Die Kritiker

«Tatort - Avatar»

von

Das «Tatort»-Jahr geht weiter mit einer neuen Folge aus Ludwigshafen, benannt nach einem Spielfilm von James Cameron?

Stab

Darsteller: Ulrike Folkert, Lisa Bitter, Peter Espeloer, Ziva Marie Faske, Leni Deschner, Sabine Timoteo
Musik: Dominic Roth
Kamera: Conny Janssen
Drehbuch: Harald Göckeritz
Regie: Miguel Alexandre
Die düsteren Seiten des World Wide Web: Sie sind seit jeher ein beliebtes Thema von deutschen Fernsehkrimis. Auch der neue «Tatort» aus Ludwigshafen mit dem verheißungsvollen Titel «Avatar» will sie offensichtlich ein weiteres Mal erkunden – scheitert dabei jedoch an einem unreflektierten Umgang mit den durchaus realen Gefahren und Fallstricken, die das Internet gerade seinen jungen Nutzern oftmals stellt.

Aber der Reihe nach: Die Ludwigshafener Kommissarinnen Odenthal (Ulrike Folkerts) und Stern (Lisa Bitter) sollen den Tod eines Mannes aufklären, der am Rheinufer gefunden wurde. Schnell wird klar, dass das Opfer vor seinem Ableben mit Pfefferspray attackiert wurde. Im Zentrum des Falls steht die geheimnisvolle Zeugin Julia (Bernadette Heerwagen), die scheinbar mehr über den Vorfall weiß.

Leider versinkt der Film jedoch schon ab diesem frühen Zeitpunkt nur noch in Klischees und oberflächliche Darstellungen, anstatt die vielschichtigen Aspekte des Internets und seiner Gefahren für die Privatsphäre seiner Nutzer konsequent zu beleuchten. Die Figur Julia soll dabei den emotionalen Anker dieser Geschichte bilden, doch ihr Charakter ist dafür leider durch zu stereotype Darstellungen geprägt, die dem Facettenreichtum der realen Personen, die Opfer von Online-Kriminalität werden, und ihren Schicksalen nicht gerecht werden.

Statt sich thematisch an die gesamte Komplexität und Vielschichtigkeit des World Wide Web zu wagen und seine Risiken nuanciert zu reflektieren, verfällt der Film in veraltete und überzogene Klischees, die so seit den 90er Jahren immer wieder gebetsmühlenartig mit erhobenem Zeigefinger abgeklappert werden. Doch die dunklen, neonbeleuchteten Gassen des Internets wirken wie ein Relikt vergangener Cyberpunk-Filme und verfehlen die Komplexität der Realität deutlich: Das ist jedoch nicht nur plumpes Storytelling nach Vorschrift, sondern auch thematisch nicht unbedenklich. Denn dieser zu einfach vorgestellte Sachverhalt verstellt den Blick auf die tatsächlichen Schicksalswendungen in Zeiten von Cybermobbing und Identitätsdiebstahl, für die das Krimi-Genre ohnehin nicht den am besten geeigneten Erzählrahmen bietet.

So wirken die Ermittlerinnen Odenthal und Stern in diesem Kontext auch stärker überfordert als sonst und agieren teilweise auffallend hilflos. Ihre Darstellung trägt dabei nicht unbedingt zur weiteren Authentizität des Films bei, und ihre stereotypen Rollen werden dem Anspruch eines zeitgemäßen «Tatorts» in dieser Folge kaum gerecht. Insgesamt hinterlässt «Tatort – Avatar» damit vor allem den Eindruck von fehlendem Feingefühl für die behandelte Thematik, die ohne Zwischentöne und Nuancen auskommen muss. Denn die Geschichte verliert sich hoffnungslos in einem undifferenzierten Netz aus Klischees und oberflächlichen Darstellungen. Da hilft nur ein alter Rat, den man früher gerne jungen Menschen vor dem Computer gegeben hat: Raus aus dem Internet – und wieder hinein in die wirkliche Welt.

Die neue Folge «Tatort – Avatar» wird vom Ersten am Sonntag, den 7. Januar um 20.15 Uhr ausgestrahlt.

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