Sehr geehrte Frau Dr. Bilke, sehr geehrter Herr Dr. Himmler.
Mein Name ist Marie Marén Nitz, ich bin 22 Jahre alt und ich bin lesbisch. – Allein für diesen Satz müsste ich in einigen Ländern, in denen «Hotel Mondial» geschaut wird, jetzt um meine Freiheit oder sogar um mein Leben fürchten.
Der Gedanke daran, dass so viele queere Menschen auf der Welt in Angst leben müssen, fühlt sich jedes Mal an wie tausend Stiche in mein Herz. Doch auch wenn wir hier in Deutschland in einem vergleichsweise sicheren Land für queere Menschen leben, habe auch ich Angst. Ich habe Angst, dass die queere Community auch hier bald nicht mehr frei leben und lieben kann. Und mit dieser Angst bin ich nicht allein. Denn dass die rechtliche Situation für queere Menschen, wie wir sie hier in Deutschland haben, noch immer nicht selbstverständlich und vor allem nicht unerschütterlich ist – zumal der Schutz queeren Lebens nach wie vor nicht in unserer Verfassung verankert ist –, wird am Beispiel von Russland deutlich, wo die internationale queere Community gerade erst als „extremistisch“ eingestuft wurde und damit die Rechte queerer Menschen massiv eingeschränkt wurden. Und um zu verstehen, dass unsere Angst als queere Community in Deutschland nicht aus der Luft gegriffen ist, reicht ein Blick auf die aktuellen Umfragewerte der AfD, vor allem in den ostdeutschen Bundesländern. In Brandenburg, wo ich lebe, ist die AfD laut Umfragen momentan sogar stärkste Kraft. Die Grausamkeit und die Gefährlichkeit dieser Tatsache sind mit Worten nicht zu beschreiben.
Deshalb ist «Hotel Mondial» für uns – und vor allem für die Menschen unter uns, die in Ländern leben, in denen sexuelle und geschlechtliche Vielfalt unterdrückt und bestraft wird – eben nicht einfach nur eine Serie von vielen. Sie ist auch nicht einfach nur eine Serie mit spannenden und berührenden Geschichten rund um ein Schweriner Hotel. Und sie ist auch nicht nur eine Serie, in der eine lesbische Liebesgeschichte erzählt wird. Nein, für uns ist «Hotel Mondial» ein Ort, an dem wir uns sicher, gesehen und verstanden fühlen können. Ein Ort, der uns zeigt, dass wir genau so richtig sind, wie wir sind, und dass es die politischen und gesellschaftlichen Strukturen sind, die sich ändern müssen. Und allein der Gedanke daran, dass Sie uns diesen Safe Space nehmen wollen, macht uns unendlich traurig.
Und es macht uns noch trauriger, wenn wir daran denken, dass «Hotel Mondial» nicht nur für die Sichtbarkeit von queeren Personen steht, sondern auch für die Sichtbarkeit von Frauen* 47+ und die Sichtbarkeit von BIPoC – und das ganz ohne die Reproduktion von Klischees und Stereotypen. Damit ist «Hotel Mondial» nichts weniger als ein Unikat im deutschen Fernsehen und dementsprechend wäre es ein absolut falsches und fatales Signal, diese wundervolle Serie nicht weiterleben zu lassen! Denn «Hotel Mondial» zeigt, dass es auch anders geht, dass es möglich ist, Geschichten von queeren Menschen, Frauen* 47+ und BIPoC lebensnah und ohne Klischees und Stereotype zu erzählen. Und genau das brauchen wir in der deutschen Film- und Fernsehlandschaft so dringend, genau darauf haben wir so lange gewartet!
Dass diese Produktion aus den oben genannten Gründen bei einigen, insbesondere älteren, konservativeren, Zuschauer:innen und vor allem auf diesem Sendeplatz erstmal nicht auf Begeisterung stößt, das hätte Ihnen im Vorfeld bewusst sein müssen. Umso enttäuschender finden wir es, dass Sie jetzt, wo Sie merken, dass Sie mit «Hotel Mondial» bei so vielen Menschen mitten ins Zentrum eines Nervs getroffen haben, dass der Bedarf riesengroß ist – bei mittlerweile über 1.500 Unterschriften von Menschen aus 67 Ländern für unsere Petition zum Erhalt der Serie – und dass die Serie gerade auf sämtlichen Plattformen und auch international viral geht, dass Sie sich selbst jetzt noch hinter Ihren alteingesessenen Zuschauer:innen und vor allem hinter den Einschaltquoten verstecken. Dabei haben Sie als öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt laut § 26 Abs. 1 des Medienstaatsvertrages (MStV) einen Bildungs- und Informationsauftrag, der nicht von den Einschaltquoten einer Produktion abhängig sein sollte, und an diesen Bildungs- und Informationsauftrag und vor allem an die damit verbundene Verantwortung möchten wir an dieser Stelle nochmal ausdrücklich appellieren!
Sehr geehrte Frau Dr. Bilke, sehr geehrter Herr Dr. Himmler, haben Sie Mut und setzen Sie «Hotel Mondial» nicht ab! Ziehen Sie stattdessen die Möglichkeit eines anderen Sendeplatzes oder einer Verlegung in ein reines Mediathekformat in Betracht! – Oder, wenn sie wirklich ein Zeichen setzen und ein Vorbild für andere Sender sein wollen: Halten Sie die negativen Reaktionen zu «Hotel Mondial» aus! Stehen Sie darüber und geben Sie der Serie erstmal eine Chance, anzukommen! Reißen Sie diesen kleinen Samen der Revolution nicht gleich wieder aus der Erde, sondern lassen Sie ihn stattdessen zu einem großen, kräftigen Baum werden, der unserer Community Schutz bietet, an den wir uns anlehnen können und der auch Widerstand aushält!
Sehr geehrte Frau Dr. Bilke, sehr geehrter Herr Dr. Himmler, zeigen Sie Haltung, zeigen Sie, dass Sie Ihre Verantwortung als öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt ernst nehmen, und beziehen Sie Stellung zu diesem offenen Brief!
Im Namen der gesamten «Hotel Mondial»-Community,
Marie Marén Nitz
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