Hintergrund

Das Jüngste Quoten-Gericht: Absetzung ohne Begründung, aber aus gutem Grund

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Montags blickt Quotenmeter auf aktuelle Quoten-Highlights und Marktanteil-Flops und ordnet diese ein. Diesmal dreht sich alles um die Einstellung von «Zervakis & Opdenhövel. Live.».

Am Freitagabend ging eine aus Unterföhring verbreitete Nachricht über den Ticker, die eine neue Ära bei ProSieben einleitet. Neu-ProSieben-Chef Hannes Hiller gab in einer recht kurzen Mitteilung bekannt, dass das wöchentliche Journal «Zervakis & Opdenhövel. Live.» am 20. Dezember 2023 zum 77. und letzten Mal ausgestrahlt werde. Vergangenen Freitag war Hiller gerade zehn Tage im Amt und Nachfolger des langjährigen Senderchefs Daniel Rosemann, der «Zervakis & Opdenhövel. Live.» im Herbst 2021 unter großen Anstrengungen gestartet hatte. Damals eiste man Linda Zervakis von der «Tagesschau» los und stattete Matthias Opdenhövel mit einem Vertrag aus, der ihn fest an die rote Sieben band. Vorbei war Opdenhövels «Sportschau»-Zeit.

Opdenhövel war es dann auch der öffentlichkeitswirksam einen „langen Atem“ versprach, den Rosemann in über zwei Jahren eindrucksvoll bewies. Seit Rosemanns Abgang blieb der Sendung aber augenscheinlich keine Luft zum Atmen. Und so kam die Mitteilung zwar ohne konkrete Begründung aus, wie die Meldungen der ‚dpa‘ betonten, die unter anderem der ‚Stern‘ und das ‚Redaktionsnetzwerk Deutschland‘ verbreiteten, doch die Ursache liegt – im Prinzip von Beginn an – auf der Hand: miserable Einschaltquoten.

Am Publikum vorbei gesendet
Die Maxime, das „Publikum informativ unterhalten und mit relevanten Themen fordern“ zu wollen, wie sie Daniel Rosemann zu Beginn formulierte, mag zwar löblich gewesen sein, verfehlte aber das Interesse der ProSieben-Zuschauer offensichtlich komplett. Schon die erste Sendung, die naturgemäß durch eine gewissen Neugierde des Publikums größere Reichweiten hervorruft, fiel komplett durch. Weniger als eine halbe Million Zuschauer sahen die 90-minütige Live-Sendung am 13. September 2021. In der Zielgruppe der 14- bis 49-Jährige erreichte die Premiere nur 4,6 Prozent Marktanteil. In den darauffolgen Wochen wurde es nicht besser – im Gegenteil. Die Quote fiel auf bis zu 3,5 Prozent. Bereits am 25. Oktober 2021 lief die Sendung zum letzten Mal am Montag zur besten Senderzeit, am 8. November gab es um 22:15 Uhr noch einen Begleittalk zu einer zuvor gezeigten Dokumentation.

Ab dem 10. November 2021 ging «ZOL» immer mittwochs on air, doch wie verbrannt das Format schon nach wenigen Wochen war, zeigte sich im Anschluss an die «TV total»-Rückkehr an jenem Abend. Sebastian Pufpaff debütierte vor 2,86 Millionen Zuschauern und durfte sich über herausragende 27,2 Prozent freuen. Nach dem Comedy-Format ging es für das Live-Journal, das auf dem neuen Sendeplatz rund zehn Minuten weniger Sendezeit erhielt, deutlich bergab. Es blieben nur noch 1,01 Millionen Menschen dran, der Marktanteil brach auf 11,4 Prozent ein. Die Mischung aus Comedy und Infotainment war keine Sieger-Kombination, das hätte den Verantwortlichen nach diesem Abend eigentlich klar sein sollen. Freilich fielen die Werte nach «TV total» für «ZOL» besser aus, aber im Schnitt 7,8 Prozent Marktanteil bis Jahresende (die 11,4 Prozent vom 10. November eingerechnet) sprachen eine deutliche Sprache. Im Vergleich zu den 17,9 Prozent, die das Vorprogramm im gleichen Zeitraum erzielte, ist es gar ein Armutszeugnis.

Neues Jahr, altes Leid
Nach der zweimonatigen Winterpause ging es schlechter weiter. Bis zum Sommer 2022 fuhren Linda Zervakis und Matthias Opdenhövel gerade mal 5,2 Prozent Marktanteil ein. Im Schnitt blieben ab 21:25 Uhr nur 0,44 Millionen Zuschauer dran. Auch «TV total» konnte sein hohes Niveau nicht halten, lieferte dennoch weiterhin zufriedenstellende Werte ab. Im März 2022 wurde die Sendung auf etwas mehr als eine Stunde Sendezeit gekürzt. Es folgte eine dreimonatige Sommerpause, nach welcher gute Marktanteile weiter auf sich warten ließen. Nach fünf Sendungen mit Werten zwischen 3,8 und 5,5 Prozent entschied sich der Sender dafür, «ZOL» weiter zur kürzen und räumte dem Journal nur noch etwa 35 Minuten Sendezeit ein. Bis zur WM-bedingten Winterpause, von Mitte November 2022 bis Mitte Januar 2023, half diese Maßnahme spürbar. Die durchschnittliche Reichweite stieg von 0,38 Millionen auf 0,60 Millionen, der Zielgruppenmarktanteil verbesserte sich um mehr als zwei Prozentpunkte von 4,6 auf 6,8 Prozent.

In diesem Jahr hielt man das Niveau zunächst mit 0,60 Millionen Zuschauern ab drei Jahren und 6,5 Prozent Marktanteil einigermaßen stabil, doch seit der Rückkehr Anfang September musste sich ProSieben mit weniger als einer halben Million Zuschauern und 5,6 Prozent Marktanteil begnügen. Unterm Strich steht für «ZOL» bisher eine Gesamtbilanz von 0,52 Millionen Zuschauern ab drei Jahren zu Buche, von den 0,33 Millionen der Zielgruppe angehörten. Der Marktanteil bei den Umworbenen belief sich auf 5,9 Prozent. Hannes Hiller sprach in seiner Mitteilung von einer „sehr schmerzhaften Entscheidung“, das Journal im kommenden Jahr nicht fortzusetzen. Die Entscheidung kommt zwar ohne konkrete Begründung aus, angesichts der schwachen Quoten geschieht sie aber aus gutem Grund.

Offene Zukunftsfragen
Die Statements des Senderchefs, der – so scheint es – der Absetzung oberste Priorität zukommen ließ, waren ohnehin ein Sammelsurium von leeren Phrasen, ohne auf konkrete Pläne nach der «ZOL»-Ära einzugehen. Man werde in Zukunft „versuchen“ mehr Reportagen unter dem Label «ProSieben. Thema.» in der Primetime zu senden. In welcher Form dies geschehen wird, ist offen. Mit Linda Zervakis und Matthias Opdenhövel „wollen und werden wir“ eng und vertrauensvoll zusammenarbeiten. Zumindest im Falle von Matthias Opdenhövel ist klar, wie dies aussehen wird. Er führt ab dem kommenden Samstag, 18. November, durch eine neue «The Masked Singer»-Staffel und moderiert im Dezember und Januar gleich drei Bundesliga-Spiele im Free-TV. Wie es mit Linda Zervakis weitergehen wird, die bislang abseits von «ZOL» kaum in Erscheinung getreten ist, dürfte die Frage spannender werden. Da sie gemeinsam mit Claudia von Brauchitsch einige Sondernachrichtensendungen moderiert hat und ProSieben die «:newstime» selbst produziert, könnte Zervakis’ Zukunft wieder im Nachrichtenstudio liegen. Fraglich, ob sie dafür einst die «Tagesschau» verlassen hat.

Ungeklärt ist auch, welches Programm ProSieben künftig als Lead-out von «TV total» zeigen wird. Theoretisch würde sich hier ein Doppel mit «Blamieren oder Kassieren», wie man es im Sommer 2022 bereits erfolgreich umsetzte, doch das Format hat inzwischen den Sender gewechselt und ist bei RTL beheimatet. Auf Dokumentationen und Reportagen sollte ProSieben aber verzichten, schließlich hat «ZOL» unter Beweis gestellt, dass Comedy und Information nicht zusammenpassen. Generell tun sich die Reportagen unter dem Label «ProSieben. Thema.» relativ schwer – aller Auszeichnungen zum Trotz. Selbst die prämierte Reportage von Thilo Mischke «Afghanistan im Griff der Taliban» war bei der linearen Ausstrahlung mit weniger als acht Prozent Marktanteil kein Straßenfeger. Hannes Hiller hat mit der Absetzung von «ZOL» also nicht nur ein Zeichen gesetzt, sondern auch eine Baustelle geschaffen, bei der er sich erstmals beweisen muss.

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