Hallo Herr Alvart! Jetzt startet die neue Miniserie «Oderbruch» im Ersten. Wie viel Zeit steckte zwischen dem Beginn des Skripts von Arend Remmers und der Ausstrahlung und welche Schritte musste das Projekt nehmen?
Der Pitch von Arend stammt von Januar 2019, Outlines für alle Folgen hat er dann mit uns und Adolfo innerhalb eines Jahres entwickelt. Im März 2020 gab es dann eine bereits mit CBS abgestimmte Serienbibel, denen wir das Projekt im Rahmen unsers First-Look-Deals gepitcht hatten. Im Mai gab es die ersten beiden Bücher. Auf der Grundlage von Bibel, Büchern und Kreativ-Team zeigten mehrere deutsche Sender Interesse.
Ab September haben wir exklusiv mit der Degeto verhandelt und Anfang 2021 kamen sie an Bord. Von da an wurden die Bücher gemeinsam mit den Sendern entwickelt, Martin Behnke, Ronny Schalk und ich selbst haben Arend Bucharbeit abgenommen und die Syrreal, vor allem Sigi Kamml, die Restfinanzierung gestemmt. 2022 wurde dann gedreht und im Sommer 2023 hatten wir Weltpremiere auf dem Münchner Filmfest.
Sie waren bei der achtteiligen Serie nicht nur als Produzent, Kameramann, Regisseur tätig, sondern haben auch am Skript mitgewirkt. Wie spricht man sich mit Remmers, Martin Behnke und Ronny Schalk ab? Wer schreibt was?
Arend und ich haben uns ständig zusammen eingeschlossen und wie wild Ideen vor- und zurück gepitcht. Arend hatte dabei für mich immer das letzte Wort, ich wollte ihn überzeugen und nicht den Produzenten hervorkehren. Martin und Ronny hat Arend für je ein Buch dazu geholt, er kennt beide schon länger und hat eine Vertrauensgrundlage. Daher liefen bei ihm als Headautor die Fäden zusammen. Er hat die Schreibaufgaben verteilt und sich mit Problemstellungen an jeweils den gewandt, dem er eine Lösung zugetraut hat. So habe ich das bei meinen Shows auch immer gemacht. Die Arbeit mit den Redaktionen von CBS und Degeto dagegen haben Adolfo, Arend und ich uns geteilt, wobei ich da als produzierender Showrunner schon sehr viel Verantwortung übernommen habe. Aber die eigentliche Schreibarbeit, die hat Arend als Herkulesaufgabe gestemmt.
Derzeit hört man immer, dass künstliche Intelligenz Dialoge verfassen oder Handlungen vorgeben könnte. Sehen Sie Einsparpotenzial oder Gefahr für Ihre Arbeit?
Momentan können die vielgelobten Programme das noch nicht, dazu fehlt noch die kreative Intelligenz. Allerdings sehe ich das in naher Zukunft als reale Gefahr - vor allem wenn wir als Publikum uns weiterhin immer mehr mit austauschbaren Plots, Abziehbildern als Figuren und Konflikten nach Schema F zufrieden geben. Mancher Blockbuster wirkt jetzt schon wie von KI geschrieben, für das Niveau können sicher bald Executives ihre genialen Ideen in KI-Programme einhacken und der spuckt die 08/15 Variante eines „Content“-Filmes aus.
«Oderbruch» haben Sie gemeinsam mit Adolfo J. Kolmerer umgesetzt, mit dem Sie schon an «Sløborn» arbeiteten. Wie sieht eine gemeinsame Regiearbeit aus?
Bei Sløborn gab es noch eine kurze Lern- und Kennenlernkurve, inzwischen liebe und vertraue ich Adolfo blind. Wir haben so viel gemeinsamen Spaß, dass wir unsere Drehs gar nicht in Blocks mit unseren jeweiligen Folgen aufgeteilt haben, sondern beide die ganze Zeit anwesend waren, und dann halt derjenige gerade gedreht hat, der an dem Tag seine Szenen hatte. Wir haben uns auch manchmal ausgeholfen uns als „Second Unit“ Szenen oder Schnipsel für den jeweils anderen gedreht und uns in solchen Fällen vorher interviewt, was dem Kollegen an der Szene besonders wichtig war.
Ich habe das immer als große Ehre empfunden und versucht, diese Szenen in „Adolfos Stil“ zu drehen, und er hat das andersherum auch so gemacht. Grundsätzlich haben wir natürlich zuvor mit Arend gemeinsame Regeln für Oderbruch entwickelt, damit das Ganze wie aus einem Guss daherkommt, aber in Details gibt es dann doch feine Unterschiede, die wir auch zu schätzen wissen.
Die Serie handelt von einem Fund eines Leichenbergs in einem Dorf. Ein oder mehrere Massenmörder sollen hunderte von Menschen getötet haben. Wie wird sich die Story entwickeln?
Arend hat sich eine komplexe Geschichte mit mehreren Zeitebenen und überraschenden Wendungen ausgedacht, bei der am Ende trotzdem alles einen klaren Sinn ergibt und alle Fragen beantwortet werden. Dabei verändert sich nach und nach das Genre und schließlich öffnen sich Türen, die so etwa auch in einem Stephen King Stoff aufgehen könnten und doch ganz und gar „deutsch“ bleiben. Ich bin total begeistert davon, dass man solche ungewöhnlichen Geschichten inzwischen in unserem Land erzählen darf.
Die Serie endet nach acht Folgen. Sind Sie froh, dass die öffentlich-rechtlichen Sender inzwischen mehr Miniserien ordern?
Serien, Mini-Serien, Eventfilme, kleine Filme, große Filme, Kurzfilme und Mehrteiler - ich bin für jede Order von hochwertig produziert und erzählter Fiktion dankbar. Dafür dürften gerne auch die Budgets wieder steigen.
Hätten Sie den Stoff von «Oderbruch» auch in einen Fernsehfilm packen können?
Auf keinen Fall. Ich glaube fest daran, dass jede Idee eine einzig wahre Form in sich trägt. Manche Ideen sind Romane, manche Kurzfilme und manche - so wie Oderbruch - eben eine Serie.
Apropos Das Erste: Sie haben alle Til-Schweiger-«Tatorte» umgesetzt. War Ihnen klar, dass nach dem Kinofilm kein weiterer Auftrag mehr kommt?
Das ist nicht richtig, nach dem Kino-Tatort hat der geschätzte Kollege Eoin Moore mit Til den «Tatort» „Tschill Out“ gedreht. Für mich war die Astan-Clan-Saga mit dem Kinotatort abgeschlossen, ich freue mich aber, wenn ich mir weitere Tatorte mit Til im Fernsehen anschauen darf.
Sie wirkten auch als Autor und Produzent für die RTL+-Serie «Ze Network» mit. Waren Sie mit der medialen Aufmerksamkeit zufrieden?
Nein, da hab‘ ich mir mehr erwartet. Ich bin sehr stolz auf die Serie, halte sie für eine meiner besten Arbeiten und selbst im übervollen Angebot zur Zeit für etwas Besonderes. David und Henry wurde viel abverlangt und sie haben alles gegeben. Vielleicht entdeckt ja noch der ein oder andere die Serie für sich, es gibt sie ja immer noch auf RTL+ und jetzt auch auf Amazon und Co. Ein physischer Release ist auch in Arbeit.
Wie wichtig sind heutzutage die Aufrufe von Mediatheken? Ist die lineare Reichweite immer noch das wichtigste Kriterium?
Nein, eine Serie muss heute in einem von beiden erfolgreich sein, Mediathek oder linear, das ist eine Mischkalkulation. Natürlich gibt es teure AAA-Produktionen, die am besten beides abliefern, aber gerade an meine Firma treten die Sender oft auch mit Bestellungen, die besonders die Mediatheken stärken sollen. «Sløborn» war z.B. explizit als Mediatheken-Schwerpunkt angelegt und das hat auch hervorragend funktioniert. Immerhin startet bald schon die dritte Staffel.
Herzlichen Dank für Ihre Zeit!
Die achtteilige Mystery-Crime-Serie «Oderbruch» ist ab Freitag, 19. Januar 2024 in der ARD Mediathek verfügbar. Am Freitag, 19. und 26. Januar, ab 22:20 Uhr kommen jeweils vier Folgen im Ersten.
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