauschend finden, ist aber unternehmerisch.
Der siebenminütige Beitrag, in dem man auch einen Anwalt befragt, dieses Mal Erik Wilhelmus, ist mit unnötigen Details aufgebläht. So zeigt man Sabri, der die fehlerhafte Küche vorstellen möchte. Er schaltet mehrere Geräte an, die scheinbar falsch angeschlossen sind. Demzufolge fliegt die Sicherung heraus, weil hier nicht sauber angeschlossen wurde. Ob die Firma den Backofen oder die Herdplatte installiert hat, wird dagegen gar nicht thematisiert. Natürlich sucht man auch den Laden des Küchenstudios auf, dessen Eingangstür mit Briefen überquillt. RTL präsentiert hier typisches Opferfernsehen, das man in dieser Form schon sehr oft sehen konnte – und leider sehr eindimensional. Diese Art von Fernsehen zeigt typischerweise eine Person aus dem Alltag, die von einem Unternehmen oder einer Behörde hereingelegt wird.
Im zweiten Beitrag werden die Protagonisten Luca und Mareike zum Wintercheck geschickt. Ein geschickter Mechaniker hat die Autos vorher präpariert. Die Scheinwerfer werden verstellt, der Luftdruck abgelassen und die Ventilklappe verstellt. Außerdem war das Kühlmittel abgelassen worden. Diese Mängel werden kaum gefunden, auch wenn solche Details nicht immer zu einem solchen Service gehören. Es folgten eine Taubenliebhaberin, der Gefängnis drohte, und der runde Geburtstag von Micaela Schäfer. Es ist schon arg belangloses Fernsehen, das RTL samstags um 16.45 Uhr abfeuert. Doch das ist nicht alles: Im Anschluss folgen das Promi-Magazin «Gala» und ab 19.05 Uhr «Life!».
«Explosiv Weekend» wirkt recht belanglos und zudem vorproduziert. Im Gegensatz zu anderen Boulevardmagazinen wie das auch am Samstag erscheinende «Brisant» sind die Beiträge nicht wirklich aktuell. Vor allem die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender haben den riesigen Vorteil durch die zahlreichen Regionalstudios, um Schlagzeilengewitter zu produzieren. Die Wochenend-Ausgabe von «Explosiv» ist ein kleiner Zeitvertreib, für den sich allerdings auch nicht besonders viele Menschen Zeit nehmen. Die Beiträge wirken zum Teil aus der Zeit gefallen. Ob die zahlreichen Geschichten oder Tests aktuell sind, spielt keine Rolle. Es gibt nämlich keinen wirklichen Bezug zum echten Leben. Demzufolge werden nur wenige Trauergäste erwartet, wenn das Format Mitte Dezember 2023 auf dem Fernsehfriedhof beigesetzt wird.
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