Die Kritiker

«Tatort - Des anderen Last»

von

Der erste Weihnachts-«Tatort» des Jahres spielt in Köln und hat sich prekär beschäftigte Paketboten als Thema ausgesucht.

Stab

Darsteller: Klaus J. Behrendt, Dietmar Bär, Joe Bausch, Roland Riebeling, Tinka Fürst, Dennis Svensson
Musik: Olaf Didolff
Kamera: Mathias Neumann
Drehbuch: Paul Salisbury
Regie: Nina Wolfrum
Auch der Letzte, der regelmäßig bei Amazon und Zalando bestellt, dürfte mittlerweile wissen, unter welch harten und prekären Bedingungen eine Vielzahl von Paketboten in Deutschland arbeiten muss: als Leiharbeiter von desinteressierten Subunternehmern, ohne Pausen, mit einem viel zu hohen Pensum und verschwindend geringer Bezahlung. Und natürlich steigt der Druck gerade zur besinnlichen Weihnachtszeit noch einmal rapide an.

Dieses ernste Thema des Leids von Paketboten am Jahresende bildet auch den Aufhänger des neuen Kölner «Tatorts» mit dem Folgentitel «Des anderen Last», aus dem bereits klar wird, worum es hier gehen soll: Last, und zwar sowohl die physische der Pakete, die die Mitarbeiter des kleinen Subunternehmens jeden Tag zu Hunderten durch verwinkelte Stockwerke wuchten müssen, als auch im übertragenen Sinne der psychologischen Last, mit der die Figuren in diesem Film zu kämpfen haben. Leider gelingt es diesem Krimi aber nicht, die Balance zwischen der sozialkritischen Botschaft und der Krimihandlung zu wahren, was zu einem eher enttäuschenden und unausgegorenen Film führt.

Das Drehbuch von «Des Anderen Last» setzt den Mord an einem Paketboten als Ausgangspunkt für die Ermittlungen von Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Schenk (Dietmar Bär). Die Vorweihnachtszeit, die für Paketboten ohnehin stressig ist, wird als Kulisse für die Handlung gewählt. Doch anstatt diese Gelegenheit zu nutzen, um die Probleme der Paketzusteller in der Tiefe zu beleuchten und die sozialen Missstände in gebührender Weise anzuprangern, verheddert sich der Film in einer eher durchschnittlichen, von unübersichtlichen Motiven geprägten Krimigeschichte.

Denn die alltäglichen Probleme der Paketboten werden in diesem Film nur oberflächlich behandelt und dienen letztlich als bloße Hintergrundkulisse für einen Standard-Krimi. Die sozialen, privaten und wirtschaftlichen Herausforderungen, mit denen die Paketzusteller aufgrund ihrer Arbeitsverhältnisse konfrontiert sind, werden nur angerissen und nicht tiefgehend erforscht. Dem Zuschauer wird lediglich das präsentiert, was er eigentlich schon weiß und kennt. Aber wie er selbst zu diesen Verhältnissen beiträgt und wie man sich die tatsächliche Lebensrealität eines durchschnittlichen überlasteten Paketboten auch auf psychologischer Ebene vorstellen muss, bleibt weitgehend unerwähnt Die Entscheidung, diese ernsten Themen als bloße Schablone zu verwenden, wirkt deshalb ziemlich schal.

Zudem bleibt die Charakterentwicklung ziemlich oberflächlich. Der getötete Kurierfahrer Milan Strasser wird zwar als zunächst nicht unsympathischer Familienvater präsentiert, aber die Zuschauer erhalten wenig Einblick in seine Motivationen oder Hintergrundgeschichte. Als eine weitere Paketbotin als zentrale Figur eingeführt wird, die im letzten Jahr ein schweres Schicksal erleben musste, bewegen sich die relevanten Hintergründe der Mordtat, die Ausgang für die Krimihandlung gewesen ist, endgültig weg von den sozialkritischen Tendenzen, die der Film bis dahin nur schwach genutzt hat.

Die Weihnachtsatmosphäre, die der Film als Kulisse einsetzt, wird ebenfalls nicht konsequent für den Stilbruch genutzt, mit dem «Tatort – Des anderen Last» seinen Zuschauern den Spiegel hätte vorhalten können. Der Amazon-Besteller, der im Warmen sitzt und auf seine Geschenke wartet, die ihm von sozial schwächeren und prekärer beschäftigten Menschen gebracht werden, wird nie als nachdrücklicher Kontrast vorgestellt.

Gleichzeitig wirkt die Krimihandlung selbst ziemlich konventionell und uninspiriert und verliert sich in den üblichen Klischees des Genres. Die Ermittlungen von Ballauf und Schenk bieten wenige Überraschungsmomente und wirken schnell ziemlich vorhersehbar. So bleibt «Tatort – Des Anderen Last» leider klar hinter den Erwartungen zurück, denn der Film verpasst die Gelegenheit, wichtige soziale Themen umfassend zu behandeln, und konzentriert sich stattdessen auf eine durchschnittliche Krimigeschichte.

Der Film «Tatort – Des anderen Last» wird am Sonntag, den 3. Dezember um 20.15 Uhr im Ersten ausgestrahlt.

Kurz-URL: qmde.de/147189
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